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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Sprechen vollständig zahnlos, und die Zungenspitze spielt ruhelos im linken Mundwinkel zwischen den trockenen Lippen. Selbst der vertrocknetste Hypochonder müßte bei dieser urkomischen Scene seine griesgrämliche Haltung aufgeben.

Ebenso köstlich schildert Döring eine Scene mit dem verstorbenen Dichter Dr. Carl Töpfer. Dieser beschäftigte sich sehr viel mit der Ertheilung dramatischen Unterrichts und war der Erfinder eines sonderbaren Systems, um den Unterricht in der Mimik des Gesichts seinen Scholaren gegenüber zu vereinfachen. Er hatte nämlich die verschiedenen Phasen der Leidenschaft im Gesichtsausdruck in Abtheilungen getheilt und numerirt. Als Döring nun den Dichter einst in Hamburg besuchte, sollte er sich selbst von der Trefflichkeit dieses Unterrichts-Systems überzeugen. Döring copirt nun hinreißend in Haltung, Geberde, Ton und Dialect den Dichter und ebenso unwiderstehlich komisch den etwas blöden Schüler, der auf Geheiß seines Lehrers Zorn Nummer eins, zwei, drei auf seinem Gesicht verkörpert.

Ich schließe hier die Reihe der heiteren Scenen aus dem Leben des „Altmeisters“; vielleicht erzähle ich den Lesern der „Gartenlaube“ ein anderes Mal mehr von ihm. Mögen diese Zeilen beitragen, den „Dioskuren der Berliner Hofbühne“ und ihrem künstlerischen Wirken die rechte Würdigung angedeihen zu lassen, dem ja allerdings äußere Anerkennung seitens des deutschen Publicums und der Großen der Erde in reichem Maße zu Theil geworden. Frau Frieb Blumauer trägt die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft der Herzöge von Coburg und Meiningen, ist Ehrenmitglied der Hoftheater von Weimar und Meiningen und Professorin der Declamation an der Akademie der Tonkunst in Wien. Auch Döring ist mehrfach durch Verleihung von Orden geehrt worden, für welche Auszeichnung der große Künstler durchaus nicht unempfänglich ist. Besonderes Studium widmet er den Farben der Ordensbänder. Als der durch seinen unverwüstlichen Humor bekannte Vicedirector der Leipziger Bühne, von Strantz, einst bei Döring einen Besuch abstattete und das Band eines ihm verliehenen Ordens in der Länge einer achtel Elle im Knopfloche trug, sagte Döring nach einer Pause komischer Bewunderung: „Recht hübsch, lieber Strantz, aber es schmutzt sehr leicht.“





 Zwei Schwüre auf Hohbarr.*[1]

Deß’ Lob aus Dichters Munde so oft und laut erklang,
Du burgenreicher Wasgau, Dir töne heut mein Sang!
Von einer Veste sing’ ich, an steilem Bergesrand,
Wo Deine blaue Kette sich ostwärts senkt in’s Land.

In stolzem Glanze prangte Hohbarr in alter Zeit,
Das künden seine Trümmer dem Wandersmann noch heut;
Es sah in seinen Mauern der üpp’gen Feste Pracht,
Der Zecher wüstes Lärmen in mancher lust’gen Nacht.

Fürwahr, wer sind die Herren bei’m edlen Rebensaft,
Mit weinerglühtem Antlitz? Ist’s eine Brüderschaft
Von Kriegern, die im Felde so reichen Preis gewann?
Sind’s ritterliche Räuber, ein Graus dem Wandersmann?

O nein, zwar sind es Krieger, doch nicht im Waffenkleid;
In Kutte und Kapuze, so ziehen sie zum Streit.
Ihr Schild der Masse Thorheit, ihr Feind des Menschen Geist,
Ihr Banner ist die Lüge, entfaltet oft und dreist.

Von Fürstenberg Herr Egon tagt hier so manches Jahr,
Der würd’ge Bischof Straßburgs mit seiner Priester Schaar;
Zu dieser Veste pilgert die heil’ge „Brüderschaft“,
So oft vom vielen Fluchen die Zungen sind erschlafft.

Man sieht auf hohem Söller die trunk’nen Zecher stehn,
Mit weingetrübtem Blicke in’s reiche Elsaß sehn,
Wo aus der weiten Fläche, leicht sichtbar rings, hervor
Erwin’s erhabnes Münster zum Himmel ragt empor.

Und eben sinkt im Westen die Sonn’ in Purpurgluth,
Da hebt sein Glas der Bischof in trunk’nem Uebermuth:
„Ihr Herr’n, bei dieser Sonne, die über Frankreich sinkt,
„Bei Straßburgs hehrem Dome, deß’ Thurm uns Grüße winkt:
 Straßburg.

„Bald soll auf seiner Spitze die weiße Fahne weh’n
„Und an dem Hochaltare der große Ludwig steh’n.
„Bald soll das schöne Elsaß in seinen Händen sein
„Und Galliens Grenze bilden dort hinten weit der Rhein.“

Er hat den Schwur erfüllet, der wortgetreue Mann –
Bald stand die freie Reichsstadt in des Despoten Bann;
Bald konnt’ am Hochaltare der Herrscher Frankreichs steh’n,
Des christlichsten Monarchen Panier vom Thurme weh’n.



Zweihundert Jahre rauschten dahin im Strom der Zeit –
In Trümmer ist zerfallen des Baues Herrlichkeit;
Allein ein klarer Morgen im Wonnemonat Mai
Bringt wieder frohe Gäste zum alten Schloß herbei.

Auch dies sind wackre Krieger, doch friedlich ist ihr Streit;
Die Wissenschaft ihr Schlachtfeld, so herrlich und so weit,
Ihr Feind der Masse Thorheit, ihr Schwert des Menschen Geist,
Ihr Banner ist die Wahrheit, verkündet laut und dreist.

Man sieht die Musensöhne auf hohem Felsen steh’n,
Mit stolzem, freud’gem Blicke in’s reiche Elsaß seh’n,
Wo aus der weiten Fläche, leicht sichtbar rings, hervor
Erwin’s erhab’nes Münster zum Himmel ragt empor.

Und wieder sinkt im Westen die Sonn’ in Purpurgluth –
Sie heben ihre Gläser in frohem Jugendmuth:
„Ein Hoch dem deutschen Elsaß, das wir mit starker Hand
„In blut’gem Streit erkämpften dem theuren Vaterland!

„Und gilt’s, nochmals zu streiten für Dich mit Gut und Blut,
„Wir zieh’n zum zweiten Male hinaus in frischem Muth!
„In deutschen Volkes Namen sei Dir der Schwur geweiht:
„Deutsch bist und sollst Du bleiben in alle Ewigkeit!“

 R. M.


  1. * Zur Erläuterung diene, daß das alte Schloß Hohbarr bei Zabern im Elsaß vor zweihundert Jahren der Schauplatz der wüsten Gelage des Bischofs von Fürstenberg, des Verräthers Straßburgs, mit seiner sogenannten „Brüderschaft“ war. Hierher eilte er mit seinen Genossen, um in Sicherheit wüste Gelage und Trink-Orgien feiern zu können. Deutsche Studenten aus Straßburg waren es, die im letzten Maimonate in ihrer Weise ein Fest feierten, welches mit dem in dem Gedichte erwähnten Schwure schloß.




Kleiner Briefkasten.

E. S. Die Bestattungsweise des Fürsten Pückler-Muskau ist aus Gründen, deren Mittheilung sich der Veröffentlichung entzieht, niemals zur allgemeinen Kenntniß gekommen. Wir haben einige Mühe gehabt, Ihren Wunsch nach näherer Kenntniß dieser „Auflösung mit chemischen Hülfsmitteln“ zu befriedigen. Jetzt ist aus einer, wie wir glauben, zuverlässigen Quelle in Erfahrung gebracht worden, daß man sich damals der Schwefelsäure bedient hat. Mit dieser vermag man allerdings einen menschlichen oder thierischen Körper vollständig zu zerstören und in einen gleichmäßigen Brei zu verwandeln. Die Umständlichkeit und der hohe Preis des Verfahrens lassen es jedoch nicht zur allgemeinen Verwendung empfehlen, während die Feuerbestattung sich gerade durch Schnelligkeit und Billigkeit auszeichnet.

C. St. und W. W. in Stargard i. P. Ein photographisches Portrait des verstorbenen Professor Bock können Sie durch jede Leipziger Buchhandlung beziehen.

Hoffnungslos. Sie sind durchaus nicht hoffnungslos. Ihr Leiden ist nicht gefährlich. Lesen Sie keine meist von Beutelschneidern über diese Leiden verfaßte Schriften, sondern suchen Sie Zerstreuung! Consultiren Sie einen tüchtigen Arzt!

An die „Elsässerin“. Wenn Sie der Meinung sind, Friedrich Friedrich habe in seinem Artikel über die letzten Tage Fritz Reuter’s (Gartenlaube Nr. 31) zwischen dem Tode des Dichters und dem gleichzeitigen Hinwelken seiner Garten-Eiche ein ursächliches Verhältniß zu finden gemeint, so müssen wir diese irrthümliche Auffassung dahin berichtigen, daß der Verfasser jenes thatsächliche Ereigniß nur als einen sonderbaren, aber immerhin höchst poetischen Zufall hinstellen wollte. Die Absicht, das Vorkommniß zu einem Wunder zu stempeln, kann, wie Jeder unserer Leser wissen wird, in der Tendenz der Gartenlaube weder gesucht noch gefunden werden. Die Eiche ist übrigens seit jenen Tagen vollständig vertrocknet.

C. K. in S. Wie man ohne Brenneisen einen Krauskopf bekommt? Wickeln Sie jeden Abend Ihre Haare – und Ihre Eitelkeit wird befriedigt sein, edler Adonis.

B. Gerade an einen Arzt, aber an keinen Pfuscher, der sich öffentlich anpreist, wenden Sie sich Ihrer Tochter wegen!

W. S. Lr. in Schw. Fritz Reuter’s Portrait finden Sie in der Gartenlaube Nr. 37 des Jahrgangs 1864.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 554. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_554.jpg&oldid=- (Version vom 7.11.2016)