Seite:Die Gartenlaube (1874) 179.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

eine Ruhestätte suchen, übernachtete sodann mit den Fledermäusen, um sie genauer beobachten zu können, und fand, daß die Beiden zu sehr verschiedenen Zeiten flatterten, die Hufeisennasen seinem Gesichte auch fast bis zum Berühren sich näherten. Als er wenige Tage später die Gefangenen einem Freunde vorführen wollte, bemerkte er zu seiner nicht geringen Ueberraschung, daß mehrere Hufeisennasen bis auf die Flügelspitzen und Flügel aufgefressen und eine von ihnen am Kopfe furchtbar verstümmelt war. Blutige Nasen und angeschwollene Bäuche verdächtigten die noch vollzählig versammelten Ohrenfledermäuse als Mörder der Verschwundenen, und Untersuchung des Magens einer Getödteten beseitigten jeden etwa noch bestehenden Zweifel. Eine weitere Nachforschung ergab aber, daß auch die Ohrenfledermäuse gelitten hatten; denn Kolenati bemerkte auf ihren Flatterhäuten frische Wunden mit schwammig aufgetriebenen Rändern. Hier mußte also folgender Fall eingetreten sein: Die Ohrenfledermäuse waren, während sie ruhten, von den Hufeisennasen angefallen und angezapft worden, hatten sich aber der Blutsauger bemächtigt und sie einfach aufgefressen.

Günstiger für die Blutsauger gestaltet sich die Sache, wenn sie sich kleiner Fledermäuse bemächtigen können. Hierbei lassen sie es dann nicht einmal beim Blutsaugen bewenden, sondern verzehren nachträglich auch das gepackte Opfer. Dies hat neuerdings Blyth in Erfahrung gebracht. In der Vorhalle seines Wohnhauses in Indien bemerkte dieser Forscher eine ziemlich große Fledermaus und beschloß, sie zu fangen. Während der Jagd ließ die Fledermaus eine andere, nach Blyth’s Vermuthung ihr Junges, fallen. Dasselbe wurde also zunächst ergriffen und einstweilen in einem Taschentuche untergebracht. Bald darauf glückte es auch, die größere Fledermaus, eine Leiernase, zu erlangen, und nunmehr ergab der erste Blick auf die beiden Gefangenen, daß man es mit zwei gänzlich verschiedenen Arten zu thun hatte. Das vermeintliche Junge wies sich als eine andere Fledermaus aus, und eine genauere Untersuchung zeigte, daß sie am Halse verwundet und geschröpft, auch durch den Blutverlust bis zum Aeußersten geschwächt worden war. Als Blyth am nächsten Tage beide Fledermäuse in einem Käfige wieder zusammenbrachte, stürzte sich die blutsaugende Leiernase mit der Raubgier eines Tigers auf ihr Opfer, packte dieses wieder hinterm Ohre, versuchte wiederholt mit ihm davon zu fliegen und hing sich endlich, als sie die Flucht nicht bewerkstelligen konnte, an den Hinterbeinen auf, sog von Neuem Blut, so lange solches floß, und fraß sodann die Verwundete bis auf den Kopf und einige Theile der Glieder auf.

Nach diesen Beobachtungen hätten wir es also in den Blutsaugern einfach mit Raubthieren zu thun, welche ihre Beute mehr oder weniger ebenso behandeln wie ein Tiger oder Puma die seinige und nur in Ermangelung kleiner Beutethiere größeren für sie unbezwinglichen Geschöpfen Blut abzapfen. Das unheimliche Gebahren der Vampire verliert somit durch die Aufklärung dieser Thatsache sehr viel von seinem Abschreckenden und Entsetzlichen.




Ein Diamantendiebstahl in Kairo.[1]


Von Adolf Ebeling.


Wenn man von dem Esbekih-Platze in die sogenannte Muskih, die Hauptstraße von Kairo, eintritt, so bemerkt man gleich links unter den ersten Häusern mehrere elegante Juwelierläden, die in ihrer Ausstattung und Einrichtung ganz an einen europäischen in Paris, Wien oder Berlin erinnern. Der zweite von ihnen gehört den Gebrüdern Rochmann, die seit langen Jahren in Kairo ansässig sind und weit verbreitete Geschäftsverbindungen vorzüglich nach Kleinasien und Constantinopel haben. Hinter den blanken Schaufenstern des geräumigen Ladens liegen goldene Uhren und Ketten, Ringe, Schmuck und Geschmeide aller Art, und die Vorübergehenden drängen sich hinzu und betrachten neugierig und sehnsüchtig alle die Herrlichkeiten, ganz wie bei uns zu Hause.

Das eigentliche Geschäft der Gebrüder Rochmann besteht übrigens im Handel mit Edelsteinen, namentlich mit Brillanten, wie denn bekanntlich dieser Handel in Kairo außerordentlich großartig betrieben wird. Edelsteinhändler aus allen Hauptstädten Europas kommen hierher oder senden ihre Agenten, die sich mit den aus Ostindien und Brasilien angekommenen in directe Verbindung setzen und oft Einkäufe zu fabelhaften Preisen machen. Auch werden in Kairo selbst viele Edelsteine verbraucht, schon der Harems wegen, deren Bewohnerinnen bei festlichen Gelegenheiten oft dergestalt mit Schmuck überladen sind, daß Kopf, Hals, Busen und Arme in allen Regenbogenfarben glänzen.

Gegen Ende des Decembers vorigen Jahres hatte sich I.-Pascha, einer der reichsten hohen Herren am Hofe des Vicekönigs, bei den Gebrüdern Rochmann anmelden lassen, um für die Braut seines Sohnes einen Brillantschmuck zu bestellen und zu diesem Zwecke die Steine selbst auszusuchen. Dergleichen ist in Kairo nichts Ungewöhnliches, und es handelt sich dann in der Regel um einige hunderttausend Franken; deshalb beeilten sich auch die genannten Juweliere, wenigstens für eine Million Brillanten zur Auswahl vorräthig zu haben. Später mußte der Pascha nach Suez reisen und ließ den Herren Rochmann sagen, er könne erst in einigen Wochen zurückkommen; sie sollten bis dahin nur Alles in Bereitschaft halten. Diese thaten, wie ihnen geheißen, ließen auch die Steine unbesorgt in dem wohlverschlossenen Schrank ihres Ladens, wie sie seit Jahren und oft bei doppelt und dreifach größeren Quantitäten gethan hatten. An die Möglichkeit eines Diebstahls oder gar eines Einbruches, ohnehin etwas Unerhörtes in Kairo, dachten sie natürlich nicht; denn schon die Localität selbst bot die vollkommenste Sicherheit.

Der Rochmann’sche Laden besteht nämlich, wie die meisten größeren Läden auf der Muskih, aus einem einzigen Raum, der hier allerdings durch eine Zwischenwand in zwei Hälften abgetheilt ist, aber dieser Raum ist von festen, massiven Mauern umgeben und hat nur eine Thür nach der Straße als alleinigen Ein- und Ausgang. Diese Thür und die Fenster zu beiden Seiten sind durch einen auf- und niedergehenden Verschluß aus Eisenplatten, zu welchem noch starke querliegende Eisenstangen kommen, gut verwahrt, und außerdem liegt Nachts auch vor diesem Laden, nach hiesiger Sitte, ein Wächter im Freien vor der Thür, was Letzteres, nebenbei bemerkt, von den neuangekommenen Fremden stets als etwas sehr Curioses betrachtet wird. Mittags schließen die Gebrüder Rochmann ebenfalls ihren Laden auf eine Stunde, wie die meisten ihrer Collegen auf der Muskih, um zum Frühstück zu gehen, aber der Wächter, ein schwarzer Nubier in weißem Turban und weißem Gewande, sitzt dann getreulich auf einer kleinen Matte vor dem Hause.

So waren die Herren Rochmann auch an jenem verhängnißvollen Decembertage fortgegangen; der Aeltere kam indeß aus irgend einem unwesentlichen Grunde etwas früher zurück, schloß die Ladenthür auf und trat ein, während der Nubier den eisernen Verschluß in die Höhe zog. Herr Rochmann bemerkte anfangs nichts Ungewöhnliches, als er sich aber an sein Bureau setzt, sieht er plötzlich die Schrankthür geöffnet, und zwar gewaltsam erbrochen; er stürzt hin und der erste Blick überzeugt ihn, daß ein verhältnißmäßig nur kleiner Kasten, der aber die bewußten Brillanten enthielt, verschwunden ist. Auch sonst fehlen einige Päckchen mit Edelsteinen, und schließlich hat man aus den Ladenfenstern noch einige werthvolle Schmucksachen mitgenommen.

Mittlerweile ist der Bruder gekommen, und Beide sind in den ersten Minuten fast sprachlos vor Schreck und Entsetzen. Sie fassen sich jedoch bald und untersuchen zunächst die Mauern des Ladens, finden aber keine Spur von einem Einbruch. Der

  1. Verschiedene europäische Zeitungen, unter ihnen auch einige deutsche, brachten bereits im Januar einzelne Notizen über diesen Diebstahl, aber ohne nähere und vorzüglich amtlich beglaubigte Details. Der vorliegende Bericht ist nach den Erzählungen zuverlässiger Augenzeugen und Bewohner der Muskih, hauptsächlich aber nach den Mittheilungen Elias Effendi’s, des ersten Beigeordneten des Polizeidirectors von Kairo, niedergeschrieben, der sehr gut französisch spricht und sich zu diesem Zwecke dem Verfasser mit der liebenswürdigsten Bereitwilligkeit zur Disposition gestellt hat.
    E.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_179.jpg&oldid=- (Version vom 31.3.2021)