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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

möglichen Museen weit umher zerstreut und gefesselt hingen. Ich erinnere nur an die trefflichen Hanfstängel’schen Nachbildungen der Dresdener und Münchener Galerien und der Kasseler Kunstschätze, namentlich aber an die Unternehmungen der „Photographischen Gesellschaft“ in Berlin, die sich außer ihren vortrefflichen großen Nachbildungen besonders durch die billigeren Photographien der Kunstschätze aller Galerien ein hervorragendes Verdienst erworben hat. Die Zweiganstalten dieser Gesellschaft in London, New-York, Paris, wie ich höre, sogar in Indien, China und Japan, sowie die in aller Welt reisenden Agenten machen diese Schätze immer mehr zu einem veredelnden Gemeingute der ganzen Menschheit. Wenn wir noch hinzufügen, daß der jetzige Director der Gesellschaft für alle seine Beamten und Arbeiter Einrichtungen getroffen hat, welche denselben für ihren Abgang oder für ihr Alter die Früchte ihres treuen Fleißes mit Zins auf Zinseszins sichern, so kommt zu ihrer Bildungs- und Geschmacksförderung auch noch ein socialer Segen, dem wir gerade heut zu Tage einen besonderen Werth für Nachahmung zuerkennen müssen.

Unter den vervielfältigenden Künsten, dem Holzschnitt, Kupfer- und Stahlstich, nimmt neuerdings die Typographie der Malerei als Oeldruck und Photographie einen immer höheren Rang ein, weil dadurch der großen Menge die seltensten und theuersten Schätze aller Zeiten und Zonen allgemein zugänglich gemacht werden. Kommt nun noch dazu die Erfüllung der mir geheimnißvoll gewordenen Prophezeiung der farbigen Photographie genau nach dem Leben, so können wir uns vorläufig kaum einen schöneren Triumph auf dem Gebiete der Kunst und Lebensverschönerung denken. Wer daran selbst genießend möglichst theilnehmen will, nehme sich zu guter Letzt noch Goethe’s Ausspruch zu Herzen: „Das Nützliche fördert sich selbst, denn die Menge bringt es hervor und Niemand kann es entbehren; das Schöne muß befördert werden, denn Wenige stellen es dar und Viele bedürfen es.“

Dr. H. Beta.




Blätter und Blüthen.


Ein halb vergessen gewesenes Denkmal. (Mit Abbildung, S. 511.) In Nr. 28 der Gartenlaube haben wir der Herzogin Charlotte von Hildburghausen ein Denkmal gesetzt. Wir haben darzuthun versucht, wie geartet diese Frau war, die wir den hervorragenden fürstlichen Persönlichkeiten ihrer Zeit beizählen müssen. War es daher zu verwundern, daß sich die Königin Louise, die ihr in so vielen Stücken gleicht, immer wieder zu der Schwester und ihren gemüthreichen Angehörigen hingezogen fühlte? Auch an der Seite ihres Gemahls, des Königs Friedrich Wilhelm des Dritten, besuchte sie mehrmals das kleine, aber an Naturschönheiten nicht arme Herzogthum Hildburghausen. Besonders gefiel ihr das idyllisch gelegene Lustschloß Seidingstadt, wohin sich der Hof in den Sommermonaten zurückzuziehen pflegte.

Einen herrlichen Blick in das gesegnete Frankenland bietet der Weg dorthin, der die Wasserscheide zwischen Weser- und Rheingebiet überschreitet. Da zeigen sich auf charakteristischen Hügelformen die altberühmten Bergschlösser Coburg, Callenberg, Heldburg, Straufhain, ferner die vulcanischen Gebilde der beiden Gleichberge, der Stolz der Gegend. Der Hintergrund wird durch die lang hingestreckten Haßberge abgeschlossen. Dazwischen lachende Fluren, üppiger Waldwuchs, behäbige Ortschaften. Aber auch die nächste Umgebung des Städtleins im Werragrunde bot damals vielfachen Reiz. Ein früherer Herzog hatte neben dem Residenzschlosse für den Erlös der erheiratheten und an die Generalstaaten verkauften holländischen Grafschaft Kuylenburg einen großartigen Park à la Versailles mit Pavillons, Fontainen, Naturtheater und Irrgarten angelegt, nach welchem letztgenannten Theile das Ganze noch heute benannt wird.

Alte Karten und Pläne, die uns vorliegen, geben ein genaues Bild von diesem Wundergarten, den der Herzog nach Verlegung des Werrabettes mit einem theilweise ummauerten Canale umgeben ließ, auf welchem sogar „Seegefechte“ geliefert wurden. Mit dem veränderten Zeitgeschmacke schwanden die zopfigen und beschnittenen Hecken, und es ward der englische Geschmack vorherrschend, charakterisirt durch breite Wiesenflächen und trauliche Baumgruppen. Dort, wo die fürstlichen Schwestern so gern lustwandelten, ließen auf einem künstlichen Hügel inmitten einer baumumrahmten Rasenfläche Friedrich und Charlotte im Jahre 1815 ihrer theuren Louise ein Denkmal von Sandstein in antikem Stile errichten. Auf der Vorderseite desselben befindet sich das vom Bildhauer Schulz aus Gotha in Marmor trefflich ausgeführte Reliefbrustbild der Königin, während die beiden Seitenflächen durch Schwan und Adler und die Rückseite durch die nachstehende Aufschrift und eine Reihe von Distichen geschmückt wird, welche von dem damaligen Gymnasialdirector Sickler, einem seiner Zeit bekannten Philologen und Alterthumsforscher, verfaßt sind. Aufschrift und Distichen lauten:

 Unserer unvergeßlichen
 Louise
 Königin von Preußen
 Friedrich R. Hzg. z. Sachsen
 Charlotte R. Hzgn. z. Sachsen
 MDCCCXV.
Freundliche Nymphen der Flur und des Thals umsprossende Blumen!
     Kinder des Haines umher, trauliche Lüfte der Au!
Schützet der Schwester Gebild erhaben am heiligen Denkmal,
     Hüllt es in lieblichen Duft, fächelt ihm zärtlichen Hauch!
Oft hat sie euch begrüßt in der Morgenröthe der Jugend,
     Wallend am Schwesterarm; hier oft verhallte ihr Laut.
Oft hat ihr Blick hier geruht, umflossen vom Lichte des Himmels;
     Lieblicher strahlte von ihm Liebe und Milde für uns.
Ach, ach, sie war nur zu früh im Sturme der Zeiten geschieden!
     Nie mehr nahet sie euch, grüßet euch ferner nicht mehr.
Lebend erblickte sie nicht Teutonias siegende Fahnen,
     Sah nicht Borussias Aar führen der Heere Triumph.
Ach, sie ruhte, die Hand, im Dunkel der Trauercypressen,
     Welche die Fahne des Siegs, Freiheit für’s Vaterland, hob.
Doch aus der Sphäre des Lichts, wohin sie voran uns gestiegen,
     Aus der Gestirne Kreis thront sie nun freudig herab.
Dort empfing sie die Helden, gefallen im heiligen Kampfe,
     Dort vertheilet sie nun ihnen die Kränze des Siegs.
Und wie die Blüthen des Lenzes entführt noch Düfte entsenden,
     So noch spendet sie uns segnend den himmlischen Duft.

Als nach der Umwandlung des Schlosses in eine Caserne für das zweite Bataillon des sechsten thüringischen Infanterieregiments Nr. 95 sich in der Nähe ein Exercirplatz nöthig machte, wurde Hügel nebst Denkmal entfernt und letzteres an einem andern abseits gelegenen Orte aufgestellt, wo es bereits durch ruchlose Hände gelitten hatte, als jüngst die allgemeine Aufmerksamkeit plötzlich auf dasselbe hingelenkt wurde. Sobald Kaiser Wilhelm von dem Vorhandensein eines solchen Denksteines erfuhr, ließ er sich eine Photographie desselben vorlegen; sofort wurde an Restaurirung des Denkmals und Herstellung einer würdigen Umgebung desselben Hand gelegt, und beides ist nunmehr vollendet.

Kehren wir im umgewandelten Irrgarten um vier Jahre zurück! „Wenn heut’ ein Geist herniederstiege,“ so dachten wir mit dem Dichter, als an der frühern Stätte des Denkmals, um einen Feldaltar geschaart, am 24. Juli 1870 jenes tapfere Bataillon feierlichen Feldgottesdienst beging, bevor es sich, von dem erhabenen Sohne der Königin Louise zum Kampfe gegen den alten Erbfeind gerufen, bei Wörth, Sedan und an der Loire unvergänglichen Ruhm erwarb. Daher erfüllt uns gerechte Freude über eine geschichtliche Erinnerung, die unsere Stadt mit dem Namen der herrlichen Frau verknüpft, welche ihr Volk zu hoher Vaterlandsliebe begeistert, in den Tagen der Demüthigung edel und standhaft ausgeharrt und dem deutschen Reiche einen Kaiser gegeben hat.

Dr. L. Grobe.




Eine neue Pflicht des Publicums. Niemand kann leugnen, daß bei der Summe des in jedem Lebensberufe nothwendigen Wissens und dem allgemeinen Bildungstrieb der Gegenwart es Bücher giebt, die wie das liebe Brod zum tagtäglichen Bedürfniß werden. An die Spitze dieser Literaturwerke stellt heutzutage Jedermann die Conversationslexika oder sogenannten Real- oder Universal-Encyklopädien. Es versteht sich von selbst, daß man solchen Büchern gegenüber vor Allem wünschen muß, daß sie so fehlerfrei hergestellt werden könnten, wie dies eben menschenmöglich ist. Wie schwer dies aber ist, davon hat der größte Theil des Publicums keine Ahnung. Es bekommt das Buch fix und fertig in die Hand; da fällt es ihm so wenig bei, zu überlegen, wie viel hundert Köpfe daran gearbeitet haben, als es bei Messer, Gabel und Löffel darüber nachdenkt, durch welche Anzahl von Händen das Material gegangen ist, bis es in so bequemer Form neben dem Teller liegt.

Jede neue Auflage eines solchen Werkes erfordert jahrelange Vorbereitung. Es ist nicht damit gethan, eine lange Liste von Mitarbeitern zusammen zu bringen: diese Mitarbeiter müssen für jedes Fach wieder neu geschult werden, und dies ist um so schwieriger, je berühmter die Herren, je mehr sie Autoritäten in ihrem Fache sind. Jeder derselben hält sein Fach für das wichtigste und beansprucht für seine Artikel „angemessenen“ Raum. Für ein Werk von festbestimmter Bändezahl und Erscheinungsfrist ist aber Ein- und Unterordnung aller Mitarbeiter nöthig, wenn nicht ein literarisches Ungethüm wie z. B. die „Ersch und Gruber’sche Encyklopädie“ daraus entstehen soll, die seit fünfundsechzig Jahren nicht erleben und ersterben kann, obwohl sie als eine unerschöpfliche Fundgrube gelehrten Wissens in ihren bis jetzt einhundertachtundfünfzig Bänden auch ihre wohlverdiente Ehre hat.

Eine Hauptfrage ist dann: aus welchen Quellen schöpfen die Mitarbeiter? Haben sie eine Stellung und die Mittel, um sich immer das neueste und beste Material zu verschaffen? Haben sie immer die Gewissenhaftigkeit, es sich nicht hie und da mit solchen Arbeiten bequem zu machen, d. h. Vorhandenes ohne strengste Prüfung zu benutzen? Gerade deshalb, um jeden Einzelnen zu überwachen, sind heutzutage Fach-Redactionen für ein solches Werk unentbehrlich; der Haupt-Redaction bleibt mit der Regulirung des Gleichmaßes der Artikel und deren möglichst allgemein verständlicher Form immer noch genug zu thun.

Ferner: wie schwer ist es oft, das Richtige und Wahre aus entfernten oder noch wenig erschlossenen Gebieten zu erlangen! Ein solches Gebiet ist z. B. Rußland und das gesammte russische Staats- und Volkswesen. Dort wird der Regierung selber Vieles anders berichtet, als es in der Wahrheit ist, so daß man mit den officiellen Quellen noch vorsichtiger, als mit den privaten sein muß. – Und wiederum giebt es Gegenstände, für deren encyklopädische Bearbeitung der Stoff erst herbeigeschafft werden muß. Beispiel: der in der dritten Auflage vom Meyer’schen fünfzehnbändigen Conversationslexikon so eben beginnende Artikel Banken. Um die Mitarbeiter in den Stand zu setzen, diesen Gegenstand nach seiner

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 521. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_521.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)