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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Erzbischof von Magdeburg, mit dem sein Landesherr noch dazu verbündet war, auf eigene Faust den Krieg.

Friedrich wollte vermitteln, Frieden stiften, aber Johann von Quitzow antwortete auf die Mahnung seines Landesherrn nur mit Stillschweigen, mit Fortsetzung seiner Verheerungen und Plünderungen. Er erschien auch nicht auf die Citation des Burggrafen, sich wegen solchen flagranten Bruches des Landfriedens zu verantworten; da traf gegen den 20. Januar 1414 im Schlosse von Plaue ein Pergament Kaiser Sigismund’s ein, mit der verhängnißvollen Nachricht, daß von Kaiser und Reich die Reichsacht über ihn ausgesprochen sei. Was das bedeuten sollte, das wußte er recht gut. Er war für rechtlos und vogelfrei erklärt. Jeder konnte ihn tödten, ohne zur Verantwortung gezogen zu werden; er war seiner Lehen und all seines Eigenthums für verlustig erklärt. Ein Gleiches war mit Caspar Gans zu Putlitz und Wichert von Rochow geschehen. Johann von Quitzow hatte nicht geglaubt, daß der Burggraf so weit gehen würde, aber dessen Geduld und Langmuth war vorüber – er ging noch weiter.

Am 7. Februar des Jahres kündigte der Thurmwächter auf Plaue seinem Herrn an, daß von allem Seiten Kriegsvolk gegen das Schloß im Anzuge sei. Johann stieg auf den Thurm und erkannte, daß es die Fähnlein des Magdeburger Erzbischofs seien. Warum gerade dieser, warum nicht der Burggraf gegen ihn anrückte? Das konnte er sich nicht deuten; das sollte ihm erst später offenbar werden. Er lachte im Innern über die geringe Anzahl der gegen ihn anrückenden Streitmacht. „Der Erzbischof,“ dachte Johann bei sich, „soll sich nur an den vierzehn Fuß dicken Mauern meines Plaue seine Zähne ausbrechen! Den Quitzow wird so leicht Keiner kriegen, trotz Burggraf und trotz Reichsacht!“ Von Süd und Ost war das Schloß vom Plauersee und von der Havel umflossen; letztere war zwar zugefroren, aber das Eis doch nicht dick genug, daß es das Lager der Magdeburger hätte tragen können. Der Führer des Magdeburgischen Heeres begnügte sich daher, nur auf das gegenüberliegende Havelufer eine Abtheilung Fußvolk zu legen, mit den übrigen umlagerte er die Nord- und Ostseite des Schlosses, aber auch hier von der Landseite war das Herankommen an dasselbe sehr schwer, denn von dieser Seite schützten es sehr tiefe Gräben und hohe Mauern. Mit Hohn und Lachen sah Johann in den ersten acht Tagen allen Vorbereitungen und Anstrengungen der Magdeburger, das Schloß zu umlagern, zu; am 13. Februar aber lachte er nicht mehr. Da mochte ein lähmendes Entsetzen sein Herz fassen und eine tödtliche Blässe seine Mienen überziehen, als er bei einem Rundgange durch das Schloß einen erschütternden Donner hörte und gleich darauf von dem Thurme Steine und Geröll um ihn niederfiel. Das Winseln des wachehaltenden Knechtes veranlaßte ihn, sich nach demselben umzusehen, und was mußte er schauen? In Stücke zerrissen lag derselbe am Boden. Waltet ein böser Zauber? oder was war Das?

Johann von Quitzow sollte über die Ursache dieser Verheerungen nicht lange in Zweifel bleiben. Eine dunkle Steinkugel, die mit dem Gerölle auf den Boden gefallen war, war seine Belehrung. Dieselbe war aus der großen Donnerbüchse gekommen, die ungesehen von ihm auf dem gegenüberliegenden Havelufer in einer dazu erbauten Batterie aufgestellt und gegen die Mauern des Schlosses gerichtet worden war. Der Burggraf hatte sie von dem ihm befreundeten Markgrafen Friedrich dem Streitbaren von Meißen, Landgrafen von Thüringen, geliehen. Die Feuerwaffen waren zu damaliger Zeit zwar nicht mehr unbekannt, aber von solchem Caliber, wie die gegen das Schloß aufgefahrene, war in der Mark noch keine gesehen worden. Sie hatte in wenigen Tagen in die Mauern des Schlosses Friesack Bresche geschossen und Dietrich von Quitzow zur Flucht gezwungen, und nun sollte sie sich auch gegen Plaue bewähren. Diese Steinkugel, die auf dem Schloßhofe von Plaue lag, war die Vorbotin von anderen Hiobsposten; der Burggraf hatte mit Hülfe von Bundesgenossen, der Herzöge von Sachsen, der Grafen von Anhalt und der märkischen Städte, vier Quitzow’sche Schlösser und ein Rochow’sches zu gleicher Zeit belagert, damit Keiner dem Anderen zur Hülfe kommen konnte. Vor Friesack hatte er selbst gelegen; vor Plaue war sein Verbündeter, der Erzbischof von Magdeburg, gezogen.

Die teuflische Donnerbüchse hatte jedoch nur einige Schüsse gethan, dann schwieg sie mehrere Tage. „Sollte sie geborsten sein?“ fragte sich Johann von Quitzow. „Dann muß sie unschädlich gemacht werden, ehe der Schaden wieder gut gemacht werden kann.“ Er sammelte die Seinigen und machte aus dem Schlosse einen Ausfall, um die Schanze, hinter der das Geschütz aufgestellt war, zu stürmen, um dasselbe zu nehmen. Fast wäre es ihm auch gelungen, aber noch zur rechten Zeit deckten die Magdeburger die Batterie, so daß Johann von Quitzow unverrichteter Sache wieder abziehen mußte.

Die Donnerbüchse oder, wie wir sie zum besseren Verständniß nennen wollen, die Kanone, hatte aber nur darum geschwiegen, weil von Friesack die nöthigen Kugeln noch nicht angekommen waren, nun aber waren diese da, nun zog auch der Burggraf mit seiner verfügbar gewordenen Streitmacht heran, und nun donnerte und blitzte es gegen die märkische Zwingburg, rissen die Kugeln Löcher und Oeffnungen in die Mauern und Thürme des Schlosses, daß Johann von Quitzow zuletzt einsehen mußte, wie nutzlos seine Vorsicht war, das Schloß in dieser Weise zu befestigen, wie ohnmächtig die festesten Mauern gegen diese neue Macht sich erwiesen. Ob der von Verzweiflung erfüllte, verwegene und gewaltthätige Mann im Angesichte des Feuerschlundes, der ihn und seine ganze Existenz vernichtete, wohl inne geworden sein mag, daß der eherne Mund da drüben das Urtheil über sein und seines Anhangs Thun und Treiben spreche, daß dieser Donner die Stimme eines neuen Geistes und einer neuen Zeit sei, die ihrem trotzigen und gewaltthätigen Wesen, ihrem allem Gesetz Hohn sprechendem Handeln ein Ende mache, einer neuen Zeit, die unter der Aegide des Hohenzollers, der sie gegen ihn aufgefahren habe, dem geängstigten Lande die ersehnte Ruhe, gesetzmäßige Zustände und friedliche Entwickelung unter den Segnungen der Cultur zurückbringen würde?

Der im Innersten gebrochene Mann mußte gefühlt haben, daß solcher Macht gegenüber sein Widerstand vergeblich sei, daß der Fall von Plaue nur noch die Frage der Zeit von wenig Tagen sei. Und wenn auch Alles um ihn zusammensinke, ihn selbst sollten die Belagerer doch nicht in ihre Hände bekommen.

Durch eine kleine Pforte nach der Stadt zu war es ihm gelungen, ungesehen von seinen Feinden zu entkommen. Er versteckte sich, wie früher der Herzog Johann, so lange im Schilf und Röhricht, bis sein getreuer Knecht Dietrich Schwalbe ihm seinen Hengst zuführen konnte, mit Hülfe dessen er dann das Weite suchen wollte, vielleicht um ebenfalls, wie sein Bruder Dietrich, bei den Herzögen von Pommern ein Unterkommen zu suchen. Dietrich Schwalbe kam auch mit dem Pferde und Johann von Quitzow hielt sich schon für gerettet, aber als er das Thier am Zügel fassen wollte, scheute es, bäumte sich, machte einen hohen Satz und im Nu war es auf und davon. Es nahm spornstreichs seinen Weg mitten in das Magdeburgische Lager. Dort befand sich der Schulze von Schmitsdorf, der ebenfalls zum Kriegszug gegen Plaue aufgeboten worden war. Dieser hatte Johann von Quitzow in früheren Zeiten oft gesehen und den Hengst als dessen Eigenthum erkannt. Wo das Pferd war, da konnte der Herr auch nicht weit entfernt sein, dachte der pfiffige Landmann und ging in der Richtung, in der das Thier angesprengt gekommen war, auf die Suche aus. Er war auf richtiger Fährte; gar nicht lange brauchte er sich im hohen Röhricht dahin zu schleichen, so fand er den Gürtel und den Schild, welchen Johann von Quitzow abgenommen und auf das Eis niedergelegt hatte. Unbemerkt brachte der Schulze die beiden kostbaren Beweisstücke, daß Johann von Quitzow im Röhricht versteckt sei, in das Magdeburgische Lager zurück.

Der Befehlshaber des erzbischöflichen Heeres schickte unter Anführung des Schulzen Leute aus, welche die Rohrlache umzingelten und den entflohenen Johann von Quitzow gefangen nahmen, gerade so, wie er es vor sieben Jahren mit dem Mecklenburger Herzoge gemacht hatte. Gebunden wurde er in das Lager und dann durch das Städtchen in die Kirche gebracht und dort in den sogenannten Stock mit Ketten geschlossen. Die ganze Nacht blieb er in der Kirche und das ganze Heer kam dahin, um sich den Mann anzusehen, der während zehn Jahre der gefürchtetste, aber auch der mächtigste Mann in der Mark und weit über dieselbe hinaus war, und der nun, herabgestürzt von seiner Höhe, an Händen und Füßen angekettet, ein Gefangener, der Gnade seines Feindes, des Erzbischofs anheimgegeben war.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 532. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_532.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)