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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

und vernichtende Aussagen laut werden ließ. Und als er, nachdem er den Wahrspruch der Jury vernommen, in seine einsame Gefängnißzelle zurückgeführt wurde und seine Frau ihm jammernd um den Hals fiel, auch da blieb er vollkommen gefaßt und ruhig.

So schloß wieder ein Act in diesem schauerlichen Drama. Der letzte steht noch bevor – es ist der Augenblick, wo der Galgen seine Arbeit zu verrichten und der Mörder diese Welt zu verlassen hat.

Und wenn der Leser fragt: „Was geschieht mit Alexander Campbell Goß, dem Dritten unter den Verschworenen?“ – so können wir darauf nur entgegnen, daß die Lebensversicherungsgesellschaften demnächst einen Proceß wegen beabsichtigten Betruges gegen ihn einleiten werden. Das Resultat dieses Processes müssen wir vorläufig noch abwarten.

Und Frau Goß, die Wittwe des Ermordeten? Sie lebt nach wie vor in ihrem elegant eingerichteten Hause. Ob sie um das Complot der Verschworenen gewußt hat oder nicht – wir wollen und können nicht darüber entscheiden; aber Eins bleibt gewiß: wäre sie ein Weib gewesen, welches ihren Mann von ganzer Seele geliebt, so wäre sie während des Processes in Westchester nicht als Entlastungszeugin für den Mörder ihres Gatten, sondern als furchtbare Anklägerin gegen denselben aufgetreten.

Der Keim zu den oben erzählten Verbrechen ist auch in diesem Falle, wie ist so vielen anderen, nur in den trostlosen Zuständen des amerikanischen Familienlebens zu suchen. Die Liebe zwischen Mann und Weib muß dem Gelddurste weichen; die Frau umgiebt sich mit Pracht und Glanz, und der Mann jagt nach dem Dollar. Daß diese Jagd zuweilen zu entsetzlichen Verbrechen und Gräuelthaten führt, davon liefert das oben erzählte Beispiel den besten Beweis.

Louis Lübkert.




Die „Afrikanische Gesellschaft“ und die deutsche Expedition an der Loangoküste.


Von Dr. H. Lange.


„In unserer Zeit des rastlosen Strebens, wo täglich neue Entdeckungen den Kreis des Wissens erweitern und auf allen Zweigen menschlicher Erkenntniß weitersprossende Wahrheiten reifen, muß es vor Allem als dringendste Pflicht erachtet werden, den Planeten, den wir bewohnen, seiner ganzen Ausdehnung nach kennen zu lernen und in unserem eigenen Erdenhaus keine unbetretenen, also unbekannten Strecken übrig zu lassen.“

Das sind die einleitenden Worte des ersten Aufrufes, welchen der Vorstand der Berliner „Gesellschaft für Erdkunde“ zu Anfang des vorigen Jahres in die Oeffentlichkeit brachte.

Die Geographie bildet ein einigendes Band für alle diejenigen Naturwissenschaften, die der vergleichenden Methode in ihren Studien folgen und das Beobachtungsmaterial aus verschiedenen Theilen der Erde zu entnehmen haben. Die von der Geographie eingeleiteten Entdeckungsreisen kommen oftmals weniger ihr selbst als den verwandten Wissenschaften, dem Handel und schließlich der Menschheit zu Gute. So konnte es denn auch nicht fehlen, daß so friedliche und nützliche Unternehmungen, wie die Gründung der „Afrikanischen Gesellschaft“, in allen Schichten der Gesellschaft die wärmsten Förderer und Freunde fanden.

Im April 1872 traten die Delegirten der geographischen Gesellschaften von Berlin, Dresden, Leipzig, Hamburg, Halle, Frankfurt am Main und München zur Gründung der oben genannten Gesellschaft zusammen. Nachdem man sich über das Ziel, über die Mittel und Wege zur Erreichung desselben geeinigt hatte, constituirte sich die Gesellschaft. Das Patronat übernahmen Ihre königlichen Hoheiten der Großherzog von Sachsen-Weimar, der Kronprinz von Sachsen, welcher auch später als König Albert dem Unternehmen seine Theilnahme nicht entzogen hat, und Prinz Adalbert von Preußen, der inzwischen durch den Tod abberufen und an dessen Stelle Se. königl. Hoh. Prinz Friedrich Karl von Preußen eintrat, sowie der Senat von Bremen und Hamburg.

Die Aufgabe, welche sich die Gesellschaft zu lösen vorgesteckt hat, ist zunächst die wissenschaftliche Erforschung der noch unbekannten Gebiete Central-Afrikas. Diese Aufgabe in Angriff zu nehmen, schien durch die Umstände geboten. Es wurde beschlossen, den Westen Afrikas zum Ausgangspunkt zu nehmen, um von dort her die neuerdings vorzugsweise im Osten geförderten Entdeckungen zu ergänzen, und als geeignetste Localität erwies sich die noch nie von einem wissenschaftlichen Reisenden besuchte Loangoküste. Hier zeigte sich zugleich die beste Gelegenheit für Begründung einer Station, um zweierlei Zwecke zu erreichen, einmal nämlich, um der in das Innere abzusendenden Expedition einen festen Standpunkt zu geben, und dann, um den mit wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigten Gelehrten einen bequemen Aufenthaltsort zu gewähren.

Da die Zwecke der Gesellschaft zunächst rein wissenschaftlicher Natur sind, so fand man in den vorbereitenden Schritten zu dem Unternehmen ein sehr freundliches Entgegenkommen von Seiten der holländischen „afrikanischen Landesvereinigung“, welche ihren Sitz zu Rotterdam hat. Es traten so günstige Umstände zusammen, daß man ohne Zaudern zur Anwendung einer Expedition schreiten konnte.

Als Führer der Expedition fand sich glücklicher Weise, wie wir jetzt schon mit Genugthuung sagen können, eine vortrefflich geeignete Persönlichkeit, Herr Dr. Paul Güßfeldt aus Berlin. Güßfeldt ist sowohl durch seine gediegene wissenschaftliche Bildung, wie durch seine vorzüglichen Charaktereigenschaften, die ihm schon während des Krieges gegen Frankreich, welchen er als Officier mit Auszeichnung mitmachte, die Liebe seiner Cameraden und Untergebenen erwarben, ganz zu solcher Führerschaft geeignet.

Wohin aber sollte die Expedition sich wenden? Von Norden und Osten aus ist die Erforschung Afrikas von Deutschen wiederholt in Angriff genommen worden, niemals aber von der Westküste aus. Die Westküste wurde zwar von dem bekannten Professor Bastian im Jahre 1857 besucht, doch galt es damals nur, von der Küste bis Ambassi (S. Salvador) vorzudringen, was unserm berühmten Forscher auch gelang und bei welcher Gelegenheit er damals die Wahrnehmung machen mußte, daß die Sclavenhändler Jeden, der es nur wagen wollte, in das Innere vorzudringen, getödtet haben würden. Der Sclavenhandel dauerte bis zum Beginne der sechsziger Jahre fort, mußte aber endlich als nicht mehr gewinnbringend aufgegeben werden. Die bis dahin dem Sclavenhandel ergebenen Portugiesen mußten sich nun dem legitimen Handel zuwenden. Sie bildeten unter sich eine „Compania dos Mercantes del Norte“, die indeß nicht von langer Lebensdauer war. Die Holländer, welche neben den Portugiesen und Engländern unter dem vierten bis sechsten Grade südlicher Breite nördlich vom Congo-(Zaïre-)Flusse und an der Loangoküste zerstreute Factoreien besaßen, übernahmen sämmtliche Factoreien der liquidirenden „Compania“ und stellten die bisherigen Eigenthümer als ihre Agenten an, während der eigentliche Handel in sehr geschickter Weise von Rotterdam aus organisirt wurde.

So hatten sich in dem Zeitraume von siebenzehn Jahren, wo Bastian zuerst diese Küste besuchte, die Verhältnisse vollständig geändert, und Bastian durfte, auf umfangreiche Studien, welche er über diese Küste angestellt hatte, fußend, sich der Hoffnung hingeben, daß ein Eindringen in das Innere Afrikas von der Loangoküste aus möglich sei.

Für die Wahl, die Westküste als Ausgangspunkt der Expedition zu nehmen, war auch die wichtige, durch Schweinfurth’s und Livingstone’s letzte Reisen gewonnene Wahrnehmung, daß sie in ihren Endstationen bereits die geographischen Provinzen West-Afrikas erreicht hatten, bestimmend, denn Flora, Fauna und Menschenleben gehörten dieser an.

Alle diese neuen Anschauungen weckten nun eine rührige Thätigkeit in geographischen Kreisen; das von Berlin ausgehende Unternehmen erfreute sich der lebhaftesten Theilnahme, und reiche Beiträge flossen der Casse der „Afrikanischen Gesellschaft“ zu.*[1]

  1. * Für Diejenigen, welche sich noch an dem Unternehmen zu betheiligen wünschen, sei hier bemerkt, daß der Schatzmeister der Gesellschaft, Herr Le Coq, Berlin, Neue Friedrichsstraße Nr. 37, jederzeit Beiträge in Empfang zu nehmen bereit ist. Auch im Locale der „Afrikanischen Gesellschaft“ und „Gesellschaft für Erdkunde“ zu Berlin, Krausenstraße Nr. 42, zwei Treppen, werden Beiträge und Bestellungen auf das Correspondenzblatt der „Afrikanischen Gesellschaft“ gegen Einsendung von zwei Thalern entgegengenommen. Die Mitgliedschaft der „Afrikanischen Gesellschaft“ ist zu erwerben durch Zahlung von einem Thaler pro Jahr.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 613. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_613.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)