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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Antworten des gleichbefähigten weiland Candidaten Jobses auf die seiner gelehrten Examinatoren. Sie beschlossen nunmehr, zu versuchen, welchen Erfolg ein Ausspruch des souverainen Volkswillens haben möchte. Es wurde eine Massenversammlung ausgeschrieben, die denn auch von einer großen Menge von Bürgern aus San Bernardino, Los Angeles und sogar dem entfernten San Diego besucht war. Nach langem Hin- und Herreden einigte man sich in der Ansicht, das einzige Hülfsmittel sei, ein Gesuch um Vernichtung der letzten Ehe von Oades durch einen Gesetzesact an die Legislatur zu richten. Allein Oades, der anwesend war, erhob sich sofort und sagte, das ginge nicht, weil die zwanzigste Section des vierten Artikels der Californischen Verfassung ausdrücklich bestimme: „Die Legislatur soll nie eine Ehescheidung aussprechen.“ Da Oades die gedruckte Verfassung selbst vorlegte, so war natürlich kein Einwand mehr möglich. Es wurde demnächst der Vorschlag gemacht, die Legislatur darum anzugehen, eine Convention zur Abfassung einer neuen Constitution zu berufen, zu dem Ende, um die eine oder andere von Oades’ Ehen für ungültig zu erklären. Aber auch hier trat der stets schlagfertige Oades dazwischen, indem er die Verfassung der Vereinigten Staaten hervorzog, und aus derselben die zehnte Section des ersten Artikels vorlas, welche wörtlich bestimmt: „Kein Staat soll ein Gesetz erlassen, das die aus Contracten sich ergebenden Verpflichtungen antastet.“ Es wäre ein ausgemachter Satz, daß der Ehebund ein Contract sei, und deshalb könne keine irdische Macht ihn seines wohlbegründeten Rechts auf seine beiden Frauen berauben.

Wenn bis hierher das vollständig innerhalb der Gesetze sich bewegende Verfahren der Gegner von Oades’ ehelichen Verhältnissen unsern ganzen Beifall verdient, so bedauern wir hinzusetzen zu müssen, daß in dem zuletzt erwähnten Stadium in der Versammlung sich eine Stimme erhob, die zu Abhülfe auf eines jener Mittel hinzielte, wie sie nur zu oft die ersten Jahre unserer so schnell aufschießenden Pionieransiedelungen mit Blut und Verbrechen besudelten.

Das Schweigen, welches Oades’ Berufung auf die Verfassung der Vereinigten Staaten – das Buch, dem an Heiligkeit in der Schätzung der Amerikaner nur noch ein anderes, die Bibel, gleichsteht – folgte, wurde durch einen angesehenen Bürger von Los Angeles unterbrochen, der als das einfachste und wirksamste Mittel, der Schwierigkeit abzuhelfen, vorschlug, Oades zu hängen. „Dies,“ so setzte der freundliche Mann hinzu, „ist die gewöhnliche Weise, wie wir in Los Angeles derartige Angelegenheiten aus der Welt schaffen, und es ist stets unter allgemeinem Beifalle geschehen, außer einmal, wo man vielleicht etwas zu weit gegangen ist, indem man siebenzehn Chinesen durch den Strick in’s Jenseits beförderte.“ Dieser menschenfreundliche Wink schien der Massenversammlung so sehr zu gefallen, daß Oades plötzlich die Temperatur zu heiß und erstickend fand und sich entfernte, während der Los Angeles-Mann seine Ansicht näher begründete. Die Massenversammlung löste sich in Streit auf, denn die „Engelsstimme“ fand auch sehr entschiedene Widersacher, und Oades erreichte, nach einem scharfen Wettritte mit seinen Verfolgern, seine Wohnung, die er sofort verbarrikadirte. Er vertrieb seine Feinde mit einem Gewehre.

Nachdem sich die Menge zerstreut hatte, besuchte ein Zeitungsberichterstatter Herrn Oades. Er fand ihn bei Tische mit seinen beiden Frauen, Alle in bester Stimmung, und wurde freundlich zur Theilnahme eingeladen. Der Berichterstatter hatte eine lange und sehr interessante Unterredung mit Herrn Oades, so behauptete er wenigstens, allein höchst unglücklicher Weise hatte er am nächsten Morgen, als er seinen Bericht zu Papier bringen wollte, den Inhalt der Unterredung total vergessen. Er wußte nur noch, daß Oades ein capitalfideler Kerl – also darin verschieden vom Grafen Gleichen – sei, daß sie bis drei Uhr Nachts sich sehr vergnügt unterhalten und während dieser langen Zeit blos drei Flaschen Whiskey getrunken hätten. Oades’ Unterredungskunst und Whiskey hatten einen solch mächtigen Einfluß auf des Berichterstatters Geist, und dessen häusliches Glück auf sein Herz geübt, daß er steif und fest behauptet, die ganze Aufregung entstehe nur aus Eifersucht unter den Leuten von San Bernardino, einer alten Mormonenansiedelung, und aus bloßem Neide gegen Oades, den sie im Genusse einer Bevorzugung sehen, welche die Gesetze ihnen verweigern.

Dies war der Stand der Sache Mitte Januar 1874. Sobald ich Weiteres erfahre, werde ich Fortsetzung und Schluß dieser interessanten Ehegeschichte meinen Landsleuten in Deutschland mittheilen.





Winter-Studien.


2. Schnee und Eiszapfen.

Bei uns giebt das Wetter bekanntlich ein ebenso beliebtes, wie verpöntes Gesprächsthema, und die meisten Unterhaltungen beginnen mit demselben. Das kommt daher, weil unsere Heimath sich mehr als andere Länder einer unberechenbaren, an Wechsel und Ueberraschungen reichen Witterung erfreut. Unberechenbar bleibt sie, als Resultat des Kampfes zweier Gegner, deren Streitkräfte wir nicht kennen, weil sie aus fernen Himmelsstrichen herkommen; wir können deshalb mit Gewißheit in keinem Falle vorhersehen, welcher von ihnen dem Andern für die nächste Zeit das Feld und die Oberherrschaft einräumen wird. In Ländern, wo es alle Tage zur selben Zeit ein Gewitter giebt, zu einer anderen Stunde ein bestimmter Wind sich erhebt, spricht man nicht vom Wetter, denn nur das Unbestimmbare regt uns auf, und nur in ungewissen Zeiten und Lagen werden die Propheten aufgesucht.

Jene beiden Gegner sind die Passatwinde der nördlichen Halbkugel, der vom Aequator nach dem Nordpol gerichtete Südwind, und der in entgegengesetzter Richtung wehende Nordwind. Seinem Entstehungsherde näher fließt der Aequatorialstrom ungehindert über den Rücken des Polarstroms hinweg, je mehr er sich aber unseren Breiten nähert, desto mehr senkt er sich und steigt in das Gebiet des letzteren hinab, so daß ein Kampf unvermeidlich wird, wobei Einer den Anderen aus seinem Bette zu verdrängen sucht. Die ursprünglich rein nördliche, respective südliche Richtung der beiden Winde wird durch die Erdumdrehung abgelenkt. Der Nordstrom kommt fortschreitend beständig in Breiten, die eine größere Umdrehungsgeschwindigkeit besitzen, als er selbst; er trifft deshalb zurückgeblieben in mehr nordöstlicher Richtung, der Südstrom wegen umgekehrten Verhältnisses von Südwesten her bei uns ein. Wir müssen uns diese beiden Winde ein wenig genauer ansehen, da sie und nicht die Hexen auf dem Blocksberg, wie man vor Zeiten glaubte, unser Wetter brauen. Der heiße Aequatorwind beladet sich, indem er sich über die großen Meeresbecken im Südwesten Europas hinabsenkt, dort stark mit Feuchtigkeit; er bringt uns warmes Wetter und läßt das Barometer sinken, weil diese warme und feuchte Luft leichter ist, als die kalte und trockene des Nordstroms, welche die Quecksilbersäule durch ihre Last in die Höhe gedrückt hatte. Wenn man sich einen Augenblick die Meridiane als Mauern vorstellt, die gegen den Pol spitz zusammenlaufen, so begreift man leichter, warum der Südwind in seinem schmaler werdenden Bette wie in lauter hohle Gassen hineinrast, während der Nordwind sich langsamer in sein immer breiter werdendes Bett ergießt. Dieser verschiedene Charakter der beiden herrschenden Winde unserer Heimath trägt viel dazu bei, daß die Natur im Herbste, wo letzterer die Oberhand gewinnt, wie Dove sagt, „langsam einschläft, um im Frühjahr fieberhaft zu erwachen.“

So oft nun diese beiden Winde ihre Richtung ändern und dabei aufeinandertreffen, giebt es in der Regel einen Niederschlag der Feuchtigkeit des Südwindes, im Sommer oft unter Begleitung von Donnerwetter, im Winter meist ohne dieses in Gestalt von Schnee. Der Schneefall bezeichnet deshalb in der Mehrzahl der Fälle den Wendepunkt der vielen kleinen Winter, die wir in jedem größeren durchzumachen haben; er erinnert uns, das Barometer zu befragen. Beim Beginne eines Schneegestöbers ist es, wenn nicht schon vorher niedrig stehend, in der Regel gefallen; steigt es nun während des Niederschlages allmählich, so ist zu erwarten, daß der Nordstrom die Oberhand

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_149.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)