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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

ist ein beneidenswerther Aufenthalt! – hat Herzog Ernst bis auf die Kirche und das neue Schloß Vieles neu schaffen und Alles umgestalten lassen und zwar hauptsächlich durch einen Künstler, den wir auf der Veste des Näheren kennen lernen werden. Er hat das alte Schloß um-, den Marstall, die Wasserleitung mit Dampfkraft und auch die Musterfarm neugebaut, über welche wir in der Gartenlaube (1863) Bild und Beschreibung gebracht haben und die, selbst trefflich gedeihend, durch ihr Beispiel sich auf das Gedeihlichste auch für das Land bewährt hat. Meine Freunde waren nicht nur von dem echtritterlichen Aeußern, sondern ebenso von der inneren Einrichtung und Ausschmückung, die durchweg mehr dem Geschmack als der Pracht huldigt, sehr befriedigt. Der Rundblick auf der reizenden Terrasse hat den Vorzug, daß er die Veste mit als Hauptzierde in sein Bild einschließt.

Vom Callenberg führt ein Fahrweg mitten durch die fruchtbare Flur und durch die Dörfer Neuseß, Bertelsdorf und Esbach bis zum Park und Gasthaus der Rosenau. Auf dieser Fahrt sprach einer unserer Baumeister seine Freude aus über die schönen Bäume und Baumgruppen, die oft mitten auf den Feldern und Wiesen stehen.

„Die Landleute müssen hier mehr Sinn für solchen landschaftlichen Schmuck haben als bei uns, wo Derlei sofort zu Geld gemacht würde.“

„Das ist leider ein Irrthum,“ entgegnete ich. „Sehr viele dieser Bäume sind für die Besitzer des Grund und Bodens längst in blanke Gulden verwandelt. Der vorige Herzog Ernst war ein so eifriger Naturfreund, daß er schöne Bäume, denen die Gefahr des Umgeschlagenwerdens drohte, kaufte und sie stehen und pflegen ließ, wenn sie zur Zierde der Landschaft gehörten. Sein feines Verständniß für Naturschönheiten bekundete er namentlich hier, denn Ihr werdet sehen, daß der Uebergang von der freien Flur zum Park der Rosenau so unmerklich geschieht, daß man sich plötzlich darin fühlt, ohne zu wissen, wo man hineingekommen ist.“

Und so war es auch.

Wir stiegen vor dem Gasthause aus und nahmen auf den einladenden weißen Bänken unter einem der prächtigen Bäume Platz; hier hatten wir das Bild des Schlosses vor uns, wie unsere Illustration es giebt. Schloß und Park waren, wie die Schöpfung, auch der Lieblingssitz des „alten Herzogs“, der, im Gegensatze zu seinem Sohne und Nachfolger, neben der Naturpflege auch fürstlicher Pracht huldigte, und darnach unterscheidet sich auch der innere Charakter von Callenberg und Rosenau. Bekanntlich ist das Schloß die Geburtsstätte des Prinzen Albert und der Lieblingsaufenthaltsort der Königin Victoria, so oft sie die Heimath ihres Gemahls besucht. Stille und Frieden umfängt sie da wohl; Straßen und Bahnen ziehen fern vorüber, und wohin das Auge sich wendet, wird es von einem lieblichen Bilde begrüßt. Die anmuthigste Stelle ist bei dem wunderschönen Springbrunnen vor dem Schlosse mit dem Ausblicke nach Norden. Breite Wiesenflächen, durchschlängelt von der noch rasch im Gebirgsschritte vorwärts rauschenden Itz mit ihrer Erlen-Umgebung, dehnen sich bis zu sanften Hügeln aus, an denen die Kornfelder bis zur halben Höhe hinansteigen. Dort die hellaufragende Ruine Lauterburg frei vor dem Tannenwalde, der ihren dunklen Hintergrund bildet. Und ein wenig rechts davon öffnet es sich, wie ein tiefes, breites Thor zum Thüringerwalde. Wie Coulissen schieben von links und rechts die Höhen ihre Wände hervor, unten in goldnen Ackerflächen und grünen Thälern sich berührend. Und wie sie von der Nähe in die Ferne immer höher übereinander aufsteigen, so wechseln ihre Farben vom saftigsten Grün bis zum Nebelschleier über dem verschwindenden Blau. Das ist ein Plätzchen wie dazu geschaffen, in selig sich selbst vergessendes Hinträumen sich leise zu verlieren. Das kosende Plätschern des Wasserspiels trägt redlich dazu bei. Die Gefahr eines sanften Einnickens war uns drohend nahe, da ermannten wir uns rasch und energisch; noch einen Blick auf das herrliche Bild, und so schieden wir von der Rosenau an ihrer verführerischsten Stelle, um unsere größte Sehnsucht, die nach der mahnend winkenden Veste Coburg, endlich zu befriedigen.

Von der Rosenau führte ich unsere naturselige Schaar den schönsten Weg zur Veste zu Fuß durch den Buchenwald des Bausenbergs, eines der südlichen Vorberge des Thüringerwaldgebirgs, der nach Südwesten hin gleichsam eine Faust vorstreckt, auf welcher die alte Veste Coburg steht. Als wir, nach etwa anderthalbstündigem naturgenußreichem Gange, aus dem Walde heraustraten, hatten wir die Veste vor uns, die sich hier mit ihrem dreifach übereinander aufragenden Mauergürtel stattlich erhebt.

Hier war einst ihre gefährdetste Seite; von allen anderen Seiten der Veste fällt der Berg steil zu Thale ab, nur von hier konnte eine stürmende Schaar vordringen und von den zu nahen Berghöhen das feindliche Geschütz wirken. Von hier aus versuchte Wallenstein (1631) mehrere Stürme, aber vergeblich; dafür trägt die „Hohe Bastei“ noch heute die Spuren seiner Karthaunen in dem mit Backsteinen ausgeflickten Mauerwerk. Da die äußere Wallmauer (Contreescarpe) längst vollständig beseitigt und der Wallgraben eingeebnet ist, so gewinnt man nur bei der Brücke zum Hauptthor noch ein Bild von der ehemaligen äußeren Befestigung. Dieses Thor ist wegen seines Steinbildhauereischmucks ansehenswerth und deshalb in unseren Randbilderkranz aufgenommen.

Nun hinein in das von einem neuen Thurm überragte und fünfundzwanzig Schritte tiefe letzte Thor, in dessen Mitte die Zacken eines Fallgatters auf unsere Köpfe herabdrohen. Jenseits desselben haben wir unser zweites Festungsbildchen, den äußeren Hof, vor uns. Links der in den Hof hervortretende Steinbau, der in Verbindung mit der daranstoßenden Mauer sammt Thor diesen ersten, äußeren vom zweiten, inneren Hof abschließt, heißt der alte Fürstenbau; im rechten Winkel schließt sich ihm der durch seine Holzconstruction ausgezeichnete neue Fürstenbau an, der mit der Capelle endet. Rechts davon führen Treppen zu einer Terrasse und der „Hohen Bastei“, die wieder mit dem neuen Wirthshause zusammenhängt, welches mit seiner Terrasse bis zum Thorthurm reicht und die südöstliche Seite des Hofes abschließt.

Erhitzt von der Nachmittagssonne und dem Berggange zogen wir den Aufenthalt im zugfreien Zimmer vor, und zwar öffnete Herr Christian Barth, der unseren Lesern aus dem „Heimweh“ (1866, Nr. 28 der Gartenlaube) bereits bekannte Gärtner und Wirth der Veste, uns das Seitencabinet neben der allgemeinen Gaststube, die sogenannte „Humpenburg“. Hier hatte ich gleich Gelegenheit, meine Gesellschaft mit dem schon auf dem Callenberg erwähnten Künstler bekannt zu machen, dem nicht blos die Veste, sondern auch die Stadt und Umgegend manche bauliche Zierde verdankt. Die Restaurirung der alten Veste hatte unter Herzog Ernst dem Ersten begonnen und war von dem berühmten Heideloff und dem Baumeister Görgel ausgeführt worden. Zu ihnen trat als Dritter im Bunde im Jahre 1830 Ferdinand Rothbart aus Nürnberg, der seitdem die bauliche und decorative Wiederherstellung der Veste vollendete und durch seine vielseitigen Kenntnisse und Fertigkeiten als Maler, Baumeister und Kunsthistoriker auch um die Aufstellung, Vervollständigung und Pflege der kunst- und culturgeschichtlich wichtigen Sammlungen der Veste sich große Verdienste erwarb. Er ist noch jetzt, mit dem Titel „Hofbaurath“, Inspector derselben.

Unsere Künstler lernten ihn sofort schätzen an seinem flott hingeworfenen Frescobilde des auf einem Fasse reitenden Bacchus an der Wand. Da Rothbart, dem ich einen Besuch machte, sich erbot, nach einer halbe Stunde selbst uns durch seine Sammlungen zu führen, so schlug ich, um die Zeit möglichst auszunützen, vor, sogleich das Naturaliencabinet zu besehen.

Wir gingen über den äußeren Hof zum Thore in den inneren Hof. Im Vorbeigehen warfen wir einen Blick in die Trophäenhalle des alten Fürstenbaues, über welcher der Ritter Sanct Georg, von Heinrich Schneider, dem Director der Gothaischen Bildergalerie, in Fresco gemalt, Wache hält. Bei den Siegeszeichen von Eckernförde sind jetzt auch eine Kanone aus Metz und französische Waffen von den Schlachtfeldern aufbewahrt. – Der innere Hof, den wir nun betraten, imponirt mehr durch seine Größe, als durch seine Gebäude, die sämmtlich ziemlich einfach und schmucklos sind: links das große ehemalige Zeughaus, jetzt Beamtenwohnung, geradeaus das kleine Zeughaus, rechts die ehemalige Caserne, jetzt Naturaliencabinet, und, gegen Osten den Hof abschließend, der alte Fürstenbau mit der Thormauer.

„Na, so ein altes Gemäuer! Da wird viel d’rin sein!“ räsonnirte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_328.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)