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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Fackelbeleuchtung erhöhte die Feierlichkeit der Ceremonie. Zwei Stunden verbrachten sie betend in der Moschee; hierauf ging’s feierlichen Schrittes, wie man gekommen war, wieder nach Hause.

Im Hofe des Palastes angekommen, bleibt Alles vor der Haremsthüre stehen. Es verlautet die erste Sure (der Abschnitt) des Korans: ‚Lob und Preis dem Weltenherrn, dem Allerbarmer!‘ Beim letzten Worte wird der Bräutigam in die besagte Thür hineingeschoben, und er betritt zum ersten Male die Schwelle des Harems. Oben harrt die Braut seiner im herrlichen Gemach, ihr zur Seite die Mutter; auf den Teppich, der vor der Verschleierten liegt, fällt er hin und murmelt wiederum: ‚Lob und Preis dem Weltenherrn, dem Allerbarmer, der da herrschet am Tage des Gerichts! Dir wollen wir dienen und zu Dir wollen wir stehen, auf daß Du uns führest den rechten Weg, den Weg Derer, die Deiner Gnade sich freuen, und nicht den Weg Derer, über welche Du zürnest, und nicht den Weg der Irrenden.‘ Jetzt steht er auf und entschleiert seine Braut ‚im Namen Gottes des Allbarmherzigen, Allgnädigen.‘ Einen Kuß auf seine Hand, einen Kuß auf ihre Stirne – und die Trauung ist vollzogen.“

Hier wollen wir den Vorhang fallen lassen.

Kairo, 15. Februar 1874.

D. N.




Aus den Zeiten der schweren Noth.
Nach der Schlacht von Jena.

In allen Tiefen des welligen Hügellandes, welches von der bekannten Inschrift am Dome zu Erfurt als das glückliche Thüringen bezeichnet wird, hatte am frühen Morgen des 14. October 1806 ein bleigrauer, undurchdringlicher Herbstnebel gelegen. Seine schweren Massen waren dann unheimlich träge an den Abhängen der Hainleite wie des Steigers, des Hainichs wie des Unstrutgebirges emporgekrochen und hatten sie endlich überfluthet. Aber die höher und höher emporsteigende Sonne wurde ihrer dennoch Meister. Der finstere Gesell war in den Mittagsstunden schon völlig verschwunden, man wußte nicht wohin, und über unser schönes Land breitete sich nun überall die goldene Herrlichkeit eines sonnenklaren Herbsttages, der am weiten Himmel kaum ein einziges Wölkchen erblicken ließ. Und dennoch wollte es den Schaaren der Landleute, die an diesem Tage, mit ihren Einkäufen vom Jahrmarkte des Schwarzburgischen Fleckens Schernberg heimkehrend, hoch oben am Rande der Hainleite dahin schritten, fast bedünken, als ob es da drüben nach Südost hin donnere. Namentlich an der Schernberger Holzecke, wo man frei über die Tiefen bis zum Thüringer Walde hinüber blicken kann, bildeten sich dichte Gruppen von Landleuten, die mit verwundertem Kopfschütteln dort hinüber in die Ferne sahen, wo der Ettersberg bei Weimar sich mit seinem langgezogenen Rücken hoch über das Hügelland erhebt. Etwa von dort herüber kam in kurzen Pausen jener seltsame dumpfe Ton, jetzt in einzelnen Stößen und dann wieder lang hinrollend, der das Staunen unserer wetterkundigsten Bauern erregte. Wunderbar, daß an solchem Tage sich ein Gewitter in so mächtigen Schlägen entladen konnte! Wohl war es ein furchtbares Wetter, das an jenem unheimlichen Nebelmorgen an den Bergen von Jena und Auerstädt begonnen hatte und jetzt dort drüben bei Capellendorf zu Ende ging, ein Wetter, unter dessen gewaltigen Streichen ein ganzes mächtiges Königreich, von Friedrich dem Großen aufgebaut, und von ganz Europa gefürchtet, in Trümmer geschlagen wurde. Auch jene ahnungslosen Landleute sollten bald genug zu ihrem jähen Schrecken den Sturm, der jenem Völkergewitter auf dem Fuße nachfolgte, über ihre eigenen unglücklichen Häupter dahin brausen, ihr bescheidenes Glück in seinen Grundfesten erschüttern sehen.

Die unglückliche Schlacht von Auerstädt war geschlagen worden, und unser Fürstenthum gerieth in die traurige Lage, eine besiegte und aufgelöste preußische Armee und die verfolgenden übermüthigen und rücksichtslosen Feinde durch seine Fluren rücken zu sehen.

Der König ritt die ganze Nacht hindurch querfeldein bis Sömmerda, wo er Mittwochs am 15. October gegen 7 Uhr Morgens anlangte und im Pfarrhause abstieg. Nach allen überstandenen persönlichen Gefahren durfte er jetzt mit Recht sich und Blücher Glück wünschen, daß sie so durchgekommen seien. Erst hier gönnte der erschöpfte Herrscher sich und seinen Truppen eine kurze Rast. Von hier aus schrieb er auch an Napoleon die Antwort auf dessen Brief, der ihm noch am 12. October von Gera aus den Frieden geboten hatte, unglücklicher Weise aber zu spät nach schon begonnener Schlacht in die Hände des Königs gelangt war.

Schon Mittwochs, am 15. October, hatten einzelne besonders schnellfüßige Flüchtlinge der geschlagenen Armee Greußen, die südlichste Stadt in der Unterherrschaft des Fürstenthums Schwarzburg-Sondershausen, erreicht. Bald häuften sich ihre Schaaren, und endlich strömten sie unaufhörlich und in dichten Massen die Nacht hindurch und während des ganzen folgenden Morgens durch die Straßen der kleinen Stadt. Aber die Verfolger waren ihnen auch schon dicht genug auf den Fersen. Denn an demselben Vormittage schon sprengten plötzlich zehn französische Husaren, die sich offenbar von ihrem Regimente verirrt hatten, zum Thore herein. Obwohl noch in vielen Häusern in und um Greußen herum Preußen in großer Zahl lagen, wagten es jene kecken Reiter doch, vor dem Rathhause zu halten und von der erschreckten Stadt eine Brandschatzung von hundert Carolin zu erheben. Dann ritten sie im Galopp wieder davon, und sehr zur rechten Stunde, denn gleich nach ihnen traf eine ganze wohlgeordnete Schwadron preußischer Dragoner vom Regimente Königin Louise ein, die mit den frechen Patronen wohl übel umgesprungen wären, wenn sie nur einige Momente früher in dem Orte eingetroffen wären. Einige unschädliche Schüsse, die zwischen diesen Husaren und einzelnen muthigen Preußen gewechselt wurden, gaben übrigens Veranlassung zu einer ebenso komischen wie wohlverbürgten Scene. Die alte, aber noch sehr resolute Frau Messerschmidt, die nicht blos in ihrem Hauswesen, sondern auch in der Stadt auf Ordnung sah, trat bei dem Knallen der Gewehre mit zornig in die Seite gestemmten Händen in die Hausthür und schalt die Fechtenden im besten Greußener Dialect aus. Sie nannte die Kämpfenden „gonz und gor nich geschüt“ und hielt ihnen alles Ernstes vor, daß es polizeilich verboten sei, in der Stadt zu schießen.

Am Mittag desselben Tages, also Donnerstag, den 16. October, traf endlich die Nachhut des preußischen Heeres unter der Führung des Generallieutenant von Kalkreuth, der schon von Auerstädt an den Rückzug gedeckt hatte, in Greußen ein. Bei diesen Truppen befanden sich auch die Reste der königlichen Garde, welche hinter der nahegelegenen Steinfurthsmühle auf Zeit rasteten.

Wenn Sternickel, der Chronist von Greußen, behauptet, daß auch der König selbst bei dieser Truppe gewesen sei, so beruht dies auf einem Irrthum und einer Verwechselung mit dem Prinzen August von Preußen. Friedrich Wilhelm der Dritte war allerdings an diesem Tage von Sömmerda her durch Weißensee gekommen, allein eine Stunde früher, als die Franzosen dort anlangten, während Prinz August, Kalkreuth und Blücher sehr unangenehm überrascht waren, bei ihrer Ankunft Weißensee schon von den Franzosen besetzt zu finden. Als Kalkreuth bei Greußen gegen Blücher wiederholt von Capitulation sprach, gedachte er nur der Verantwortung für die Garden und den königlichen Prinzen und nicht des Königs. Letzterer, der zwei Stunden voraus hatte und über raschere Transportmittel verfügte, war sicher früher in Sondershausen, als seine Nachhut nach Greußen gelangte, und dies wird mir in Wahrheit durch einen Augenzeugen, den fürstlichen Mundschenk Kobert, bestätigt.

Die Verfolgung der hierher fliehenden preußischen Truppen lag dem Marschall Soult ob. Zu seinem Corps gehörten die französischen Generale Lasalle und Klein, welche Weißensee schon vor der Ankunft Kalkreuth’s besetzt hatten und sich von Blücher und Massenbach vielleicht recht gern durch die Vorspiegelung eines Waffenstillstandes täuschen ließen, da sie allein ohne Soult den Preußen nicht gewachsen waren.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_197.jpg&oldid=- (Version vom 15.11.2017)