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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Publicums. Als kurze Zeit darauf auch die Jury das Werk als überaus gelungen bezeichnete und zur Ausführung empfahl, da überzeugte ich mich auf’s Neue, daß das wirklich Schöne auch von dem Laien herausgefunden wird und daß man sich darin auf sein eigenes Gefühl verlassen kann. Ein einfacher klarer Gedanke, getragen von dem Volksgenius und verkörpert in tief empfundener Weise, erringt sich auf dem Kunstgebiete die allgemeine Anerkennung, und ich bin mir klar darüber geworden, daß darin wesentlich der Zauber in dem Schilling’schen Entwurfe liegt.

Wenn in Zukunft das Denkmal auf Bergeshöhe thront, bedarf es keines Commentars und keines Erklärers. Es redet selbst davon, wie das Volk sich einmüthig erhob und die lange verlorene und ersehnte Einheit wiedergewann. Schmucklos und einfach stehen auf dem Postamente die Worte:

Zum Andenken
an die einmüthige siegreiche Erhebung des deutschen Volkes
und die Wiederaufrichtung des deutschen Reiches.

Aber so einfach die Worte sind, so inhaltsvoll reden sie.

Als der Friede geschlossen war und der Aufregung des Kriegs die erhebende Freude über das Errungene folgte, da gab sich im ganzen deutschen Volke eine Bewegung kund, die große durchlebte Zeit in dauernden Erinnerungszeichen festzuhalten. Fast in jedem Dorfe rauscht jetzt eine Friedenseiche; aller Orten wurden dem Gedächtniß der ruhm- und siegreich gefallenen Brüder Denkmale gesetzt. Aber wie sich alle Einzelinteressen zu einem großen Ganzen vereinigten und wie die lang erträumte Einheit überall als der höchste Gewinn empfunden wurde, so regte sich auch alsbald der Gedanke, in einem gemeinsamen Denkmale die große Zeit zu feiern und den kommenden Generationen in Stein und Erz vor Augen zu halten, was die einige Nation errungen hat und wie sie allein das Vaterland und ihre höchsten Güter schützen kann. Auf freier Bergeshöhe, im Mittelpunkte des geeinten Nordens und Südens, an den Ufern des Rheins, um den der Kampf entbrannt war, da sollte sich die Nation selbst ihr Denkmal errichten.

Dem Gedanken folgte rasch die That. Männer aus allen Parteien und allen Theilen Deutschlands traten zusammen und forderten unsere ganze Künstlerwelt zur Lösung der Aufgabe in freiem Wettbewerbe auf. Die edelsten Kräfte widmeten sich derselben; Sculptur und Architectur stritten wiederholt um die Palme des Siegs. Sie wurde Professor Johannes Schilling von Künstlern und Publicum in voller Uebereinstimmung zuerkannt.

Zur Lösung der gestellten Aufgabe hat der Künstler an das Lied: „Die Wacht am Rhein“, welches in den Kriegsjahren zum Ausdrucke der nationalen Begeisterung geworden ist, angeknüpft. Die Hauptdarstellung an dem quadratischen Postamente gilt diesem Liede. Links steht der Kriegsgenius, der den jähen Kriegsruf erschallen läßt. Das große Relief in der Mitte versinnbildlicht, wie die ganze Wehrkraft Deutschlands sich um den königlichen Feldherrn schaart, um einzustehen für die Unantastbarkeit des deutschen Vaterlandes. Die Gestalt des Friedens, der dem deutschen Boden erhalten blieb, schließt die Darstellung auf der rechten Seite ab. Das Relief und die Genien stehen in directem Zusammenhange mit dem darunter befindlichen Texte des Liedes: „Die Wacht am Rhein“.

Den Ausgang des großen Kampfes stellt die Germania dar, vor ihrem Throne stehend, gestützt auf das lorbeerumwundene, zum Frieden gesenkte Schwert, im Siegeskranz die deutsche Kaiserkrone, das Symbol der vollendeten Einigung, emporhaltend.

Wie edel ist diese Gestalt erfunden! Wie stolz und freudig-erregt schaut das Auge von der Höhe des gewaltigen Aufbaus herab auf die deutschen Gauen, die das Volk in Waffen dem Vaterlande erhalten hat, bis hinüber zu den erweiterten Grenzen; wie echt deutsch ist diese jugendschöne Germania, so deutsch, daß man sagen könnte: lebte diese herrliche Frauengestalt, ihre blauen Augen würden uns tief in das Herz hineinschauen!

In der Mitte des breiten Sockels auf hervorspringendem niedrigem Postamente zeigt uns die, ist reizvollen Linien componirte Gruppe den gewappneten Vater Rhein, welcher das Wachthorn an die jugendliche Mosel abgiebt.

Mit dem Relief in gleicher Höhe sind an den drei andern Seiten große Schrifttafeln angebracht, auf denen die Geschichte der Erhebung, des Kriegs und der Wiederaufrichtung des Reichs verewigt werden soll. Die Namen der großen Siege aber sollen auf den oberen Seitenflächen des bekränzten Postaments ihren Platz finden, welches mit dem schirmenden Reichsadler und den Wappen aller deutschen Staaten geschmückt ist. Den großen Festplatz vor dem Monumente begrenzt beiderseits eine terrassenförmig abgestufte Mauer, die in der Basis mit kolossalen Candelabern endigt. Damit das Ganze in seinem Aufbau von verschiedenfarbigem Granit und mit seinen ehernen Figuren auch in der Ferne einen imponirenden Eindruck mache und sich in scharfen Contouren frei gegen den Himmel abhebe, wird das Monument eine Höhe von circa 26 Meter und die Germania insbesondere eine solche von 8,75 Meter erhalten.

Das ist das Denkmal, das in seinen großartigen und harmonisch schönen Formen die jüngsterlebte Zeit zu monumentalem Ausdrucke bringen soll. Stände es nur schon auf der schönen Bergeshöhe, umrauscht vom deutschesten Strome, dem Rheine, umklungen von der Sage und Dichtung, umringt von fröhlichem deutschem Volke, das von weit und breit herbeiströmt, um dort unter dem Sinnbilde der Einigkeit, der Stärke und des Friedens seine nationalen Feste zu feiern!

Noch habe ich den Eindruck tief im Herzen, den der Niederwald auf mich gemacht hat. Erhaben über dem Gedränge und Treiben der Menschen, über dem Jagen der Schiffe und Bahnen thront ein Hochwald, dessen majestätischer Dom eine weihevolle Stimmung hervorruft. Tritt man hinaus an den Saum des Waldes, so haftet das Auge entzückt auf der Schönheit der Landschaft. Breit strömt der Rhein dahin, von Inseln mit hohen Baumschlägen malerisch unterbrochen, an seinen Ufern mit Städten und Dörfern übersäet, umsäumt von Hügeln, auf denen die Rebe glüht, und von den in herrlich geschwungenen Linien langsam zurücktretenden Höhen des Taunus. Wie ein breites Silberband windet sich von weit her die Nahe dem Rheine zu, um vereint mit ihm das Felsenthor zu durchbrechen, als dessen Hüter noch heute der Mäusethurm dasteht. Wie rauschen die Wasser, wie schäumen die Wellen über die öden Felsenklippen der Lurlei zu! Wie lenkt sich der Blick auf die redenden Zeugen vergangener Jahrhunderte: auf die verfallenden Ritterburgen und die in Trümmer gesunkenen Schlösser alter, längst ausgestorbener Geschlechter! Aber oben auf der Höhe, über den Marksteinen der alten und der neuen Zeit, da thront der Niederwald in immer gleicher Ruhe und mit nie verwehender Poesie.

Wem öffnet sich nicht das Herz, wenn er hinunterschaut in die gesegneten Fluren des Rheingaus und des Nahethales, und wer empfindet nicht jetzt heißen Dank, daß diese Perle deutscher Lande durch das Blut seiner Söhne dem Vaterlande erhalten worden ist? Als die Kriegswolke drohend aufzog, da durchzuckte, wie ein Blitz, Entrüstung Aller Herzen; wie Donnerklang ertönte plötzlich nur ein Gesang durch ganz Deutschland, und alsbald ergossen sich wie ein Strom, dem nichts Widerstand leisten kann, die Heeresmassen an den Rhein. Da unten zogen sie Alle vorbei, und herauf ertönte alsbald der Schlachtendonner von den Spicherer Höhen und die schmetternden Victorias aus allen Städten und Dörfern. Als vollgültiger Zeuge erzählt der Niederwald, wie unsere Heere hinausgezogen, wie die Verwundeten mit liebevoller Pflege empfangen, wie die Sieger heimgekehrt und wie wieder ein deutscher Kaiser zuerst den freien deutschen Rhein begrüßte, den er so kraftvoll an der Spitze von Deutschlands einigen Söhnen geschirmt hatte. Das Alles hat der Niederwald gesehen, und reden möchte er durch Künstlers Hand, was ein einiges Volk vermag.

Unser Kaiser hat die Sprache gebilligt, welche der Niederwald reden will. Prüfend hat er dem Entwurfe des Denkmals seinen Beifall gezollt; ausschauend von dem zukünftigen Standorte in das herrliche Rheinthal hat er die baldige Ausführung dort gewünscht, und werkthätig, wie immer, hat er bestimmt, daß die Germania aus eroberter Geschützbronze gegossen und die Werkzeuge des aufgedrängten Krieges in die Gestalt des Friedens verwandelt werden.

Und jetzt überall Hand an das Werk! Wir selbst, die Nation, wollen uns das Denkmal, einen Triumph deutscher Kunst und ein Zeichen wiedergefundener Einheit, erbauen.

So lange die Idee noch keine Gestalt gewonnen hatte,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 536. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_536.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)