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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Er hatte nur ein Auge, um die Blicke aller Derer zu ertragen, die da kamen, um ihre Augenweide an ihm zu haben, das andere Auge hatte er früher in einer Fehde gegen einen Wulffen verloren, aber dieses eine Auge ließ den stolzen, frevelhaften und gewaltthätigen Mann genug sehen, um ihm das Herz vor Gram, Schmerz und Wuth im Innersten erbeben zu lassen. So groß jedoch war selbst in seinem Falle noch die Furcht vor seinem Ansehen, daß, wie der Chronist bemerkt, Keiner von Allen denen, die nach der Kirche geströmt kamen, eine Spottrede gegen ihn gewagt hätte. So endete ein Mann, in welchem bedeutende Charaktereigenschaften vereint waren, aber auch ungezügelte Leidenschaften.

Was hätte Johann von Quitzow seinem Vaterlande werden können, wenn in ihm Mäßigung und Selbstbeherrschung gewohnt hätten! Aber solche kommen nur aus der Achtung vor den Rechten Anderer, aus der Unterwerfung unter das Gesetz. Die neue Ordnung der Dinge, die Anfänge der Gestaltung des modernen Staatsbegriffes, die mit dem ersten Hohenzollern in die Mark einzogen, waren germanisch, die Auflehnung der großen eingeborenen Familien der Mark dagegen war noch das letzte Aufflackern des wilden Kampfes, den seit Jahrhunderten das in diesen Gegenden seßhafte Slaventhum gegen das mächtig eindringende deutsche Wesen unternommen und geführt hatte. Unter der neuen Dynastie kam letzteres zum vollständigen Siege, und mit dem in Stock und Eisen gesetzten Johann von Quitzow war das Slaventhum vollständig und für immer besiegt und bewältigt. Später unterwarf er sich dem Burggrafen, der unterdeß wirklicher Landesherr und Kurfürst von Brandenburg geworden war; die Acht wurde von ihm genommen und auf seinem Schlosse Lentzen, das ihm vom Kurfürsten zu Lehen gegeben war, beschloß er 1437 im siebenundsechszigsten Jahre sein vielbewegtes Leben. Sein Bruder Dietrich war schon früher gestorben; er hatte sich dem Kurfürsten nicht gebeugt.

Jahrhunderte lang lebte das Andenken der Quitzows im Gedächtnisse der Mark fort, freilich in einer Form, die ihrem Andenken nicht schmeichelhaft war. Wenn der Märker Jemandem etwas Böses wünschen wollte, so sagte er: „Det dy de arge Quitz!“ (Daß Dich der arge Quitzow!) Von der Familie sind in neuester Zeit nur noch wenige Mitglieder übrig; die preußische Militärrangliste, die in solchen Dingen ein sicherer Führer ist, zeigt nur noch drei Quitzows auf, und Grundeigenthum besitzen sie in der Mark nicht mehr.

Von dem Schlosse Johann von Quitzow’s ist fast gar nichts mehr vorhanden; die Kugeln der großen Donnerbüchse scheinen die Mauern ganz zerstört und das Wohnhaus kaum bewohnbar gelassen zu haben. Später baute ein fränkischer Ritter, Georg von Waldenfels, dem es vom Kurfürsten in zweiter Hand übergeben worden war, das Schloß wieder auf, aber auch von diesem Baue ist nichts mehr zu sehen. Vom Quitzow’schen sind die Untermauern geblieben und im Innern kolossale Gewölbe mit labyrinthischen Gängen; noch im Jahre 1711 stand der Thurm, in dessen Gewölben Herzog Johann von Mecklenburg gefangen gesessen hatte. Der damalige Besitzer von Plaue, der preußische Minister von Görner, hatte in den Jahren 1711 bis 1716 das jetzige imposante Schloß mit einer Façade nach der Havel und zwei Seitenflügeln nach dem Garten zu in dem Schloßstile damaliger Zeit auf den alten Quitzow’schen Fundamenten aufbauen lassen. Als König Friedrich Wilhelm der Erste, der Vater Friedrich’s des Großen, auf seinen Reisen zu den Revuen nach Magdeburg bei seinem Minister in Plaue einkehrte, frug er diesen, ob er den Fuchsthurm habe stehen lassen, um etwa noch einmal einen Markgrafen darin festzusetzen. Der Minister von Görner hatte ihn allerdings bis etwa auf acht Fuß über der Erde stehen lassen, aber der Kerker, in welchem der mecklenburgische Herzog über ein Jahr lang als Gefangener festgehalten wurde, ist noch heute sichtbar, ein enger, dumpfer, niedriger Raum, in den kaum der Schimmer eines Lichts fällt und wie ihn nur die Rohheit und das Rachegefühl eines Quitzow einem Gefangenen anweisen konnte.

Heutzutage ist das Schloß Plaue im Besitze des Grafen Königsmark. In den Gemächern desselben erinnern nur noch alte Waffen und Rüstungen an seinen einstigen berüchtigten Besitzer; sonst ist nichts mehr vorhanden. In einem großen Saale des Mittelgeschosses befindet sich eine Ahnengalerie der gräflichen Familie Königsmark, aber dieselbe ist neu gemalt und von keiner historischen Bedeutung. Erwähnenswerth ist die Inschrift über der Thür dieses Saales: „Je ruhmreicher Eure Vorfahren, desto größer Eure Pflicht“, und eine andere über dem gegenüberliegenden Eingange zu den Familiengemächern: „Auch über Euch wird die Nachwelt zu Gerichte sitzen; vergesset das keinen Augenblick“. Umsonst sucht man in dem Schlosse nach einem Portrait jenes Philipp von Königsmark, des Freundes der Gemahlin Georg’s des Ersten, des Opfers der Rache der Gräfin Platen, der im Schlosse von Hannover einen so schmählichen Tod fand, und dessen Körper, um die Spur des Verbrechens zu tilgen, in ungelöschten Kalk geworfen und so zerstört wurde. Von einer andern notabeln Persönlichkeit der Familie, von Aurora von Königsmark, der Geliebten August’s des Starken, sind in einem Parterreraume noch zwei Bilder vorhanden, eines aus ihrer Blüthezeit, ein Brustbild, aus welchem in leuchtenden Zügen ihre Schönheit und ihr Reiz strahlen; sie hat das dunkle Haar einfach geordnet, mit Perlen und Diamanten geschmückt, und auf ihren Lippen das bezauberndste Lächeln; auf dem andern ist sie schon als Stiftsdame von Quedlinburg dargestellt, im schwarzen klösterlichen Gewande, aber die schöne schlanke Aurora ist hier alt und dick geworden, nur eine Schönheit ist ihr geblieben, die kleine Hand, und die einzige Freude der Welt scheint ihr auch in einem kleinen Mohrenknaben in ungarischer Tracht zu blühen, den sie glücklich umfaßt hält.

Vier Jahrhunderte sind seit den Zeiten der Quitzows vergangen; mit den Fluthen der Havel sind die Zeiten hier vorübergerauscht, und Geschlechter haben sich auf dieser Scholle festgesetzt und dieselbe dann wieder verlassen. Alles war dem ewigen Gesetze der Bewegung, des Wechsels unterworfen, nur die herrlichen klaren tiefblauen Wasser, die frischen grünen Ufer der Havel und das bewegte Leben auf dem Strome, nur die Natur und Alles, was mit natürlichen Bedingungen und Gestaltungen zusammenhängt, nur das war geblieben, und das ist’s, was der große Dichter mit seinem Worte sagen will: Nur die Natur ist redlich.




Das National-Denkmal auf dem Niederwald.


In diesem Frühjahre verkündete ein Anschlag an der Akademie zu Berlin, daß der neue Schilling’sche Entwurf zum National-Denkmale zur Erhebung des deutschen Volks und Wiederaufrichtung des Reichs in Dresden aufgestellt sei. Längst hatten mich die Werke dieses Meisters der Plastik angezogen, die sich alle durch ihre sinnige Auffassung, Schönheit und Vollendung der Form und vor Allem durch die Wiedergabe echt deutschen Charakters auszeichnen. Was sind das für liebliche deutsche Kindergesichter an den Gruppen: Morgen, Mittag, Abend und Nacht auf der Brühl’schen Terrasse in Dresden; wie zeichnen sich seine Frauengestalten durch edle Weiblichkeit und alle die Formen und Züge aus, die wir an unsern Mädchen schätzen, wenn wir sie schön und edel zugleich nennen; welche ideale Gestalt ist sein Schiller, und wie ergreifend wirkte der sieggekrönte Entwurf zu dem Kriegerdenkmal, welches Hamburg seinen gefallenen Söhnen errichten will! Mit hohen Erwartungen betrat ich den Uhrsaal im Akademiegebäude. Sie wurden aber weit übertroffen durch das ausgestellte Werk, dessen plastische Ruhe und äußere Vollendung noch durch den günstigen Aufstellungsort und das einfallende Oberlicht gehoben wurden.

Obwohl Photographie und Zeichnung ein plastisches Werk nur unvollkommen wiedergeben können, wird sich der Leser doch an der Abbildung erfreuen, und ich bin sicher, daß er meine Eindrücke theilt. Bezaubernd durch seine geniale Erfindung und Schönheit, bewunderungswürdig klar und verständlich, zog mich das Modell an, und je länger ich dasselbe betrachtete und von allen Seiten umging, desto mehr wurde ich dafür eingenommen. Ich urtheilte nur als Laie und als Mitglied des großen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 533. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_533.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)