Seite:Die Gartenlaube (1874) 458.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Dann öffnete ich die nach dem Gange führende Gardine und ließ das Licht von diesem in die Zelle strömen, wodurch die entstandene Flammenschrift verschwand.

Wenige Minuten später erschien W…dorf in der Zelle, und kaum hatte derselbe die Gardine geschlossen, so trat ihm die zitternde Flammenschrift entgegen. Er stürzte sofort auf die Kniee und sah unter inbrünstigen Gebeten und frommen Schauern die ihn heilig sprechenden Buchstaben langsam verflackern. Nach einer schlaflosen Nacht meldete er die Erscheinung dem Pater Präfect. Der überlegt sich die Sache und ermahnt den angehenden Heiligen, im Gebete wohl darüber nachzudenken, was die Erscheinung zu bedeuten habe, aber auch wohl zu erwägen, daß dies vielleicht eine Versuchung des Bösen sei, dem oft viele Macht über den Menschen gegeben.

Am folgenden Abend wurde dieselbe Erscheinung mit gleichem Effecte in Scene gesetzt. Der arme W…dorf hatte eine noch unruhigere Nacht als die vergangene, und auf seinen neuen Bericht erklärte der Präfect, daß man nach einer dreimaligen Wiederholung an der Göttlichkeit des Wunders nicht mehr zweifeln dürfe. Obwohl nun am dritten Tage die Zelle scharf bewacht wurde, gelang es mir Abends dennoch, in dieselbe zu schlüpfen und die dritte Erscheinung vorzubereiten.

Zitternd vor Aufregung betrat bald darauf W…dorf in Begleitung des Pater Präfecten die Zelle. Aber, o Entsetzen, statt der heiligsprechenden Worte war da zu lesen:

‚W…dorf, Du bist ein Esel!‘

Mit der Göttlichkeit des Wunders war es natürlich vorbei. Eine eingeleitete Untersuchung blieb lange ohne Erfolg, bis später durch einen Zufall ich und mein Mitattentäter entdeckt und empfindlich bestraft wurden.“

So mein Gewährsmann. Derselbe blieb nach jener Geschichte nicht lange mehr in Feldkirch. W…dorf aber ist Jesuit geworden und soll sich jetzt als Missionär unter den Wilden befinden.

Z.




Reise-Institute. Das Institut der „Gemeinschaftlichen Excursionsreisen“, wenn wir nicht irren, deutschen Ursprungs, ist in England in noch weit praktischerer Form in’s Leben getreten. Den Einrichtungen dieses neuen Instituts gemäß, kann der Reiselustige eine beliebige Tour wählen und kommt obendrein mit erheblich reducirten Kosten weg. Er erhält ein Certificat, welches von den bedeutenderen Verkehrsanstalten respectirt wird; er erhält eine Liste der Hôtels, in denen er wohnen und speisen kann, ja sogar für Trinkgelder, Gebühren für Lohnbedienten und Führer, für Lohnkutscher und alle anderen gewöhnlichen Ausgaben eines Touristen ist gesorgt. Er braucht sein Portemonnaie wenig oder gar nicht zu öffnen, und vermittelst des papierenen Talismans, den er sich für verhältnißmäßig billiges Geld von dem besagten Institute erworben hat, findet er überall sein „Tischlein deck’ dich“ und seine „dienstbaren Geister“. Der Preis eines solchen Talismans richtet sich natürlich nach der Route, nach der Zeit, welche auf die Reise verwendet werden soll, und nach anderen Umständen, und kommt auf zweihundertfünfunddreißig bis sechshundertfünfzig Dollars (in Gold) für eine Reise durch den europäischen Continent zu stehen. Für achthundertfünfzig bis tausend Dollars kann man sogar ein solches Certificat zu einer äußerst interessanten Reise um die Welt kaufen. Gegenwärtig durchziehen bereits mehrere Partien englischer Gentlemen und Ladies nach diesem Plane die Vereinigten Staaten von Nordamerika und besuchen die bedeutenderen und interessanten Plätze der „Neuen Welt“.

D.




Das Aquarium in der Volksschule. Es giebt kein besseres Mittel, den naturkundlichen Unterricht in der Volksschule interessant zu machen, als die Anschauung; daher habe ich auch schon seit längerer Zeit mein Augenmerk auf das Aquarium gerichtet und dabei immer gedacht, daß es besonders dazu geeignet sei, unsern Kindern die Natur so lieb zu machen, daß sie ihnen nicht zu einem Tempel der Schrecken, sondern, wie Roßmäßler sagt, zu einer schönen, mütterlichen Heimath wird.

Das Aquarium hat sich in der neueren Zeit sehr viele Freunde erworben; es verschönt unsere Wohnungen und bietet uns eine lehrreiche Unterhaltung dar; wer sieht diesen Wasserbewohnern nicht gerne zu und freut sich nicht an ihrem muntern Spiele? Wem es die Verhältnisse erlauben, der sollte sich in seiner Wohnung sowohl zu eigener Freude, wie zur Unterhaltung und Belehrung seiner Kinder ein Aquarium einrichten.

Ganz besonders sollte es in der Schule nicht fehlen; die Schüler haben eine ungemein große Freude daran; sie verkehren sozusagen im Zimmer mit der Natur, und der Lehrer hat gar oft Gelegenheit, manches deutlich und anschaulich zu machen, was er ohne das Aquarium nicht einmal erläutern könnte. Welche Furcht haben unsere Kinder vor den Amphibien! Sie unterstehen sich nicht, selbst nicht in vorgerücktem Alter, eine Eidechse, Blindschleiche oder auch nur einen Frosch anzugreifen. Die Ursache dieser Erscheinung liegt nicht weit: diese Thiere kommen ihnen wenig zu Gesichte und zudem werden sie ihnen schon in den ersten Jahren mehr oder weniger als Schreckensgestalten gemalt. Das Aquarium hilft dieser falschen Vorstellung in kurzer Zeit ab, weil die Kinder sehen, daß diese Thiere nicht so gefährlich sind, wie man ihnen sagte und wie sie glaubten.

Ich halte diese Sache für wichtig genug, sie öffentlich anzuregen, und alle Lehrer und Freunde der Jugendbildung zu bitten, sich derselben anzunehmen; der Erfolg wird gewiß befriedigend sein.

Ph. R.




Frauenarbeit. Aus Washington wird geschrieben: „In beinahe allen Regierungsabtheilungen in Washington, mit Ausnahme einiger militärischen und des Staatsdepartements (Ministerium des Auswärtigen) arbeiten die Frauen mit Erfolg, und der Einfluß auf die Verfeinerung der Sitten der Männer, mit denen dieselben arbeiten, ist auffallend. Vieles Rohe und Wüste, welches man früher antraf, fällt jetzt ganz weg, und überall, wo Frauen untermischt mit Männern arbeiten, beobachtet man eine Galanterie der Sitten, die auch dem Publicum zu gute kommt, wie dies bei der amerikanischen gesellschaftlichen Rücksicht auf die Frauen nicht anders zu erwarten war. Die Frauen zeichnen sich überall durch Ordnung, Genauigkeit und Pünktlichkeit und häufig durch Scharfsinn und große Fertigkeit in Geschäften aus.

Nur wo keine Frauen in den Zimmern sind, beobachtet man noch bei der Arbeit den alten Schlendrian, die gemüthliche Stummelpfeife oder den Kautabak, Barschheit, Langsamkeit, Faulheit und rohe oder anzügliche Redensarten. Es ist zu erwarten, daß demnächst auch die Frauen in die klösterlich feierliche Citadelle des Staatsdepartements einziehen und von da in den diplomatischen Dienst übergehen werden. Im Consulatfache würden sich Manche derselben gewiß mehr auszeichnen, als verschiedene unserer gegenwärtigen männlichen Agenten.“

D.




Carl Durban, Sohn des Oberbauraths Durban in Freiburg, ist im Jahre 1856 nach Amerika gegangen und hat seine Angehörigen seitdem ohne Nachricht gelassen. Falls er noch leben sollte, wird er dringend um Angabe seines jetzigen Aufenthaltes und um Rückkehr nach Deutschland gebeten, wo sowohl sein alter Vater wie seine Geschwister ihm herzliches Willkommen und, wenn es nöthig sein sollte, einen ausreichenden Unterhalt bieten werden. Alle, die drüben Carl Durban gekannt, werden dringend um Nachricht ersucht, welche von der Redaction der Gartenlaube gern weiter besorgt werden wird.




Kleiner Briefkasten.

Herrn Richard R. in Berlin. Ob der Todte bei der Reclam-Siemens’schen Feuerbestattung in einem Holzsarge verbrannt, ob er nur in einem solchen herabgelassen oder ob er ohne Sarg, in Leintücher gehüllt, bestattet werden soll, haben lediglich die Hinterbliebenen zu bestimmen. Für den Vorgang der Verbrennung ist es gleichgültig.

Herrn W. K. in M. Sie wünschen den „Kostenpreis eines Verbrennungs-Apparates für Feuerbestattung“ zu wissen. Der neue vereinfachte Apparat wird von Herrn F. Siemens in Dresden für etwa zweitausend Thaler hergestellt. Für diesen Preis können Gaserzeuger, Generator, Verbrennungsraum und Esse erbaut werden. Kleine Gemeinden, welche den Apparat seltener brauchen, können schon für etwa 1200 Thaler einen solchen sich anschaffen. Durch diesen geringen Preis wird der Einführung der Feuerbestattung wesentlicher Vorschub geleistet. Die „Leichenhalle“ ist in obigen Kostenanschlägen nicht inbegriffen; sie kann ein Bretterschuppen oder ein prachtvoller Kuppelbau sein.

B. Y. Geldvorschüsse leistet jeder Vernünftige nur solchen Petenten, welche seines Vertrauens würdig sind. Sie stellen sich uns als B. Y., also mit völlig geschlossenem Visir, vor – und fordern unser Vertrauen, indem Sie uns um Gotteswillen um Bezahlung Ihrer Schulden bitten. Das ist naiv. Leider haben Sie so zahlreiche Collegen, daß, wollten wir die Bitten Aller erhören, wir in einigen Jahren selbst betteln gehen müßten. Daher und weil dem Einem recht, was dem Anderen billig ist, erweichen Bittsteller, wenn sie sich in den Mantel der Anonymität hüllen, niemals unser Herz.




Berichtigung. Das Bild „Gang zur Beichte“ in Nr. 25 unseres Blattes wurde irrthümlich als Originalzeichnung von M. Ulffers in Düsseldorf bezeichnet, während der Antheil dieses Künstlers an dem Bilde sich auf die Ueberzeichnung desselben auf Holz beschränkt. Der eigentliche Maler des „Gang zur Beichte“ ist Ludwig von Rößler in Düsseldorf.




Herman Schmid’s gesammelte Schriften.


Volks- und Familienausgabe.


Zweite Auflage in Heften à 3 Sgr.


Dieselbe bringt im 59. und den folgenden Heften die in der ersten Auflage nicht enthaltenen neueren Erzählungen des beliebten Verfassers:


Die Gasselbuben – Das Münchener Kindel – Der Bergwirth – Die Zuwiderwurzen – Der Loder,


und bildet demnach von diesem Abschnitte an ein Supplement zur ersten in 27 Bändchen erschienenen Ausgabe, auf welches die Besitzer derselben nicht versäumen wollen zu subscribiren.

Die Verlagshandlung von Ernst Keil in Leipzig.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 458. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_458.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)