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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Marktstraße auf den Markt und nehmen an der nordwestlichen Ecke der Stadtkirche, die frei auf der untern Hälfte der östlichen Seite desselben steht, festen Stand. Hier sehen wir in der Mitte zwischen der Kirche und der nördlichen Markthäuserfronte den Marktbrunnen, von einem Kranze von Akazien schön umgeben; die westliche Seite schmücken das große Landschaftsgebäude (Ort der Landtagssitzungen) und daneben das stattliche alte, mit dreizehn Erkern und gothischem Schmucke verzierte Rathhaus. Zur Linken desselben öffnet sich die Schlundgasse, welche zur (oben bereits genannten) langen Gasse führt; eine Apotheke bildet ihr Eckhaus nach der Marktseite. Dem Chore der Kirche gegenüber mündet östlich die Caplaneigasse auf den Markt, im nordöstlichen Winkel des Marktes gehen nach Osten die Salzmannsgasse, nach Norden die lange Schuhgasse aus, mit welcher parallellaufend uns gegenüber die untere Marktstraße sich ausdehnt, während im nordwestlichen Winkel des Marktes die Metzengasse beginnt und sich westlich zur langen Gasse hinzieht.

Der Markt wie die beiden Marktstraßen gewähren den wohlthuenden Anblick mittelstädtischer Wohlhabenheit, denn hier stehen, außer den genannten und anderen öffentlichen Gebäuden, die großen Geschäftshäuser der Kaufmannschaft, Kaufläden, Buchhandlungen, Apotheken, Gasthöfe und die ansehnlichsten Privathäuser; dagegen umfaßt der ganze große Complex östlich von der untern Marktstraße und nördlich von der Salzmannsgasse die Hunderte von kleineren Häusern, nach denen Alles drängt, was auf billige Wohnung halten muß. Hier wohnt der kleine Handwerker, welcher seine Werkstatt wo möglich in der Familienstube haben kann, und der Bauhandwerker, welcher früh auf die Arbeit geht, dem die Frau oder ein größeres Kind das Mittagsessen im Henkeltopf zur Werkstelle trägt, und der erst wieder am Abend des Anblicks der Seinigen froh wird. Hier wohnen Hunderte, denen Stube, Kammer und Küche das gesammte Hab und Gut birgt, Handarbeiter, Eisenbahnbedienstete, Lehrer, Zöglinge der verschiedenen höheren Schulen, Subalternbeamte, Briefträger etc. Wer von diesen Allen kann an die Versicherung seines Mobiliars etc. denken? Und doch verlieren sie Alles, wenn sie Das verlieren, was ihr Stübchen birgt. Und dieses Schreckensbild thut sich nun vor uns auf.

In der zweiten Hälfte der nördlichen Seite der Schlundgasse, nach der langen Gasse hin, brach am Sonnabend, den 5. September, spät Nachmittags zwischen vier und fünf Uhr in einem Bäckerhause das Feuer aus – und ergriff sofort eine danebenstehende und von unten bis oben gefüllte Scheune. Diese furchtbare Brandstoffmasse entfaltete im Nu eine Flamme, welche die Hintergebäude des Rathhauses und des Landschaftshauses ansteckte und so mit einem Schlag die Lohe bis zum Markte trug. Die tüchtige Meininger Feuerwehr stand anfangs allein im Kampf gegen das Feuer, das schon bis zur Metzengasse Herr war, ehe die nächste Nachbarhülfe herbeikam.

Noch hielt man sich jenseits des Marktes und im ganzen Nordosten der Alstadt für sicher, und Alles half, wo es konnte. Vor Allem wurden die werthvollen Sachen, Archiv- und Actenstücke aus Rath- und Landschaftshaus nach der andern Seite des Marktes in die Häuser zwischen der Salzmanns- und Caplaneigasse geborgen und auch anderes geflüchtete Gut dort und auf dem Markt niedergelegt. Aber während der Telegraph nach allen Seiten hinaus Hülfe rief und Extrazüge der Eisenbahnen die Feuerwehren der Werrastädte von Coburg bis Eisenach in stürmischer Hast herbeitrugen, hatte das Flugfeuer schon drei Straßen übersprungen und hinter einem Eckhause der engen Metzengasse seine ausgiebigste Nahrung gefunden: die ebenfalls vollgefüllten Scheunen und Stallungen der Hofmetzgerei.

Bis zu diesem Augenblicke wäre es für die Bewohner des nordöstlichen Stadttheils noch möglich gewesen, ihre fahrende Habe zu retten. Aber noch immer hielt man sich dort für sicher, bis das neue Flugfeuer seinen vernichtenden Lauf begann. Viele dort wohnende Beamte halfen eifrigst und völlig unbesorgt um das Ihre in ihren Bureaux mit bergen, während ihre Wohnungen schon in hellen Flammen standen; ja, es kam vor, daß die Leute zum Fenster heraus nach dem Stand des Feuers fragten, indeß ihnen das Dach über den Köpfen zu brennen anfing. Denn als nun jene Scheunen aufloderten, hatte die Gluth längst den Südwestwind, der das Verderben weiter tragen sollte, zum Sturm verwandelt, der Feuerregen fegte über die Dächer dahin, und wo er ein offenes Bodenloch fand, da fand er auch neue Nahrung, sodaß das Feuer bald allwärts wie vom Himmel zu fallen schien. Da machte die Sorglosigkeit plötzlich der gräßlichsten Verwirrung Platz, und es begann die allgemeine Flucht mit dem Einzigen, was noch zu retten war: mit dem nackten Leben.

Jede Vorausberechnung verhöhnend, sprang das Feuer nicht nur aus der Metzengasse zur linken und von da sofort zur rechten Seite der untern Marktstraße, sondern über den breiten Markt hinüber zu den so sicher geglaubten Häusern der östlichen Marktseite, und nicht nur alles auf den Markt gerettete Gut, sondern all die aus dem Rath- und Landschaftshause geborgenen, zum Theil unersetzlichen Schätze an Urkunden und anderen landes- und stadtgeschichtlichen Kunst- und Werthsachen gingen vollständig zu Grunde. Und als nun auch die nördliche Häuserreihe der Salzmannsgasse aufleuchtete, stand der Verheerungsweg in den Nordost-Stadttheil offen und war dessen Schicksal besiegelt.

Von da an konnte es für die herbeigeeilten Feuerwehren der Werrabahn-Städte von Coburg bis Eisenach nur noch gelten, das wüthende Element auf den Herd zu beschränken, den es sich erobert hatte, ein Kampf, den sie mit echtem Heldentrotze bestanden. Und welchem Feinde waren sie gegenüber gestellt! So intensiv war die Hitze des sturmdurchwühlten Flammenmeers, daß dreistöckige Häuser zu reinen Aschenhaufen zusammengefressen wurden, aus deren Mitte die Schornsteine als schauerliche Denksäulen emporragten.

Das sind die Schlachten, die das Verhängniß der Bürgerwohlfahrt liefert: alle Schrecken des Kriegs mitten im Frieden. Schwerlich haben die „Zweiunddreißiger“, das Regiment des Landes, auf allen Zügen der „zweiundzwanzigsten Division“, von Wörth bis Sedan und von Orléans bis Le Mans, eine wildere Verwüstung vor Augen gehabt, als ihre Garnisonstadt sie ihnen zeigt – jetzt nach ihrer Heimkehr von den Manövern.

Ja, es ist ein Stück Krieg des Schicksals, und so wird die Kriegsentschädigung aus den treuen Händen des in Kampf und Sieg geeinten deutschen Volkes auch hier nicht fehlen. Und wer jenseits der Meere mit uns sich des neuen deutschen Reiches freut, wird das deutschgebliebene Herz auch für diese Kriegsgeschädigten sprechen lassen. Wohl hat die schamlose Feder eines deutschen Correspondenten in amerikanischen Zeitungen die Deutschen als „fechtende Handwerksbursche“ beschimpft, „die überall nur bettelten und nie selber gäben“; diese Lüge ist zu offenbar, um Männer zu täuschen. Diese werden stets Den verachten, der seine eigene Nation schmäht, und eine Nation achten, die sich so, wie die deutsche, die Achtung der Welt errungen hat.

Friedrich Hofmann.




Bei den Fjeldlappen.


Nordisches Culturbild, von Dr. P. G. L–tz.[WS 1]

Als man mich im vorigen Jahre nach Norwegen schickte, um die Moose dieses sumpf- und bergreichen Landes für die Herbarien der Mitglieder des Kryptogamischen Reisevereins einzutragen, war das, worauf ich am meisten gespannt war, die Begegnung mit den Lappen.

Wenn für uns das Interessanteste das ist, was von dem, was wir zu sehen gewohnt sind und kennen, am meisten abweicht, so giebt es wohl in Europa nicht leicht ein interessanteres Object als dieses Nomadenvolk der norwegischen Hochgebirge, die biederen Stammverwandten unserer ritterlichen Ungarn.

Auf der Rückfahrt nach dem Süden versäumte ich nicht, den Aufenthalt in Tromsö zu benutzen, um das Lappenlager daselbst zu besuchen. Es liegt im Tromsdale, circa anderthalb Stunden vom Landungsplatze entfernt. Die lange Trockenheit hatte den sonst ziemlich bodenlosen Weg durch den Wald einigermaßen gangbar gemacht, und so war es eine vergnügliche Abendwanderung,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: K. G. L–tz
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 629. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_629.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)