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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

frische Cigarre angesteckt hatte. „Du hast gesehen, dem Onkel sträubt sich jedes Haar auf dem Kopfe bei dem Verdachte, es könne sich ein Tropfen unseres ‚Narrenblutes‘ in seine Adern verirrt haben – er hat in seiner Art Recht, der Mann der Regeln und Formen –, und Du mit Deiner unverrückbar ruhigen, sehr vernünftigen Anschauungsweise stehst zu ihm – soweit kenne ich Dich bereits.“


(Fortsetzung folgt.)




Der neue Präsident des preußischen Abgeordnetenhauses.


Rudolf von Bennigsen.
Auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.

Wenn man in der gegenwärtigen Session des preußischen Abgeordnetenhauses einer der zahlreichen interessanten Verhandlungen beiwohnt, so erblickt man in dem Präsidentenstuhle, den bisher der bekannte Herr von Forckenbeck mit so großer Ehre eingenommen hat, einen Mann, dessen aristokratisch stattliche Figur und intelligente Züge unwillkürlich die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die ganze Erscheinung trägt den Typus der norddeutschen Natur und imponirt weniger durch bestechende Eigenschaften, durch glänzende Genialität, durch hinreißende Beredsamkeit, durch geistreiche Blitze, durch überraschenden Witz, als durch eine harmonische Bildung, durch praktische Tüchtigkeit und männliche Kraft, die unwillkürlich Vertrauen und Achtung fordert und verdient. Die Sicherheit und Ruhe, womit der neue Präsident die oft nur zu stürmischen Verhandlungen leitet, die Unparteilichkeit, welche er bei solchen Gelegenheiten zeigt, die Würde, die er sich und dem Hause stets zu wahren weiß, verrathen eine langjährige parlamentarische Thätigkeit, einen festen Charakter, ein bedeutendes staatsmännisches Talent.

Rudolf von Bennigsen stammt aus einem alten niedersächsischen Adelsgeschlecht und wurde am 10. Juli 1824 in Lüneburg geboren, wo sein höchst gebildeter Vater damals als Major in Garnison stand. Der Knabe genoß im elterlichen Hause eine ausgezeichnete Erziehung, die ihn vor den Vorurtheilen seiner hannoverschen Standesgenossen, die bekanntlich zu den beschränkt übermüthigsten Aristokraten zählen, glücklich bewahrte. Genügend wissenschaftlich vorbereitet, bezog er die Universität Göttingen, später Heidelberg, um die Rechte zu studiren. Obgleich er als Corpsbursche sich an einer Verbindung betheiligte, so zeigte er schon damals einen gewissen Ernst und eine ihm angeborene Zurückhaltung, die fast an Verschlossenheit grenzte.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_093.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)