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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

„Es fragt sich nur, ob Mittel und Wege bekannt sind, ohne Erzeugung neuer Uebel, Erhöhung der Fleischpreise etc. den Mißständen zu begegnen. Bei der ganzen Angelegenheit handelt es sich eigentlich nur um ein Opfer, das reichen Bahngesellschaften auferlegt würde; denn ‚das öffentliche Wohl ist das höchste Gesetz‘. Wenn sie dieses Opfer nicht freiwillig bringen, müssen sie dazu gezwungen werden. Es ist darin ein kategorischer Imperativ. Die Frage ist einfach und lautet: Soll entweder die Versorgung mit Fleisch, nicht nur von Wien, sondern eines Theils von Europa, gesünder gestaltet, soll die Gefahr der Verbreitung der entsetzlichen Rinderpest um ein sehr Bedeutendes vermindert – oder soll das Reinerträgniß von einigen der reichsten Bahnen Oesterreichs um ein viertel Procent geringer werden? Ich dächte, für den redlichen Staatsmann, die pflichtgetreue Regierung und die anständige Bahngesellschaft könnte es hierauf nur eine Antwort geben.“

„Man hat hier zu Lande, wie ich weiß, von den großen fahrbaren Ställen gehört, in denen wir in Amerika das Vieh hunderte von Meilen weit, während der Fahrt wohlgenährt und getränkt, transportiren. Noch bekannter sind die Bestrebungen einer der edelsten und glücklicherweise auch reichsten Frauen unserer Zeit, Lady Burdett Coutts in London, die in echtester Humanität, zum gleichzeitigen Vortheile von Menschen und Thieren, persönlich protegirt von der Königin von England, es sich zur Aufgabe gestellt hat, auf Verbesserung der Viehtransporte in Großbritannien hinzuwirken. Unter Zuziehung von unterrichteten Landwirthen, tüchtigen Thierärzten und Wagenconstructeuren hat sie auf ihre Kosten eine Anzahl jener bequemen rollenden Ställe bauen lassen, aus denen das in Schottland eingeladene Vieh frisch und wohlgenährt in London herausspringt. Der Engländer aber ist ein zu guter Kraftökonom, hat eine zu feine Zunge für die Qualität des Fleisches, als daß er die ausgezeichneten Eigenschaften der Coutts’schen Viehtransportmethode nicht auch sofort in Geld ausgemünzt hätte. Sie zeigte sich nicht allein human, sondern, was durchschlagender war, auch rentabel, und heutzutage will London nur noch Fleisch essen, das wohlgepflegt transportirt ist.“

„Wie ich höre,“ schaltete ich hier ein, „sind diese Resultate hier zum Theil bekannt und die Regierung hat, nach den Zeitungen, Versuche mit verschiedenen Fütterungsmethoden unterwegs und den Constructionen fahrbarer Ställe anstellen lassen. Leider ergaben dieselben aber keinen wesentlichen Abgang des Fleischgewichtes von halbverhungerten und von gefütterten Thieren und – so schliefen die Versuche ein, und Alles blieb beim Alten.“

„Wahrlich, höchst beklagenswerth!“ rief der General. „Sicher hat man wenn solche negative Resultate erzielt worden sind, die Versuche nicht geschickt und sachgemäß, gewiß auch nicht consequent genug angestellt. Gott weiß, welche von Euren geheimnißvollen Einflüssen wieder dagegen thätig gewesen sind. Die Sache ist aber von immenser Bedeutung und großer Opfer werth; denn es gilt hier nicht allein menschlich handeln und Gott in seinen Geschöpfen ehren, sondern einen der schlimmsten Feinde der Menschheit auf seinem Wege durch die Welt bekämpfen. Auf die Gegenden, in denen die Rinderpest entsteht, ist auf Menschenalter hin kein die betreffenden Verhältnisse modificirender Einfluß zu üben, aber es ist heilige Pflicht der Regierungen, Bahnverwaltungen und Aller, die es angeht, dafür zu sorgen, daß die Pfade, auf denen der lebendige Nahrungsstoff sich bewegt, nicht dadurch zu wahren Seuchenwegen werden, daß die Transportmethode selbst die Disposition der Thiere zur Verbreitung der Pest vermehrt. Wir dienen immer der Menschheit, wenn wir der Menschlichkeit dienen. Ich weiß wohl, daß vom Viehhändler keine Hinwirkung auf Verbesserung der Viehtransporte zu erwarten ist, der nichts verlangt, als daß ihm die Eisenbahn ein verkäufliches, also lebendiges Fleisch zuführt; was dies gelitten, welche Krankheitsstoffe es dem zufolge birgt, das ist ihm völlig gleich. Auch auf freiwillige Concessionen der Eisenbahnen ist dabei nicht zu rechnen. So lange diese Wege der Civilisation sich nur als Erwerbsinstitute betrachten dürfen, an die das Gemeinwohl keinen Anspruch außer ihrer Steuerzahlung und Militärtransportpflicht zu erheben hat, darf man keine Handlungen von ihnen erwarten, die edlem Sinne und großem Blicke entspringen. Daß aber der Viehtransport in fahrbaren, bequemen Ställen theurer ist, als in den jetzigen Marterkarren, erwähnte ich schon früher. Es ist eben so unbestreitbar, wie daß das Fleisch für den Consumenten nicht theurer werden darf, wenn die Arbeitsfähigkeit des Volkes nicht sinken soll.“

„Woher soll aber die Hülfe kommen, wenn weder von Versendern noch Transportirenden Gemeinsinn und menschliches Regen zu hoffen sind?“ frug ich weiter.

„Bei uns in Amerika,“ antwortete der General, „würde die öffentliche Meinung, rege gemacht durch genügend verbreitete, würdige Darstellung des abscheulichen Gegenstandes in der Presse, vollauf Macht genug besitzen, die Abstellung des Elends der Viehtransporte in den Städten und auf den Bahnen, zum Theil unter Mithülfe der Gesetzgebung, zu erzwingen. In Europa ist hierin, wie in so vielen Dingen, leider nur Hülfe von rationell ausgeübter polizeilicher Regierungseinwirkung zu hoffen. Und sie ist hier, wahrlich mehr als irgendwo, im Hinblicke auf das gefährdete öffentliche Wohl am Platze. Mögen doch die Staaten, die ihr Budget mit so schweren Summen für Subventionirung absurder Bahnen und trostloser Industrie-Unternehmungen belasten, auch einmal Capitalien aufwenden, die sich nicht in Geld, sondern nur in Gesundheit und Wohlfahrt ihrer Bürger verzinsen, und die Bahnen für Verbesserung des Viehtransportes subventioniren, wenn sie glauben, nicht berechtigt zu sein, diesen die Maßnahmen ohne Weiteres aufzuerlegen!

Wahrlich, das öffentliche Wohl erfordert diese mindestens ebenso dringend, wie die Expropriation von Gut und Eigenthum für die Herstellung von Eisenbahnen und Straßen. Oder möge man in Südrußland, der Bukowina, in Galizien Viehschlächtereien anlegen und die Wissenschaft und Technik herbeirufen, die, wie sie wandernde Keller zum Transporte des Bieres geschaffen, zuletzt auch, wenn man sie nur recht tüchtig dazu anhält, Kältewagen produciren werden, in denen der Transport des Nahrungsfleisches auf große Entfernungen hin geschehen kann, während die anderen Theile der Thiere ebenfalls an Ort und Stelle die Umwandlung in verkäufliche Industrieproducte, Leder, Horn, Blutsalze, Leim etc. erfahren. So wird kein unnützes Gewicht transportirt und die Ausnutzung der Transportwagen eine weit günstigere sein. Aber den Schlendrian muß man dabei austreiben und die Sache fest bei der Wurzel anfassen, und das können in wirksamer Weise nur die Repräsentanten der Humanität und Wohlfahrt: die Regierungen. Errichten Sie endlich eifrige Thierschutzgesellschaften, lassen Sie die Polizei den Anzeigen derselben ein williges Ohr leihen, strafen Sie Thierquälerei streng, wie es in den meistcivilisirten Ländern längst der Fall ist, und Sie werden sich um die Sittlichkeit und die Gesundheit in Ihrem Vaterlande einen Gotteslohn verdienen.“

„Ach, General,“ rief ich aus, „wie weit sind wir noch von Alledem!“

Ungewöhnlich lebhaft entgegnete der General: „Ich habe es mir zu einer der Hauptaufgaben meines Lebens gestellt, zum Vortheil von Mensch und Thier für die Verbesserung des Transportes unseres lebenden Nahrungsstoffes zu wirken, mich zu den Gerechten zu gesellen, die sich des Viehes erbarmen, das sein Leid nicht klagen kann und daher um so mehr Anspruch auf unsere und des Gesetzes Hülfe hat – aber es macht mich und die Meinen krank, täglich Grausamkeiten mit ansehen zu müssen, die zugleich ebenso viele Dummheiten sind, und ich mag die Herzen meiner Kinder nicht dadurch verdorben sehen. – Also, fare well! Lassen Sie mich ziehen!“




Die Dioskuren der Berliner Hofbühne.
Von Oswald Hancke.


„Also frisch gebeichtet, süßer Döring, wie war das gestern Abend mit dem Bouquet?“ Der also Angeredete nimmt eine gewaltige Prise, der ein unbeschreibliches Verrücken der Nase in ihrem unteren beweglichen Theile folgt.

„Aber, liebe Frieb, Sie werden mich doch nicht für fähig halten, daß ich selbst –“

„Still! Alle Indicien sind gegen Sie. Vorgestern, wo der kleinen B. zehn Bouquets geworfen wurden, spielen Sie den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 549. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_549.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)