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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Hoffnung gar nicht allzu sicher schien, dachte ich doch: „I, im Stande wärst du schon dazu.“

Und er war’s, der liebe, beste Mann. Fast allabendlich, nach Beendigung von sechs bis sieben Privatstunden, wurden von acht bis zehn Uhr „Läuschen“ geschrieben, harmlose, theils selbsterlebte, theils allbekannte kleine Anekdoten, die er oft schon in heitern Freundeskreisen ergötzlich erzählt hatte.

„Will doch seh’n, Wising, wie sich die Dinger auf dem Papier ausnehmen,“ sagte er dann seelenvergnügt, „und wie sie sich da anhören. Jetzt unterbrich mich aber nicht!“

Ich saß dann am Nebentisch mäuschenstill bei meiner Arbeit, sah, wie die Feder flog, wie er dann und wann mir zunickte,

Reuter’s „Louising“.
Nach der Natur aufgenommen von E. Haertel.

auch wohl murmelte: „nein, so nicht – so ist’s besser,“ und: „das wird Dir gefallen,“ und: „nun hör’ zu! – das Ding ist fertig.“

O, wie ich zuhörte!

„Na, was meinst Du dazu? Gefällt Dir’s?“

„Ach ja, Fritz, besonders der Schluß.“

„Siehst Du, Kind,“ rief er dann, herumspringend und sich vergnügt die Hände reibend, „darauf kommt’s ja eben an; das ist die Pointe, mußt Du wissen. Sonntag les’ ich’s in Thalberg vor (im Freundeskreise); gefällt’s da auch, schreib’ ich ruhig weiter; – hab noch ’ne Menge solcher Dinger am Bändel, und wer weiß, ob ich’s dann nicht noch ’mal drucken lasse.“

„Ja, Fritz – aber die Recensenten! Wenn sie Dich herunterreißen – ich ertrüg’s nicht.“

„I, mein Wising, besser ’ne schlechte Recension, als gar keine. Darum quäle Dich jetzt nur noch nicht!“

Das that ich denn auch nicht, und – welch reines, ungetrübtes Glück umschloß diese stillen Abendarbeitsstunden! Ich glaube, man konnte nicht glücklicher sein, als wir zwei Menschen.

„So! Nach meiner Rechnung wären es jetzt etwa dreihundert Druckseiten – ich geb’ die Dinger heraus,“ sagte er eines Abends.

„Wirklich, Fritz, meinst Du?“

„I, ganz gewiß! Ich wag’s; in Mecklenburg und Pommern wird’s gelesen, vielleicht auch gekauft.“

Eine Anfrage bei Dietze in Anclam ergab, daß der Herr Buchhändler „vielleicht verlegen“ würde, wenn der Autor das Risico trüge; in ähnlichem Sinne lautete die Antwort einer Neubrandenburger Buchhandlung.

„Weißt was, ich geb’s im Selbstverlag heraus,“ erklärte da mein Fritz mit größter Entschiedenheit, „versuchen will ich’s wenigstens; Justizrath Schröder leiht mir zweihundert Thaler zum Druck, und die Kosten werden schon gedeckt; heut Mittag gleich fahr’ ich nach Neubrandenburg zur Druckerei.“ (In Treptow gab’s keine.)

Und so geschah’s.

O, wie ich der Rückkehr harrte! Wie mir das Herz klopfte! aber nicht vor Angst und Furcht vor dem kühnen Schritte, auch nicht vor Recensentenangriff, nein vor lauter Stolz und Erregung: so war’s recht, so mußte er vorgehen. –

„Erschrick nicht, Louising! Ich lass’ gleich zwölfhundert Exemplare abziehen statt der beabsichtigten sechshundert,“ sprach er nach seiner Heimkehr.

„Aber Fritz, Du stürzest uns in Schulden.“

„Nein, Kind, es ist vortheilhafter so – glaub’, ich hab’s mir überlegt.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 651. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_651.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)