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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

auf die Bühne nicht zu beeinträchtigen, sich zu beiden Seiten der geöffneten Bühne aufstellen; nach Beendigung ihres Gesanges und vor dem Beginne der Handlung selbst gehen sie zu beiden Seiten ab.

Die Zahl der singenden Schutzgeister in Brixlegg ist zwölf. Die lebenden Bilder unterscheiden sich von denjenigen, welche man gewöhnlich

Rattenberg am Inn.
Nach der Natur aufgenommen von R. Püttner.

sieht und wie man sie auch in Ammergau fand, dadurch, daß einzelne Personen sich marionettenartig bewegen und so dem Bilde größere Deutlichkeit und mehr Leben geben. So wird z. B. bei dem Vorbilde zum Verrathe des Judas „der Verkauf des Joseph durch die Brüder“ vollständig mimisch dargestellt. Joseph wird zunächst aus der Grube herausgezogen, hierauf von den mittlerweile kommenden Kaufleuten betrachtet und, nachdem Juda durch Handschlag den Handel abgeschlossen und ein anderer Bruder das Kaufgeld in Empfang genommen hat, abgeführt. Bei dem Typus auf den Tod Christi, „der Brudermord des Kain“, knieen zunächst beide Brüder betend vor ihren Altären, von denen der Rauch aufsteigt; hierauf springt Kain auf und schlägt seinen Bruder todt. Diese Art der Darstellung lebender Bilder ist wahrscheinlich aus den weltlichen Komödien herübergenommen, bei welchen jedesmal der ganze nachfolgende Act von denselben Personen, die auch bei der wirklichen Handlung auftreten, mimisch vorgeführt wird.

Was die einzelnen Rollen anlangt, so ist die Judasrolle die schwierigste. Sie ist, da dem Judas in der Bibel wenig Worte

Blick auf Rattenberg von der Veste aus.
Nach der Natur aufgenommen von R. Püttner.

in den Mund gelegt werden frei bearbeitet und psychologisch fein angelegt. Judas wird durch den Geiz ganz gegen sein besseres Ich dem Meister Schritt für Schritt entfremdet, bis er endlich den Verrath selbst ausführt. Er zeigt seinen Geiz zuerst bei der Salbung Jesu durch Magdalena; später tritt er allein auf und entwickelt in einem Monolog, daß, da Christus, wie sich immer mehr zeige, doch kein irdischer König werde, der ihm eine gute Versorgung für sein Alter verschaffen könne, er doch am besten thue, ehe noch der Haß der Juden auch die Jünger treffe, sich zurückzuziehen. Ein Mitglied des hohen Raths bringt ihn dann unter Versprechung glänzender Aussichten in die Zukunft und durch das Versprechen der dreißig Silberlinge zum Entschlusse des Verraths, den Judas unter der Bedingung zusagt, daß man Christo nicht an’s Leben gehe. Er wird hierauf in die Versammlung des hohen Raths geführt, wo er mit sichtlicher Hast das Geld in Empfang nimmt. Später erscheint er noch beim Abendmahl, sodann am Garten Gethsemane, wo er Christum den Feinden überliefert. Nachdem Christus zum Tode verurtheilt ist, tritt bei Judas die Reue ein. Das Geld, nach dem vorher sein ganzes Streben ging, verursacht ihm die größte Qual; er stürzt mit demselben herein in die Versammlung des hohen Raths und wirft es hin mit den Worten: „Da nehmt das verfluchte Geld zurück und gebt ihn los!“ Später tritt er nochmals allein im Zustande der Verzweiflung in einer wüsten Felsengegend auf und spricht einen ergreifenden Monolog. Schließlich will er, nachdem er den Tag seiner Geburt verwünscht, an einem auf der Landschaft stehenden Baume seinem „verfluchten Leben“ ein Ende machen. Da fällt der Vorhang.

Die Judasrolle ist gut besetzt in der Person des Wachtmeisters vom Hüttenamt zu Brixlegg, Anton Unterberger; besonders ist seine Mimik eine ganz vorzügliche. Sein Costüm ist gelbroth, ebenso Bart und Haar, und giebt seiner Erscheinung schon insofern etwas Abstoßendes.

Nicht minder gut wird die Christusrolle von einem Schauspieler Georg Bachmeier, angeblich aus Freising, gespielt, der auch völlig dialektfrei spricht. Der Text für seine Rolle ist größtentheils biblisch; übrigens strengt die Christusrolle physisch

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 503. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_503.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)