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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

No. 10.   1874.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 16 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Drei Tage nach Schluß der letzten Nummer traf von Wiesbaden die unerwartete Trauerbotschaft hier ein, daß der Tod einen der treuesten und ausgezeichnetsten Mitarbeiter der Gartenlaube, den

Herrn Professor Dr. Carl Ernst Bock,

uns für immer entrissen hat.

Was Bock der fortschrittlichen Wissenschaft auf dem Felde der Medicin war, wird eine berufene Feder den Lesern der Gartenlaube schildern, ich vermag heute in dieser kurzen Anzeige nur einen Kranz auf sein frühes Grab niederzulegen, einen Lorbeerkranz der vollsten Verehrung und meinen herzlichsten tiefgefühltesten Dank für seine treue hingebende Mitarbeiterschaft, für seinen unerschrockenen heldenmüthigen Kampf gegen Alles, was ihm schlecht oder verwerflich erschien, für seine aufrichtige Freundschaft, die er der Gartenlaube in allen Wechselfällen ihres Bestehens bewahrt hat. Fest und unentwegt, ein schneidiger und unermüdlicher Streiter, ging er mit der ganzen Kraft seiner wissenschaftlichen Autorität auf sein weitgestecktes Ziel der Volksaufklärung vor und wußte durch seine hinreißenden, klaren und wuchtigen Darstellungen so überzeugend zu belehren und alte Vorurtheile zu beseitigen, wie es vor ihm noch Keinem gelungen. Seinem eifrigen Bestreben, die Wissenschaft zum Gemeingut aller Menschen zu machen, und so die Massen von geistigem Drucke zu befreien, dankt die Gartenlaube eine Reihe Artikel von unvergänglichem Werthe, wie denn sein Wirken auf dem Gebiete der Gesundheitslehre und der Naturwissenschaft überhaupt ein reichgesegnetes und weitgreifendes war und unvergessen bleiben wird wie sein Name!

Friede seiner Asche und nochmals über das kaum geschlossene Grab hinaus den wärmsten Dank der Gartenlaube!

Leipzig, den 20. Februar 1874.

Ernst Keil, Redacteur der Gartenlaube.




Die zweite Frau.
Nachdruck verboten und
Uebersetzungsrecht vorbehalten.
Von E. Marlitt.


(Fortsetzung.)


13.


Sie wandte sich schweigend ab und betrat einen Weg, der am Jägerhäuschen vorüber nach dem Walde lief. Hinter den Scheiben des Küchenfensters sah sie Frau Löhn am Herde stehen, und nicht weit von ihr tauchte Gabriel’s blasses Gesicht wie ein Schemen aus einer dunklen Ecke auf; dahin war er vorhin geflüchtet, als ihn der Hofmarschall während der Debatte mit einer heftig fortscheuchenden Bewegung aus dem Kreise der Hochgeborenen verwiesen hatte. … Es war ein arger Mißgriff ihrerseits gewesen, zu Gunsten des Knaben zu sprechen – sie hatte damit seine Lage unzweifelhaft verschlimmert und dabei „ihr Genick gebrochen“, wie ihr eben der Hofmarschall triumphirend und unfein versichert – die widerwillig geduldete „zweite Frau“ hatte mit diesem Schritt ihre Stellung dermaßen erschüttert, daß es nur eine Frage der Zeit war, wann sie in die Heimath zurückkehre. … Bei diesem Schluß athmete sie wie befreit auf, ein blendendes, hochbeglückendes Licht fiel in ihre Seele – jetzt ging der Anstoß zur Trennung von der anderen Seite aus, jetzt brauchte sie selbst nicht Hand anzulegen, um die Kette abzustreifen, in die sie, von einem grenzenlosen Irrthume befangen, selbst den Kopf gesteckt hatte. Jetzt freute sie sich des Muthes, mit welchem sie diesen orthodoxen Teufelsgläubigen ihre Ueberzeugung in’s Angesicht geschleudert hatte – war nicht jedes Wort ein zerschmetternder Schlag auf Mainau’s Verdummungsprogramm gewesen? … In ihren Händen konnte er unmöglich die Sorge für den Hausfrieden, die Erziehung des Erben von Mainau belassen, wenn er verreiste; das litt schon der Hofmarschall nun und nimmer, und ihm selbst war sicher auch das Verlangen danach vergangen. Er brauchte auch das widerwärtige Aufsehen nicht mehr zu berücksichtigen – zum Eclat war es ja eben am Kaffeetische gekommen. … Frei werden! … Dort das verhaßte Schloß, in welchem sie schon so viel gelitten, erschien ihr

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_155.jpg&oldid=- (Version vom 30.5.2018)