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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Frankreich war 1851 gerade eine solche Republik wie heutzutage. Am Hause des Präfecten von Straßburg flatterte die Tricolore blau, weiß und roth. Daß zwanzig Jahre später schon von dem berühmten Dome jener alten Stadt die deutsche Tricolore mit ihren Reformfarben wehen werde und das romanische Gelb von der Sonne der Zeit in ein germanisches Weiß umgewandelt sein würde – das hätte ich mir, gerade so wie alle anderen Leute, nicht träumen lassen, als ich beim Frühstücke im „Holländischen Hofe“ als flüchtiger Prätendent deutscher Freiheit und Einheit das erste Sendschreiben an meine Lieben und Getreuen im Heimathlande ergehen ließ, gegeben zu Straßburg, am 19. August 1851.




An Hoffmann von Fallersleben.


Zu Corvey war’s. Durch den Kastaniengang
Bin ich mit Dir des Wegs zum Schloß geschritten
Und saß gar bald bei hellem Gläserklang
In Deines blüthgeschmückten Zimmers Mitten.

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Es lag die Flur im Julisonnenbrand,

Rheinwein in Eis. Der Mann im Silberhaare,
Er füllte unsre Becher bis zum Rand
Und sprach: „Stoß’ an! O, blieb’ es immer so!
Noch bin ich jung und meiner Jugend froh,

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Trotz meiner vollen fünfundsiebzig Jahre.“ –


Mein alter Freund, noch keinen sah ich je,
Der so den Lenz des Daseins festgehalten.
Hin auf die Schultern floß der Locken Schnee;
Wohl lagen auf der Stirne tiefe Falten,

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Doch von der Lippe sprühte der Humor;

Satire wußt’ den scharfen Pfeil zu spitzen,
Und tief im Herzen sproß ein Blumenflor;
Da klang’s wie eines Haidevögleins Schlag.
Mir war’s, als säh’ ich einen Maientag

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Hervor aus Deinen blauen Augen blitzen.


Nun ist vorbei auch Deine Erdenfahrt.
Die blauen Augen hat der Tod geschlossen;
Nicht streichst Du, schelmisch lächelnd, mehr den Bart
Vergnügt im Kreise heit’rer Zechgenossen.

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Der Zeit erlag auch Deine Riesenkraft;

Nun ward auch Dir das Todtenlied gesungen;
Du ruhst nach einer langen Wanderschaft. –
Um Deinen Hügel strahlt des Ruhmes Glanz:
Den Kranz des Forschers und des Dichters Kranz,

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Du hast die Kränze beide Dir errungen.


Im Reich des Wissens hat Dein ernster Fleiß
Erworben längst Dir eine Ehrenstelle,
Und des Poeten grünes Lorbeerreis,
Du brachst es fast im Spiele Dir, Geselle.

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Treuherzig, innig, wie ein Volkslied fast,

Einfach und schlicht, bar alles Phrasenschwalles,
So klingt das Lied, das Du gedichtet hast.
Hoch schlägt das Herz uns, wenn Dein Sang erschallt,
Dein „Zwischen Frankreich und dem Böhmerwald“,

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Dein herrlich „Deutschland, Deutschland über Alles“.


Dem Vaterlande und der Freiheit schlug
In gleicher, treuer Lieb’ Dein Herz entgegen;
Den Haß der Priester und der Mächt’gen trug
Dein Haupt auf harten, langen Dornenwegen;

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Dich machte zahm kein Pfaff’ und kein Despot:

Des Volkes Streiter war und blieb der Barde.
Du grüßtest froh der Einheit Morgenroth
Und kämpftest fort für Freiheit, Recht und Licht;
Um Herrengunst und Gnade hast Du nicht

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Gewechselt Deine Fahne und Cocarde. –


Die Leiche birgt das Grab im Weserthal;
Verhallet ist der Klang der Sterbeglocken –
Die Stunden flieh’n; bald wird der Sonnenstrahl
Aus Deiner Gruft hervor die Blumen locken.

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In Frieden schlaf’! Dein Tagwerk ist gethan.

Das Volk, die Wissenschaft, die Sanggenossen
Der stillen Schlummerstätte trauernd nah’n;
Sie bringen Dir dreifaches Lorbeerblatt,
Dreifachen Kranz – und Deinen Namen hat

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In Liebe Deutschland in sein Herz geschlossen.


Emil Rittershaus.




Blätter und Blüthen.


Der „Vorschlag“ zur Orthographie-Reform in Nr. 3 der „Gartenlaube“ hat gewiß das Interesse aller derjenigen Deutschen erregt, denen es darum zu thun ist, ihre schöne Muttersprache in tadellosem Gewande zu erblicken. Gab doch die Aufnahme dieser Notiz zugleich die Versicherung, daß die „Gartenlaube“ ihre bisherige Zurückhaltung in dieser Frage aufgegeben habe und mit eintreten wolle in den bereits seit Decennien geführten, neuerdings in der Schweiz, wie im Osten Deutschlands wieder frisch auflodernden Kampf gegen ein widerliches Zopfthum, einen aus den Zeiten deutscher Schmach vererbten, von sprachkundigen Grammatikern und grämlichen Pedanten wohlconservirten Mißstand.

Daß für die Reform der Orthographie etwas gethan werden muß, kann Niemand mehr bezweifeln. Es ist hier nicht der Ort, die Mängel unserer sogenannten „Rechtschreibung“ einzeln aufzuzählen. Jeder, der sie mit vorurtheilsfreiem Blicke geprüft, stimmt Jacob Grimm bei, der sie „eine schimpfliche, die Gliedmaßen der Sprache ungefüg verkleisternde und entstellende Schreibweise“ nennt; Niemand kann leugnen, daß sie eine unwürdige Hülle für unsere herrliche deutsche Sprache, ja, daß sie mit ihrem verworrenen Regelkrame nichts als ein wüstes Gewirr von Willkür und Unsinn ist. Sie erschwert nicht nur ganz außerordentlich die Arbeit der Lehrer in den Schulen, sie wirkt auch in Folge ihrer vielen Unregelmäßigkeiten und Schwankungen verwirrend auf das schreibende Publicum ein und schreckt Viele aus den untern Volksclassen ab, nach der Schulzeit die Feder nochmals in die Hand zu nehmen. Jeder, dem die Hebung unserer Volksbildung am Herzen liegt, muß mit Hand anlegen an das Werk der Reform.

Jedoch kann ich nicht ganz der Ansicht des geehrten Herrn Einsenders der betreffenden Notiz aus Wien über die Weise der Reformdurchführung beitreten. Nach meiner Ueberzeugung darf uns eine Reform nicht von oben herab durch eine orthodoxe Commission aufgedrängt werden; sie muß vielmehr von unten herauf, aus dem Volke selbst angeregt werden. Es muß zunächst das Interesse der Lehrerwelt wie des größeren Publicums für diese Angelegenheit erregt werden. Es gilt zuvörderst, noch manches hemmende Vorurtheil zu beseitigen, das Widerstreben der „Conservativen“ um jeden Preis zu brechen und überall für das Neue bereite Bahn zu schaffen. Ist dies geschehen, dann mag die Commission mit ihren Gesetzen eintreten, dann erst kann ihr Wirken auf Erfolg rechnen.

In Schlesien ist bereits ein erster Schritt gethan. Der Pädagogische Verein zu Görlitz hatte im vergangenen Sommer beschlossen, eine orthographische Reform-Bewegung zunächst in der schlesischen Lehrerschaft anzuregen, und versandte zu diesem Zwecke gegen Ende des vorigen Jahres eine von ihm ausgearbeitete, von Professor Dr. Jacob Bucher in Luzern durchgesehene und äußerst günstig beurtheilte Abhandlung „Ueber Neugestaltung unserer Rechtschreibung“ an die einzelnen Zweigvereine (über fünfzig) des schlesischen Provinzial-Lehrervereins mit dem Ersuchen um Berathung der darin aufgestellten Thesen, von denen die drei ersten principieller Natur sind und wie folgt lauten:

1) Unsere Rechtschreibung ist als eine zum Theil ungenaue und regellose, selbst unpraktische zu bezeichnen. Es ist darum eine Verbesserung derselben anzustreben.

2) Zur Durchführung einer solchen ist das historische Princip ungeeignet.

3) Eine zweckentsprechende Orthographie-Reform kann nur unter Zugrundelegung des phonetischen (Laut-)Princips erreicht werden.

Der Verein hegt die Absicht, zunächst eine Einigung der schlesischen Lehrer herbeizuführen, dann aber auch der Sache größere Ausdehnung zu geben und das Reformwerk zu einer Angelegenheit der gesammten Lehrerwelt Deutschlands zu machen.

Es ist zu wünschen, daß das Streben der schlesischen Lehrer von der Theilnahme des ganzen Volkes unterstützt werde. Vielleicht ist es unserer Zeit, der Zeit der politischen Einigung Deutschlands, vergönnt, auch eine Einigung auf dem Gebiete der deutschen Rechtschreibung herbeizuführen.

R.


Kleiner Briefkasten.


Schr. in Mbg. Wenn Sie den vollen Abonnementsbetrag der Gartenlaube bei der Postexpedition eingezahlt haben, so ist diese auch verpflichtet, die sämmtlichen Nummern des Quartals zu liefern. Von Seiten der Verlagshandlung werden der kaiserlichen Post nicht nur einzelne, sondern stets die sämmtlichen bisher erschienenen Nummern des Quartals ausgehändigt. Dagegen ist durch eine Generalverfügung der kaiserlichen Postdirection allerdings bestimmt worden, daß bei verspäteter Bestellung die bereits erschienenen Quartalnummern nur gegen einen Portoersatz von einem Groschen ausgeliefert werden sollen. Diese kleine Strafe für verspätete Abonnementsaufgabe haben auch Sie zu zahlen, wogegen, wie bereits bemerkt, die Postbehörde Ihnen unweigerlich die sämmtlichen Nummern des Quartals auszuhändigen hat. Nachweislich auf der Post beschmutzte Exemplare haben Sie das Recht zurückzuweisen.

Breslau. Ich fühle mich bei zunehmender Kränklichkeit nicht mehr fähig, vielfache, in diesen Tagen empfangene Zuschriften gütiger Gönner und Freunde dankbar zu erwidern, und bitte um Nachsicht für den müden Alten.

Breslau, den 25. Januar 1874. Holtei.

O. M. in Chemnitz. Ihre Arbeit ist zum Abdruck nicht geeignet. Bei etwaigen weiteren Einsendungen wollen Sie durch deutlichere Schrift schonendere Rücksicht auf unsere Augen nehmen.

Flora P. in Freiberg. Richtig vermuthet!

A. in W. Recht brav, aber für die Gartenlaube nicht geeignet.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_104.jpg&oldid=- (Version vom 16.1.2021)