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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

werden brauchen. Da nun ferner mit der Stärke und Anzahl der Schutzdrähte zwar die Festigkeit, aber auch das Gewicht des Kabels steigt, hierdurch aber das Legen desselben umständliche und kostspieliger wird, so macht man bei den Tiefseekabeln, welche an ihrem Lagerpunkte von mehreren tausend Fuß Tiefe vom Wellenschlage und von Schiffsankern nicht mehr incommodirt werden, die Schutzhüllen von Eisen so schwach wie möglich.

Die Meerkabel haben mit ungemein vielen Gefahren zu kämpfen. Bald zerstört das Meerwasser die eisernen Schutzdrähte; bald lassen sich Gourmands von Seethieren die getheerten Hanfstränge gut schmecken, mit welchen die Guttaperchadrähte und öfters auch die Schutzdrähte umwickelt sind; bald werden die Kupferdrähte durch allzu scharfe Biegungen zerbrochen. Ein ungünstiges Zusammentreffen von Umständen kann bewirken, daß durch einen einzigen so geringfügigen, von außen kaum bemerkbaren Fehler das ganze Kabel auf längere Zeit unbrauchbar, die Correspondenz zwischen zwei Welttheilen unterbrochen wird.

Und wie ungemein schwierig und kostspielig ist es, den Ort eines Fehlers zu bestimmen und ihn zu beseitigen! Während man bei einer Luftleitung jede bedeutendere Unregelmäßigkeit beim ersten Blick bemerkt und sie mit verhältnißmäßig geringer Mühe beseitigen kann, erfordert dies bei submarinen noch mehr als bei unterirdischen und Flußkabeln sorgfältige, oft nicht leichte Berechnungen und verwickelte Operationen. Hat man aber glücklich die Fehlerstelle in Händen und wechselt das fehlerhafte Kabelstück gegen ein fehlerfreies aus, so ist sehr oft die Löth- oder Splißstelle wieder eine neue Fehlerquelle geworden. Letzteres gilt überhaupt von allen Verbindungsstellen ober- oder unterirdischer Leitungen, weil der metallische Contact sich fast nie so innig herstellen läßt, als er bei einer aus einem Stück bestehenden Leitung vorhanden sein würde. Deshalb wird auch auf die Verbindungen z. B. von ober- mit unterirdischen Leitungen die größte Sorgfalt verwendet, ohne daß man dabei Isolationsfehler absolut vermeiden könnte.

Am empfindlichsten gegen jede Stromschwankung ist der Typendrucktelegraph von Hughes, weil in Folge derselben einzelne Theile des Apparates weniger präcis arbeiten und mithin ganz falsche Zeichen gedruckt werden, während der Schreibapparat von Morse durch solche kleine Unregelmäßigkeiten sich nicht so leicht beirren läßt.

Welche unvorhergesehene Gefahren der telegraphischen Correspondenz drohen, lehrt folgendes Beispiel: Auf einer größern Station waren eines Morgens sämmtliche Leitungen in Berührung mit der Erde; eine Untersuchung stellte fest, daß die Fehlerstelle innerhalb der unterirdischen Stadtleitung zu finden sei. Man grub nach und fand, daß die Kupferdrähte an einer Stelle ihrer Guttaperchahülle völlig entkleidet waren durch heißes Wasser, welches aus einer Fabrik von Rechtswegen in einer eisernen Röhre, ziemlich tief unter dem Kabel, hätte durchströmen sollen, einen Riß in der Röhre aber dazu benutzt hatte, der Telegraphenverwaltung diesen Schabernack zu spielen.

Aehnliches ist in anhaltend heißen Sommern vorgekommen in den früher verwendeten eisernen Kasten, in welche unterirdische und Flußkabel behufs Verbindung mit den oberirdischen Leitungen geführt wurden. Das Eisen, als guter Wärmeleiter, theilte die äußere Hitze dem Innern mit, und das verursachte ein Abschmelzen der Guttapercha von den Kupferdrähten, wodurch diese unter sich in Contact kamen. Jetzt fertigt man diese sogenannten Ueberführungssäulen aus Holz, wodurch der eben berührte Uebelstand vermieden wird.

Aus dem bisher Gesagten dürfte erhellen, daß im Ganzen die Luftleitungen wegen der Nothwendigkeit zahlreicher Stützpunkte für den Draht bedeutend schwerer gut zu isoliren sind als die unter Erde und Wasser geführten, daß aber etwaige Fehler, deren Vorkommen niemals absolut zu vermeiden sein wird, bei letzteren weit schwieriger aufzufinden und mit größeren Kosten zu beseitigen sind als bei ersteren, abgesehen von dem höheren Herstellungspreis. Man zieht es aber vor, sichtbare Feinde zu bekämpfen, seien sie auch zahlreicher, als unsichtbare, denen so äußerst schwer beizukommen ist, und in Anbetracht dessen dürfte es wohl für die nächste Zeit bei der allgemeinen Verwendung oberirdischer und ausnahmsweisen Construction unterirdischer Leitungen sein Bewenden haben.

Nun haben wir zwar bisher schon zahlreiche Feinde des galvanischen Stromes und mithin der telegraphischen Correspondenz kennen gelernt – möge es nur die Erde, unsere größte Wohlthäterin, die uns netto die Hälfte aller Telegraphenleitungen erspart, verzeihen, daß ich sie in mancher Beziehung mit dazu gerechnet habe! –, aber den gefährlichsten Feind habe ich noch gar nicht erwähnt; er ist so aller Tücken und Ränke voll, und seine Feindseligkeiten sind so verschiedenartig, daß wir ihm vielleicht später ein besonderes Capitel widmen werden: es ist die statische oder Reibungselektricität.




Ein Gang durch Meiningen.


Eine unserer kleinen thüringischen Residenzen, die seit Jahren im fleißigen Aufraffen aus alten Zuständen begriffen war, ist mitten in diesem redlichen Streben von einem furchtbaren Verhängnisse ergriffen und in Tausenden ihrer Bürger auf Jahre zurückgeworfen worden: vom Kern der Residenzstadt Meiningen liegt das gewerbfleißigste Dritttheil, die Heimstätte von dritthalbtausend Menschen, in Asche.

Auf drei Millionen Gulden wird allein der Verlust an Wohnhäusern, Seiten- und Hintergebäuden geschätzt. Ein Katastercontroleur berichtet uns, daß die Gesammtzahl aller dieser Häuser und Nebengebäude, Scheunen, Schuppen, Ställe etc. fast sechshundert erreiche; die Summe der verbrannten Wohnhäuser giebt der Meininger Magistrat zu zweihundertsiebenzehn Hausnummern an. Und da die Versicherungsanstalten kaum viel mehr als ein Dritttheil der Verlustsumme decken werden – denn viele der älteren Häuser in den engen Gassen waren unversichert –, so ist es offenbar, daß nicht die Stadt, nicht das Herzogthum, ja nicht die Thüringer Ländchen zusammen, die schon durch die vielbeklagte Vertheilung der Reichslasten unmäßig bedrückt sind, hier allein Hülfe schaffen können. Deshalb wird hier die allgemeine Hülfe zur Pflicht, und daß diese Pflicht in Deutschland gefühlt wird, dafür spricht die Rührigkeit, mit welcher man von allen Seiten mit den Gaben der Liebe herbeieilt.

Ein Unglück dieser Art ist nicht mit Zahlen zu bemessen, sondern nach der Schwierigkeit für die Betroffenen, sich wieder aufzuraffen. Städte wie Hamburg oder Chicago, deren Lage schon eine Reichthumsquelle ist, lassen nach wenigen Jahren, spätestens nach Jahrzehnten keine Spur ihrer Riesenfeuersbrünste mehr bemerken, während unsere kleinen, auf geringe Hülfsmittel der Natur angewiesenen Städte die Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges noch heute nicht ganz verwunden haben. Als die Eisenbahn die Städte des Werrathals an den Weltverkehr heranzog, hatte Meiningen die Einwohnerzahl noch nicht wieder erreicht, zu welcher es sich in der Blüthezeit seines Gewerbefleißes vom Ende des Mittelalters bis etwa 1630 emporgeschwungen hatte. Die Barchentweberei war damals seine ergiebigste Einnahmequelle gewesen. Aus Schutt und Trümmern erhob es sich wieder, aber jeder neue Krieg zehrte das schwer Errungene wieder auf, bis endlich die neue Zeit die alten Hemmschuhe des Fortschritts zerbrach und zu neuen Hoffnungen belebte, die nun wieder einen Stoß erlitten haben.

Jedenfalls hat die Stadt in diesem Augenblicke so viel Theilnahme auf sich gezogen, daß unsere Leser, namentlich in entfernteren Kreisen, gern uns auf einem Gange dahin folgen werden.

Da, wo die Werra aus ihrer bis dahin vorherrschend westlichen Richtung in die rein nördliche umbiegt, liegt in einem engen Thale, wie in einem vom üppigsten Wiesen- und Baumgrün geschmückten Garten, die uralte Stadt. Kaiser Heinrich der Erste war es, der ihr den ersten Mauergürtel umlegte, und desselben Namens der Zweite schenkte ihr die zwei Thürme ihrer Stadtkirche, deren Grundfesten heute noch stehen. Meiningen wird wohl bald sein tausendjähriges Stadtjubiläum feiern können.

Der Ort war offenbar auf einem „durch Bergzüge und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 627. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_627.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)