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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

noch die üblichen Gänge zu ihren Gespielinnen machen, um ihnen zum Abschiede Kuchen und Torten zu bringen; auch in’s Pfarrhaus, vor dem der Brautführer zuerst den gebräuchlichen Pistolenschuß losknallt.

Nachts schlafen die Traujungfern bei ihrer jungfräulichen Freundin. Am andern Morgen, nach einem den schon theilweise anwesenden Gästen gereichten Frühstücke, begiebt sich der Brautführer mit einer der Brautjungfern, nach dem üblichen Pistolenschusse, wieder in das Pfarrhaus. Er trägt eine Flasche mit Wein, seine Begleiterin einen mit beiden Händen an die Hüfte gestützten Korb mit der „Brautsuppe“, worin ein gewaltiges Stück Rindfleisch liegt, und daneben ein Viertel Weißbrod. Oben auf dem Tische des Korbes liegt das für den Pfarrherrn bestimmte Schnupftuch, in dem sich ein herausragender Stengel Rosmarin befindet. Sie kündigen zugleich an, daß das Brautpaar zur Kirche gerüstet sei. „Möge der Pfarrherr aber zuvor sich das gebrachte Frühstück wohlschmecken lassen,“ sagen sie.

Vorher aber müssen sich die Hochzeitsleute zur bürgerlichen Trauung auf die Mairie begeben. Dieses geschieht nicht in festlicher Tracht, weil man, trotz der Gesetzlichkeit dieses Actes und trotz dessen Wichtigkeit, die kirchliche Trauung bei weitem höher hält.

Die Glocken ertönen bald; der Pfarrer erscheint im Hochzeitshause, um das Brautpaar in die Kirche zu führen. Auf den dreieckigen Hüten und den scharlachrothen Pelzkappen der sämmtlichen männlichen Jugend werden Sträuße künstlicher Blumen und Rosmarin angebracht. Alles ist festlich gekleidet. Die Hochzeiterin und ihre beiden Traujungfern kommen im schwarzen Abendmahlskleide. Nur das bunte Brusttuch mit seinem Gold- und Silberflitter blinkt zwischen dem schwarzen Wamse hervor. Auf dem Haupte trägt die Braut mit allen ihren Gespielinnen ein von Goldflitter verfertigtes Häubchen, das, auf dem Wirbel sitzend, einer goldenen Krone gleichsieht, mit welcher sie die von allen Seiten hinaufgekämmten Haare verbirgt. Um das Kopfstück der Krone wird ein rothes seidenes Band geschlungen, das hinten mit seinen beiden Enden weit über den Rücken hinabwallt. Vorn ist am Fuße der Krone das von bunten Glaskorallen mit feinem Drahte geflochtene Jungfernkrönlein angebracht, welches bis zum Beginn der Stirn reicht.

Nach einer kleinen Anrede des Pfarrers begiebt man sich zur Kirche. Der Bräutigam geht mit dem Pfarrer; dann folgen die beiden Väter, die Taufpathen, die im Elsaß sehr hoch gehalten werden, und die älteren Verwandten, alle in schwarzen Leibröcken mit scharlachenem Brusttuche und dem dreieckigen Filzhute, der am Kopfende mit einer breiten dicken Schnur umgeben ist. Dann kommen die Bursche in hellerer Kleidung mit Sträußen auf den Hüten. Darauf folgt der Brautführer mit der Braut, der sich unmittelbar die Traujungfern, die Mädchen und Weiber paarweise anschließen.

Frisch und lieblich in der so reichen Tracht geht der Hochzeitszug unter dem Läuten der Glocken in das Gotteshaus. Auf dem Kirchhofe stehen junge Bursche des Dorfes, die beim Herannahen des Zuges sich mit ihren Flinten und Pistolen in Bereitschaft setzen. Eine Salve ertönt zuerst zu Ehren des Hochzeiters. Wenn aber die Braut kommt, dann kracht es erst gewaltig, also daß die Weibsleute erschrecken und furchtsam auseinander stieben, woran die jungen Bursche große Freude haben.

Innen an der Kirchthür stehen die Hirtenweiber des Dorfes. Sie harren auf die Braut und wollen sie nicht eher einlassen, als bis der Brautführer ihnen für die Braut den gebührenden Einstand entrichtet hat. Denn die jungen Eheleute sollen ja jetzt ein eigenes Haus bilden. Während der Mann schon im Felde „zackert“, läßt ja die Frau auf das Zeichen des schallenden Hirtenhorns und das schrillende Pfeifen des Schäfers das ihnen von den Eltern geschenkte Vieh auf die Weide; somit mahnen die Hirtinnen durch einen kurzen Spruch an den ihnen gebührenden Tribut.

Der Brautführer löst die ihm anvertraute Braut durch ein Stück Silbergeld, und der Weg in die Kirche steht offen.

Wir übergehen die jetzt stattfindenden religiösen Gebräuche. Nach Gesang und Predigt folgt, wie überall, die kirchliche Einsegnung. In dem Augenblicke, wo der Bräutigam der Braut den Trauring an den Finger steckt und die Seegensworte über den Ehebund gesprochen werden, wird draußen vor der Kirche wieder eine donnernde Gewehrsalve abgefeuert. Bald ist die Feier zu Ende. Unter einem lebhaften Marsche, den der Herr Schulmeister von der Orgel spielt, tritt die Festgesellschaft in derselben Ordnung, wie sie gekommen, aus der Kirche. Dieselben Ehrenschüsse erschallen wieder. Jetzt treten vor dem Kirchhofe vier bis fünf Musikanten heran und eröffnen mit schallender Musik den Festzug, der dem Hochzeitshause zugeht.

Bevor der „Hochzeitimbs“ beginnt, erhalten die Männer des Dorfes, in deren Stand der Neuvermählte eintritt, einen Ohm Wein mit einigen Laiben Weißbrod als Einstand. Das Nämliche erhalten ihrerseits die ledigen Bursche, von denen der Bräutigam scheidet. Die Gaben, welche die Männer und die Burschen von dem Hochzeiter empfangen, genießen sie nicht im Hochzeitshause, sondern von einander abgesondert, ja in einer beliebigen Wohnung eines der Empfänger, oder im Wirthshause.

Auch die Armen und Kranken werden nicht vergessen: sie erhalten Jeder eine Portion Suppe, Fleisch und Brod. Sogar die Kinder des Dorfes, reich wie arm, stellen sich an der Thür des Hochzeitshauses ein, um das übliche Fleisch und Brod zu holen. So nimmt fast die ganze Gemeinde an der Freude Theil.

Es ist leicht begreiflich, welche Massen von Speisen und Getränken eine solche Hochzeit kostet, wo, neben den besonderen Gaben, zehn bis sechszehn Tische voll Gäste wenigstens drei Tage lang und noch länger sollen vollständig genährt und getränkt werden. Ich habe mir sagen lassen, daß eine Hochzeit achthundert bis zwölfhundert Pfund Fleisch verschiedener Art kostet, sowie zwölf bis achtzehn Hektoliter Weizen. Wenn der Wein geräth, so fließt er in Strömen. Es werden sechs bis zwölf Hektoliter (zwölf bis vierundzwanzig Ohmen) getrunken und verschenkt. Und doch ist bei solchen Gelagen über Unfug selten zu klagen.

Wenn es an das Essen geht, so ziehen die Mannsleute ihre Sonntagsröcke aus, legen die Hüte bei Seite, nehmen die mit Marder- oder Iltispelzen besetzten rothen Mützen, Kappen genannt, hervor, ziehen kurze, auf beiden Seiten mit einer Reihe heller Knöpfe besetzte Wämser an und binden um ihre Lenden ein weißes, bis auf die Kniee gehendes, unten mit Spitzen besetztes weißleinenes Schürzlein. Auch der Hochzeiter und der Brautführer wechseln ihre Costüme. Sie müssen in den Häusern noch einmal die Gäste herbeiladen. Letztere kommen außerordentlich langsam daher. Es wird als ein Zeichen von Frechheit und Heißhunger angesehen, wenn man sich im Gehen nur ein wenig beeilt. Der weibliche Theil der Gäste hat sich in helle Farben, grün, blau, roth gekleidet. Das Wams wird ausgezogen und selbst die Kälte hindert die Weibsleute nicht, hemdärmelig, wie sie sagen, zum Mahle zu erscheinen. Die Mädchen tragen jetzt blendend weiße leinene Fürtücher oder Schürzen.

Nun geht’s nach langem Warten und Complimentiren zum Essen. Es dauert lange, bis alle Gäste an ihrem Platze sitzen. Keiner will der Erste sein, und doch schreibt eine gewisse Etiquette Allen ihre Platze vor. Die Hochzeiterin sitzt am Ehrentisch, zwischen den beiden Traujungfern; der Hochzeiter darf, so ist es der Gebrauch, sich nicht zu Tische setzen, sondern er hilft mit dem Brautführer zum Theil aufwarten, zum Theil wandelt er von einem Tische zum andern, um den Gästen zuzutrinken und sich auf seine Gesundheit zutrinken zu lassen.

Soll ich die Gerichte alle aufzählen, die auf den Tischen in ziemlich langen Zwischenräumen erscheinen, um das Mahl recht lange auszudehnen und Jedem Zeit und Muße zum Essen zu lassen? Fleischsuppe, ungeheure Stücke Rindfleisch, die nur vor dem wackeren Appetite der Schmausenden weichen, gewaltige Schüsseln mit Sauerkraut oder Spinat, auf dem bedeutende Stücke Schweinefleisch, umwunden mit Bratwürsten, ruhen; wohlschmeckende Markklöße. Dann kommen die Pasteten, junges Kalbfleisch oder Geflügel enthaltend, allerlei Fleisch in einer Sauce, welch’ letztere die Bauern besonders mit Brodschnitten auszutrinken lieben, wenn sie des Fleisches müde sind; mächtige Kalbs- und Schweinebraten mit Salat.

Wenn die Eßlust gestillt ist, und der Pfarrer sich wegbegeben hat, dann wird die Jugend lebendiger; die Musik läßt sich hören. Und bald geht es zur Tanzstube, wo sich auch nach und nach die nicht eingeladene männliche und weibliche Jugend einfindet.

Jetzt führt auch der Bräutigam die Braut zum Tanze. Die Musik geht voran. Der Brautführer hat die zwei Brautjungfern am Arme; die gesammte Jugend folgt. Jeder junge

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 661. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_661.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)