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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Bürger; er bedeutete ihnen Sengen und Brennen, Raub und Plünderung, Mißhandlung und Gewaltthätigkeit jeder Art; vor seinem Klange bebten die eigenen Standesgenossen, wenn sie nicht mit den Trägern desselben in Freundschaft lebten. Die Bischöfe von Havelberg, von Brandenburg und der Erzbischof von Magdeburg, die Herzöge von Mecklenburg, Pommern, sie Alle fürchteten die beiden Brüder und ihr Name ging wie ein Schlacht- und Siegesruf, aber auch wie ein Verhängniß und eine Landplage, wie ein Fluch und eine Verwünschung durch das Land.

Dietrich hatte später Quitzhövel mit dem größeren und schöneren Schlosse von Friesack vertauscht; beide waren vortreffliche Ehegatten und Familienväter, aber zu Hause litt es sie nicht lange; Ruhe und Friede waren ihnen ein Gräuel, Krieg und Fehde ihre Lust, und wenn kein Grund zu einer solchen vorhanden war, so wurde irgend ein Anlaß dazu vom Zaune gebrochen; heute ging es gegen Den, in einem Monate gegen einen Anderen. „Heute Freund, morgen Feind“ war die Quitzow’sche Losung. Von Plaue gingen fast alle Unternehmungen aus, und wenn dann so ein Strauß glücklich ausgefochten war, dann wurden die Beute und die Gefangenen nach Plaue geführt. Unheimlich, fast gespenstisch stiegen die festen, für unbezwinglich gehaltenen Mauern aus der Havelfluth auf. Nächst dem Burgfried ragte ein gewaltiger dicker Thurm über die Giebel des Wohngebäudes und die Mauerthürme empor; das war der Fuchsthurm, der Aufenthaltsort für die Gefangenen, aus dem sie nicht eher wieder herauszukommen Hoffnung hatten, als bis ein schweres Lösegeld für sie erlegt worden war. In diesem Thurme schmachtete außer vielen Bürgern und Adeligen auch der Herzog Johann von Mecklenburg-Stargard. Er war der vom Kaiser eingesetzte Landeshauptmann der Mark und in seinem Bestreben, Ordnung in dem Lande herstellen zu wollen, den Quitzows ein Dorn im Fleische. Johann von Quitzow hatte ihm in einem Hinterhalte aufgelauert, ihn angefallen, abgefangen und nach Plaue geführt. Damit er nicht entweichen konnte, wurde er in den tiefsten und festesten Kerker gebracht, barfuß, nur mit einem Hemde bekleidet. Die Brandenburger jedoch, in dankbarem Gefühle für die von ihm empfangenen Wohlthaten, hatten Mittel und Wege gefunden, ihn mit Hülfe eines Bäckergesellen, der in Plaue arbeitete, aus seinem Gefängnisse zu bringen. In demselben Zustande, wie er in seinem Gewahrsame war, harrte der Herzog, mitten im Winter, an einer Stelle im Schilfe der berittenen Reisigen, die ihn aus der Gewalt der Quitzows nach seinem Lande zurückbringen sollten. Unglücklicherweise waren diese, entgegen der Verabredung, an einer andern Stelle versteckt. Johann von Quitzow aber bekam durch das Zeichen des Thurmwächters von dem Entweichen seines Gefangenen Kunde, und wie ein Schweißhund nach einem Stück Wild, so durchstreifte er die Gegend in der Nähe des Schlosses, fand auch den Herzog und brachte ihn in seine Gewalt und in einen noch festeren Gewahrsam zurück; hier verblieb der unglückliche Fürst so lange, bis Johann von Quitzow einen Einfall in mecklenburgisches Gebiet machte, dort gefangen und später gegen den Herzog ausgewechselt wurde.

So wurden die Quitzows für ihr eigenes Vaterland nicht minder wie für fremde Territorien unheilvoll; der Jammer ging ihren Zügen voraus; die Zerstörung folgte ihnen. Je höher ihre Macht und ihr gefürchtetes Ansehen stieg, desto tiefer sank das unglückliche Land in Verwüstung und Verwilderung. Zuletzt hatten sie jeden Widerstand ertödtet. Niemand wagte, sich ihnen ernstlich zu widersetzen, und schon sahen sie sich dem Ziele ihres hochfliegenden Ehrgeizes, sich reichsunmittelbar und zu Regenten der Mark zu machen, nahe, als eine Nachricht in Plaue eintraf, die zuerst vielleicht ziemlich eindruckslos an Johann von Quitzow’s Ohr vorbeiging. Sie kam aus Ofen, wo sich damals König Sigismund aufhielt und wohin die Abgeordneten der Städte der Mark und als Vertreter des Adels der Freund der Quitzows, Caspar Gans zu Putlitz, gegangen waren, um dem Kaiser zu huldigen. Das Oberhaupt des Reiches hatte den Abgesandten mitgetheilt, daß es den Burggrafen Friedrich von Nürnberg aus dem Hause Hohenzollern zum obersten Landesverweser in der Mark erwählt habe. Das war es, was die Abgesandten mit nach Hause brachten, für einen Quitzow gerade keine Neuigkeit von Belang. Der Kaiser hatte schon manchen Statthalter nach der Mark gesetzt, und mit allen waren sie fertig geworden. Warum sollten sie nicht auch mit dem „Nürnberger Tand“ fertig werden?

So mochte Johann von Quitzow in seinem Plaue denken. Zugleich hatte er aber vernommen, daß sich die Abgeordneten der märkischen Städte über sein und seiner Genossen Treiben beim Kaiser bitter beschwert hatten, und da mochte er erkennen, daß die Ernennung des Nürnberger Burggrafen, dieses damals bereits mächtigen, reichen und einflußreichen Fürsten, eine an ihn und seine Genossen gerichtete stille Mahnung und Warnung sei. Was hatte man sich hier im Norden bisher auch um einen Nürnberger Burggrafen gekümmert! Sehr wenig; das Eine lag nahe, daß man über dessen Persönlichkeit Erkundigungen einzog. Jedenfalls mußten die Resultate derselben für Johann von Quitzow insofern entmuthigend sein, als er vernehmen mußte, daß der neue Statthalter eine Persönlichkeit sei, die den Kampf mit ihnen aufzunehmen wohl im Stande wäre. Seine persönliche Erscheinung in der Mark war nur zu sehr angethan, diese Befürchtung zu bestätigen. Es war am Johannistage des Jahres 1412, als der Burggraf als der erste Hohenzoller in die Stadt Brandenburg einritt. Er war aus dem schönen Frankenlande über Wittenberg gekommen, nicht über Magdeburg; sonst hätte er an Plaue vorüberziehen müssen, und wer weiß, ob nicht Johann von Quitzow auf dem Lug gelegen hätte, um auch diesen obersten Landeshauptmann ebenso abzufangen, wie er es mit dem Mecklenburger gethan hatte; verwegen genug war er dazu. Aber der Burggraf zog, begleitet von seinen fränkischen Rittern, eine Straße, die ihm sicherer dünkte.

Je mehr Johann von Quitzow und seine Anhänger aus den ersten Regierungsmaßnahmen Friedrich’s die Gefahr, welche ihnen durch den Burggrafen drohete, ahnten und fühlten, desto höher wuchs ihr Trotz. Sie gingen unter sich eine Verbindung oder Verschwörung ein, zu dem Zwecke, dem Burggrafen keine Huldigung zu leisten, ihm überhaupt, wie und wo sie konnten, allen Widerstand entgegenzusetzen. Die Städte hatten dem neuen Herrn bereits gehuldigt; das konnten die tief verachteten Krämer zwar thun; sie aber würden sich niemals dazu bequemen. Als sie vollends vernehmen mußten, daß Friedrich aus seinem Lande am Maine fränkische Hülfsvölker kommen ließ, um ihre Widersetzlichkeit zu bezwingen, du rüsteten auch sie sich und verbanden sich mit den Herzögen von Pommern; ihre Empörung war vollständig, und so rückten beide Gegner in’s offene Feld. Am Cremmener Damme kam es zwischen dem Landesherrn und seinen aufständigen Vasallen zu einer Schlacht; in dieser zog der Burggraf leider den Kürzeren, und verlor auch noch seinen Freund und Waffengefährten, den Grafen Johann von Hohenlohe, der mit ihm aus Franken gekommen war. Das war ein harter Schlag für einen Charakter wie Friedrich, der nach der Mark gekommen war, mit dem festen Entschlusse, dem kleinen durch Despotismus arg heimgesuchten Lande Ruhe und Ordnung und gesetzmäßige Zustände zu bringen, aber er verzagte nicht. Er zog über die Eisenfaust, die er dem Adel gezeigt hatte, einen Sammethandschuh und versuchte es in gütlichem Einvernehmen mit ihm. Namentlich handelte es sich um die Schlösser Friesack und Plaue; sie waren nur in Pfandbesitz der Quitzows, und wenn der Landesherr die darauf haftende Pfandsumme zurückzahlte, dann waren die bisherigen Inhaber verpflichtet, die Objecte an ihn wieder zurückzugeben. Friedrich sah diese beiden wichtigen Vertheidigungspunkte der Mark zwar sehr ungern in den Händen unruhiger Köpfe, wie der Quitzows, aber schließlich mußte er den Umständen dennoch Rechnung tragen und ihnen die Schlösser als Lehne auftragen, jedoch mit dem besonderen Bemerken, daß dies keine Nothwendigkeit und keine Pflicht von ihm sei, sondern nur ein Act des Vertrauens.

Die beiden Brüder rechtfertigten dieses Vertrauen sehr schlecht. Eine Weile hielten sie zwar wirklich Ruhe, aber Friede und Ordnung war nicht das Element, in dem sie sich wohl fühlten. Im Anfange vertrieb sich Johann von Quitzow die Zeit damit, das feste Haus zu Plaue, vielleicht für gewisse Fälle, in wehrhaften Zustand zu versetzen. Als das aber geschehen war, dann wurde es ihm schwül innerhalb der steinernen Mauern; die gegen den Burggrafen eingegangenen Verpflichtungen beengten und bedrückten ihn, und schon nach zwei Jahren fing er das alte Treiben wieder an und erklärte an den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 531. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_531.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)