Seite:Die Gartenlaube (1874) 181.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

anderen großen europäischen Städten liefen dann und wann telegraphische Nachrichten an die Polizeidirection in Kairo ein, die aber sämmtlich nur die Vergeblichkeit aller Nachforschungen meldeten; auch die Depeschen aus Constantinopel, Smyrna, Damascus etc. besagten nichts Anderes, so daß man auch in den Hof- und Regierungskreisen bereits der Befürchtung Raum gab, daß alle aufgewendeten Mühen und Kosten umsonst gewesen seien.

Da plötzlich kam Licht in die dunkle Sache und zugleich volles Licht; man hatte einen der Diebe gefaßt und noch einen und später fünf, also vermuthlich die ganze Bande oder doch jedenfalls die Haupträdelsführer. Zuerst meldete dies eine kurze Depesche aus Triest vom 7. Februar, also fast zwei Monate nach dem Einbruche, und schon am 13. Februar traf ein Agent mit zwei der Schuldigen in Alexandrien ein. Dieser brachte die folgenden näheren Details.

Ende Januar waren in Triest drei Griechen mit dem Lloyddampfer von Brindisi angekommen und hatten sich bei einem italienischen Schneider in der Nähe des Fischmarktes einlogirt. Der Eine von ihnen war bald darauf weiter gereist und zwar, wie er sagte, nach Paris. Die Männer hatten nichts Verdächtiges, schienen Geld zu haben, obwohl sie nicht verschwendeten, und brachten den Tag außer dem Hause zu. In Triest kommen ohnehin täglich Angehörige aus aller Herren Ländern, namentlich aus Aegypten, Kleinasien und der Türkei, an. Die Geschichte des Diamantendiebstahls war übrigens auch in Triest bekannt geworden; sie hatte in mehreren dortigen Zeitungen gestanden, und auch der Schneider hatte sie gelesen. Zufällig begegnet er eines Morgens einem der Griechen, geht ihm unbemerkt nach und sieht ihn in einen Juwelierladen am Corso eintreten. Neugierig wartet er, bis Dieser wieder herauskommt, und folgt ihm dann bis zu einer Osterie am Fischmarkte, wo der Grieche seinen Gefährten trifft, ein heimliches Gespräch mit ihm anknüpft, Goldstücke aus der Tasche zieht, dieselbe zählt und mit dem Andern theilt.

Hatte dies den Verdacht des Schneiders erregt, oder hatte er schon vorher allerlei Muthmaßungen gehabt? – genug, er spricht noch an demselben Tage mit einem Freunde davon; dieser geht zu dem Juwelier am Corso und erfährt, daß am Morgen ein Grieche, der sich für den Dragoman eines Engländers ausgegeben und auch dessen Adresse im Hôtel de la Ville zurückgelassen, einen kleinen Brillanten für sechszig Pfund Sterling verkauft habe. Mit dieser Nachricht geht der Schneider, von seinem Freunde begleitet, auf die Polizei; sie finden dort einen der geheimen Agenten aus Kairo, und noch an demselben Abende wurden die beiden Griechen im Hause des Schneiders verhaftet. In einem Ledergürtel, den der Eine von ihnen auf dem bloßen Körper trug, fand man eine Menge großer und kleiner Brillanten, beinahe den vierten Theil des gestohlenen Schatzes. Alles Leugnen war vergebens, und sie wurden in sicheren Gewahrsam gebracht. Ein anderer Agent reiste sofort nach Paris, um auch den Dritten aufzufangen; wie Einige behaupten, hätten die beiden Griechen, als sie sich verloren sahen, sogar die Adresse ihres Complicen angegeben. Auch dieser wird glücklich in Paris zur Haft gebracht, und als die zwei Agenten mit ihren drei Gefangenen in Alexandrien ankommen, führt man ihnen einen verdächtigen Italiener vor, der bei der Zusammenführung mit den Dreien sofort seine Schuld gesteht. Den Fünften, gleichfalls einen Italiener, arretirte man zwei Tage darauf in Suez, wo er sich schon auf dem Dampfer befand, um sich nach Bombay einzuschiffen. Nur der ungünstige und heftige Wind, der einen Sturm im Rothen Meere fürchten ließ, hatte die Abfahrt des Dampfers um einige Tage verzögert, sonst wäre dieser Dieb wahrscheinlich entkommen. Auch er trug Diamanten bei sich im Werthe von einigen hunderttausend Franken. Die Gebrüder Rochmann, die sofort ihre Steine wieder erkannten, kamen auf diese Weise bald wieder in den Besitz von drei Viertheilen des gestohlenen Gutes, und auch das letzte Viertel (natürlich nach Abzug kleinerer von den Dieben bereits verausgabter Summen) hofft man noch aufzufinden, da man nach einer neueren Depesche aus Constantinopel auch dort einen verdächtigen Menschen arretirt hat, der sich über den Besitz mehrerer großer Brillanten nicht ausweisen konnte.

Als die Nachricht von dem glücklichen Fange der Diebe in Kairo bekannt wurde, herrschte große Freude unter der arabischen Bevölkerung, namentlich unter den Bewohnern der Muskih, für die es eine Ehrensache geworden war, jeden Verdacht einer möglichen Theilnahme, der sich anfangs ziemlich laut geltend machte, von sich abzuwälzen. Die Polizeidirection von Kairo verdient aber gerechte Anerkennung für die geschickte Vertheilung ihrer Agenten in drei Welttheilen, denen es, allerdings von günstigen Umständen unterstützt, gelungen war, in so weiter Entfernung der Diebe habhaft zu werden. Diese sollen nun nach einem Verhöre in Alexandrien, über das noch nichts bekannt geworden ist, das aber gewiß noch viele interessante Details enthalten wird, an ihre betreffenden Regierungen ausgeliefert werden, um die verdiente Strafe zu erleiden.




Ein classischer Fluß.


„Auf Deinen Wanderungen an der Küste der Adria hast Du es sicherlich nicht unterlassen, dem hochinteressanten Flusse Timavus, der Dir aus der Aeneis bekannt ist, einen Besuch abzustatten?“

So fragte mich im vergangenen Jahre mein väterlicher Freund und ehemaliger Lehrer, den ich in seinem Heim, einer Stadt Mitteldeutschlands, aufgesucht hatte.

Leider war mir aus der Aeneide nichts in Erinnerung geblieben als die ersten fünfundzwanzig Verse, welche ich einst als Schüler pro poena auswendig lernen mußte, ferner das „Quos ego“ (Wart’, ich will Euch! etc.), mit welchem Neptun die Winde zur Ruhe verweist, und schließlich die bewußte Höhlen-Scene, in welcher der fromme Aeneas mit Frau Dido eine Civilehe schließt. Glücklicher Weise hatte ich aber den Timavo, wenn auch nur von den Fenstern des Eisenbahnwagens (zwischen Triest und Monfalcone) aus, gesehen, und ich brauchte daher die an mich gestellte Frage nicht direct zu verneinen. Dem pädagogischen Scharfblick meines Lehrers war es aber nicht entgangen, daß es mit meinen Virgilreminiscenzen einigermaßen hapere; die Aeneide wurde herbeigeholt und die betreffende Stelle ausgesucht. Sie findet sich im ersten Buche.

Aeneas mit genauer Noth dem von Juno und Aeolus veranstalteten Sturm entronnen, rastet mit der Mannschaft von sieben geretteten Schiffen in einer Bucht der libyschen Küste und beklagt bei Hirschziemer und Wein aus Trinacria sein und seiner Gefährten Loos. Da tritt zu Jupiter, dessen Kopf von Regierungssorgen schwer ist, Venus, die Mutter des troischen Helden, und liest dem Vater der Götter und Menschen den Text:

„Was hat mein Aeneas so Großes an Dir zu verschulden,
Was die Trojaner vermocht, daß ihnen, den Leidenerschöpften,
Gänzlich der Erdkreis jetzt um Italias willen gesperrt wird?
      
Jetzo verfolget die Männer, die so viel Jammer erduldet,
Immer dasselbe Geschick; wann endest Du, König, die Mühsal?
Konnte doch einst Antenor, umringenden Griechen entronnen,
Tief in illyrische Bucht und das innerste Reich der Liburner
Ohne Gefahr eingeh’n und umschiffen den Quell des Timavus,
Wo aus der Mündungen neun bei lautem Getöse des Berges
Dieser zum Meer vorbricht und die Flur umbrauset mit Brandung.
Gleichwohl gründete jener Pataviums Stadt“ – – –
 (Virgil’s Werke. Deutsch von Dr. Wilhelm Binder.)

Diese Stelle, natürlich im Original, mußte ich lesen; die Fehler, die ich mir beim Lesen der Verse zu Schulden kommen ließ, und die mein verehrter Lehrer vor fünfzehn Jahren streng geahndet haben würde, corrigirte er mit Milde, und schließlich nahm er mir das Versprechen ab, den interessanten Ort zu besuchen, sobald ich Gelegenheit dazu haben würde.

An einem klaren Frühlingsmorgen des vergangenen Jahres trat ich meine Entdeckungsreise von Triest aus an. Weniger die Furcht vor den Verfolgungen der Juno und des Aeolus, als der Mangel einer Schiffsgelegenheit bestimmte mich, den Landweg einzuschlagen, und so fuhr ich denn mit dem nach Italien gehenden Frühzuge ab, und nach kurzer schöner Fahrt, immer am Meere hin, rief der Schaffner: „Station Monfalcone, fünf

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_181.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)