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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

großen Erwartungen, welche sein Gedicht „Arizonian“ bei allen Verehrern der englischen Literatur wachrief. Möge es ihm gelingen, seinen Namen dauernd mit einem Glanze zu umgeben, der alle Jugendtollheiten und Thorheiten verdeckt! Möge es ihm vergönnt sein, wie sein deutscher Pathe stolz von sich sagen zu können: „Nennt man die besten Namen, so wird auch der meinige genannt.“

B.

Eduard F. Leyh.




Auf den Friedhöfen einer frühern freien Reichsstadt.


Frau Rath Goethe. – Thomas von Sömmerring. – Anselm von Feuerbach. – Arthur Schopenhauer. – Elise Bürger. – Bethmann-Hollweg. – Lichnowsky und Auerswald. – Kurfürstlich hessisches Mausoleum. – Für die Gefallenen aus dem Volke.


Die Frankfurter Friedhöfe bilden in ihrer Anlage und Ausschmückung eine wahrhafte landschaftliche Zierde, wie sie wenige Städte aufzuweisen haben dürften. Es sind Gärten, belebt vom Gesange der Vögel und durchhaucht vom Dufte der Blumen und Sträucher, die das memento mori der Grabdenkmäler sinnig umranken. Während ehedem, wie auch anderwärts, so in der alten Reichsstadt die Todten in und um den Kirchen herum bestattet wurden, erkannte bereits vor mehr als drei Jahrhunderten der Rath der Stadt das Gesundheitsschädliche dieser Sitte oder vielmehr Unsitte und gebot, trotz den Einwänden der Geistlichkeit, die Benutzung des damals noch außerhalb der Stadt gelegenen, neuangelegten Sanct Peterskirchhofs und des Friedhofs bei dem deutschen Hause in Sachsenhausen. Bis in die ersten Decennien dieses Jahrhunderts reichten diese für das Bedürfniß der Stadt aus, bis auch für sie die Zeit kam, wo sie den letzten Todten aufnehmen sollten. Der Friedhof in Sachsenhausen wurde 1812 in einen dem deutschen Orden gehörenden Weinberg verlegt, um im Jahre 1869 bereits zu Gunsten eines weiter gelegenen wieder geschlossen zu werden. Der Sanct Peterskirchhof in Frankfurt wurde 1828 am 30. Juni geschlossen und der neue Friedhof am 1. Juli gleichzeitig mit dem neben ihm errichteten neuen israelitischen Friedhofe seiner Bestimmung übergeben.

Der alte Peterskirchhof ist heute ein mitten in der Stadt liegender schöner Garten, in welchem sich die Jugend, uneingedenk Derer, die unter der Erde ruhen, fröhlich und guter Dinge tummelt. Von den dortigen Gräbern zieht eines am nordöstlichen Eingange die Blicke des Besuchers auf sich und gemahnt nicht allein an Frankfurts größten Sohn, sondern auch an die bedeutendste Epoche der deutschen Literaturgeschichte. Hier unter lauschigen Büschen, an fast unbeachteter Stelle des Kirchhofs ruht unter von Eisendraht gehaltenem Epheu „Frau Aja“, die Mutter Goethe’s, die sinnige Frau, die in ihrem sechsundsiebenzigsten Lebensjahre mit berechtigtem Stolze sagen durfte: „Ich bin nicht allein um meines Sohnes willen da, sondern auch der Sohn um meinetwillen, und ich kann mich wohl eines Antheils an seinem Wirken und an seinem Ruhme versichert halten, indem sich ja auch kein vollendeteres und erhabeneres Glück denken läßt, als um des Sohnes willen allgemein so geehrt zu werden,“ und welche am Morgen ihres Todestages, als man sie zu einer Gesellschaft laden wollte, wohlgemuth antworten ließ: „Die Frau Rath könne nicht kommen, denn sie müsse alleweile sterben.“ In der Nacht des 13. September 1808 schlummerte sie sanft hinüber in die andere Welt.

Während wir hier nur dieser einen Grabstätte näher treten, fesseln uns auf dem neuen Friedhofe gar viele, die durch ihren künstlerischen Schmuck oder durch die Erinnerung, die sich an die darin Schlummernden knüpft, unser Interesse erregen. Wenn wir hier durch das große griechische Portal in den friedlichen Todtenhain eintreten, lenkt rechts nicht weit vom Eingange ein einfacher, aus Felsengestein aufragender Obelisk unsere Aufmerksamkeit auf sich. Es ist die Begräbnißstätte des Arztes und Professors Dr. Samuel Thomas von Sömmerring. Auf dem Grabsteine meldet eine lateinische Schrift Namen, Ort und Tag der Geburt und des Todes; die Embleme der ärztlichen Wissenschaft und Kunst sind darunter eingehauen, darüber ein Immortellenkranz. Wenn von dem Forschen und Wirken des bedeutenden Mannes die Annalen der ärztlichen Wissenschaft einst vielleicht nur Denen, die eine gleiche Berufsbahn betreten, Kunde geben werden, so wird ein anderes Ergebniß seines Geistes eine weitere Würdigung finden. Sömmering’s Verdienst ist es nämlich, den ersten elektrischen Telegraphenapparat angegeben zu haben. Derselbe befindet sich in den Denkschriften der Münchener Akademie für 1809 und 1810 abgebildet und beschrieben. Dieser Urapparat war durch Vermittelung der kaiserlich deutschen Generaldirection der Telegraphen auch auf der Wiener Weltausstellung producirt und eine Copie desselben wird einem in Berlin zu gründenden historischen Museum einverleibt und an die Spitze aller Telegraphenapparate gestellt werden.

Nicht weit von dieser Stätte befinden sich die Gräber zweier Männer, von denen der Eine, ein wackerer Sohn seiner Vaterstadt Frankfurt, deren Geschichte in vorzüglicher Darstellung bearbeitet und kommenden Geschlechtern bewahrt hat; es ist der lutherische Stadtpfarrer Anton Kirchner. Der andere, der dort unter weißer Marmorsäule schlummert, ist der Schweizer Liedercomponist Xaver Schnyder von Wartensee. Noch über andere bekannte Meister im Reiche der Töne hat der Friedhof seine schweigsame Decke gebreitet. Franz Messer, Dr. phil. Aloys Schmitt, Karl Gollmick und Ferdinand Keßler, Letzterer vielleicht der bedeutendste Harmonielehrer Deutschlands, fanden hier ihre letzte Heimstätte.

An der südlichen Einfassungsmauer des Friedhofs treffen wir auf ein Grab, das den Frankfurter schmerzlich an die neueste Geschichte seiner Vaterstadt erinnert, das Grab des letzten regierenden ältern Bürgermeisters der „freien Stadt“ Frankfurt, das Grab Carl Constanz Victor Fellner’s. Als der deutsche Krieg des Jahres 1866 auch den Einzug preußischer Truppen in die wehrlose Stadt zur Folge hatte und der hartheimgesuchten Bürgerschaft auch noch von den commandirenden Generalen Vogel von Falckenstein erst sechs Millionen und von Manteuffel dann fünfundzwanzig Millionen Gulden als Contribution abgefordert wurden, da mochten es wohl ernste Gedanken sein, die das Gemüth Fellner’s so tief erschütterten, daß er an seinem neunundfünfzigsten Geburtstage, am 24. Juli, Hand an sich selbst legte und freiwillig aus dem Leben und der Würde trat, mit welcher ihn seine Mitbürger betraut hatten. Am 25. Juli früh Morgens fünf Uhr – eine spätere Bestattung wurde von der preußischen Behörde untersagt – wurde seine sterbliche Hülle von Tausenden in stummer Trauer zum Grabe geleitet. Das Denkmal, das seine letzte Schlummerstätte zieren soll, ist noch nicht vollendet.

In nicht weiter Entfernung von hier sehen wir die Grabschrift des geistvollen Criminalrechtslehrers und Verfassers des baierischen Strafgesetzbuches, Dr. Paul Johann Anselm von Feuerbach, des Vaters des berühmten Philosophen Ludwig Feuerbach und Onkels des genialen Malers Anselm Feuerbach.

Wie diese Ueberreste des Vaters eines Philosophen der Neuzeit, so umschließt der Frankfurter Friedhof auch die Hülle eines Philosophen selbst, dessen Lehre, lange Zeit fast ungekannt, plötzlich in ungeahnter Weise beachtet und namentlich in Folge der geistvollen Erklärungen Dr. Julius Frauenstädt’s in Berlin und Dr. C. G. Bähr’s in Leipzig Anhänger und Schüler fand. Es ist Arthur Schopenhauer, der Sohn der Romanschriftstellerin Johanna Schopenhauer.

Unfern des Denkers ruht das „Schwabenmädchen“, welches dem Dichter Gottfried August Bürger, nachdem dessen geliebte „Molly“ gestorben war, in einem Gedichte seine Hand antrug, dadurch aber sich und den Dichter unglücklich machte. Arm und verlassen fand die Schwäbin endlich hier Ruhe. Die Grabschrift bezeichnet sie als „Elise Bürger, geborene Hahn, separata des gewesenen Professors an der Universität zu Göttingen und Dichters Gottfried August Bürger.“

In der Mitte des ersten Theils des Friedhofs erhebt sich ein Denkmal von rothem Sandstein, welches an die für Frankfurt bewegte Zeit des Jahres 1832 erinnert. Die damals

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_406.jpg&oldid=- (Version vom 28.8.2018)