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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Nun kommt weiter nach Westen der Theil der Erde (auf der Karte weiß gelassen), wo der ganze Durchgang sichtbar ist; also ein großer Theil von Sibirien und China, ganz Japan, zwei Drittel des großen Oceans, ganz Australien und der indische Ocean, sowie die südlich davon gelegenen, leider bis auf wenige Inseln unzugänglichen Gegenden der Erde. Hier trifft man auf die meisten Stationen; die Erscheinung findet um die Mittagsstunden des 9. December nach dortiger Zeitrechnung statt. Weiter nach West vorschreitend gelangen wir zu den Gegenden, die nur den Austritt wahrnehmen (auf der Karte wieder nur einfach schraffirt). Bei den Orten der rechten östlichen Grenzlinie dieses Theils geht die Sonne gerade auf, wenn die Venus eintritt; diese, wie Madagaskar z. B., sehen also fast den ganzen Verlauf; bei den Orten der linken westlichen Grenzlinie dagegen ist Sonnenaufgang, wenn Venus austritt; sie sehen also so gut wie nichts. In diesem Theile liegt der größte, südliche und östliche Theil von Afrika, das westliche Asien, das südöstliche Europa. Bei uns in Deutschland, wie im ganzen westlichen Europa, ferner in ganz Amerika, ist die Erscheinung nicht sichtbar, d. h. die Sonne in der Nacht vom 8. zum 9. December unter dem Horizont, während Venus die Sonnenscheibe passirt.

Die Zahl der Beobachtungsstationen, welche von den verschiedenen Nationen besetzt werden, übersteigt die Zahl sechszig; alphabetisch geordnet besetzen nämlich: die Amerikaner (A auf der Karte) acht Stationen, zwei auf den Inseln des östlichen und südlichen großen Oceans, zwei in Australien, zwei auf den Inseln des südlichen indischen Oceans, zwei (oder drei) in Sibirien (China) und Japan; die Deutschen (Namen auf der Karte ausgeschrieben) fünf Stationen im südlichen großen, südlichen und westlichen indischen Ocean, Persien und China; die Engländer (E) fünf Stationen auf Kosten der Regierung, eine (in Mauritius) auf Kosten eines reichen Privatmannes, des Lord Lindsay; außerdem betheiligen sich noch die Colonialsternwarten in Sidney, Melbourne, Madras und am Cap der guten Hoffnung. Die Franzosen (F) haben sechs Stationen gewählt; die Holländer (H) zwei Stationen (Java und Insel Réunion); die Italiener (I) eine in Indien; die Portugiesen (P) eine in China; endlich die Russen (R) nicht weniger als dreißig Stationen, davon die meisten im östlichen europäischen Rußland und in Sibirien. –

Die fünf Stationen des deutschen Reiches sind mit allem Nothwendigen an Instrumenten und Geräthschaften aller Art auf das Reichlichste ausgerüstet und die Beobachter schon seit Monaten auf das Sorgfältigste an ihren Instrumenten eingeübt. Jede Expedition erhält ein transportables kleines Observatorium, versehen mit den verschiedensten astronomischen, physikalischen und meteorologischen Instrumenten für den speciellen Zweck des Venus-Durchgangs wie für andere astronomische und physikalische Beobachtungen; drei Stationen sind vollständig für die Beobachtung des Durchgangs ausgerüstet, mit Heliometer, photographischem Fernrohre und Fernrohr zur Beobachtung des Ein- und Austritts, Uhren etc.; es sind dies die Kerguelen (unter Dr. Börgen’s Leitung), die Aucklandsinseln (Dr. Seeliger) und Tschifu in China (Dr. Valentiner); bei der Expedition nach Mauritius (DDr. Löw und Pechüle) fehlt das photographische Fernrohr, bei der nach Ispahan (DDr. Fritsch und Becker) das Heliometer. –

Schließlich mögen noch einige der wichtigsten Zahlenangaben hier Platz finden. Bezogen auf den ersten Meridian von Greenwich und für den Mittelpunkt der Erde, findet die erste Berührung der Venus mit dem Sonnenrande beim Eintritte am 9. December früh 1 Uhr 46 Minuten statt, die letzte beim Austritte früh 6 Uhr 27 Minuten; die ganze Dauer des Durchgangs ist demnach für den Erdmittelpunkt 4 Stunden 41 Minuten; der geringste Abstand der Mittelpunkte beider Gestirne ist dabei 13′ 47″; der scheinbare Durchmesser der Venus 1′ 4″, derjenige der Sonne 32′ 32″. Für die einzelnen Beobachtungsorte fallen die Zeiten des Ein- und Austritts je nach ihrer Lage (Länge gegen Greenwich) sehr verschieden aus, wie aus dem folgenden Täfelchen zu ersehen ist:


    Ortszeit des Dauer des
 Ort.   Datum.  Eintritts. Austritts. Durchgangs.
Honolulu  Dec. 8  3  Uhr  5  M.  Nchm. 
Sydney 9   11 52 Vorm.  4  Uhr  25  M.  Nchm.  4  St. 33  M.
Nertschinsk 9 41 2 32  4 51
Madras 7 12  11 53  Vorm.   4 41
Kerguelen 6 32 10 59  4 27
Cap. d. g. H.  7 40


Die Differenz der Durchgangsdauer beträgt also z. B. zwischen Nertschinsk in Sibirien und den Kerguelen etwa 24 Minuten. Ebenso sind die Beschleunigungen und Verzögerungen der Ein- und Austritte gegen die Zeiten des Ein- und Austritts für den Erdmittelpunkt verschieden; ein Beobachter in 226° östlicher Länge von Greenwich und in 35° nördlicher Breite würde z. B. den Eintritt der Venus über 10 Minuten früher als ein Beobachter im Erdmittelpunkte wahrnehmen, ein Beobachter in 39° östlicher Länge und 39° südlicher Breite dagegen denselben nahe 11 Minuten später; die Differenz der Zeiten des Eintritts wäre also beinahe 21 Minuten und analog dann bei den Austritten.




Jakobine Maurer, die deutsche „Christusin“ in Brasilien.
II.


Endlich kommt die ersehnte Kunde von dem vollständigen Siege über die Mucker, die mit feuriger Begeisterung, man möchte sagen mit Fanatismus, fochten und ihn den Gegnern theuer genug erkaufen machten. Das Terrain und die Position waren den Aufständischen so günstig, wie nur denkbar; hinter den dicken steinernen Mauern eines Hauses, das von der einen Seite durch steile Felsen geschützt ist, dem außerdem der dichte Urwald und verschiedene Sümpfe als Deckung gegen den Feind dienen, kann sich eine kleine Schaar lange Zeit gegen eine fast erdrückende Uebermacht vertheidigen, selbst wenn diese mehr eine Elitetruppe ist, als sich das von der brasilianischen Linie behaupten läßt, welche aus zusammengelesenen gepreßten Soldaten besteht, die weder von Heldenmuth noch von Begeisterung beseelt sind, gegen deren Tapferkeit und Ehrlichkeit sogar bedeutende Zweifel erhoben werden, die durch ihr Verhalten auf dem Leonerhofe nur zu sehr gerechtfertigt wurden. Gar manche der für die Mucker bestimmten Kugeln tödteten die Schweine der Colonisten, von welchen Letzteren Viele an der Seite der Soldaten fochten. Die Hühner fanden in ihnen lebhafte Verfolger, und bei ihrer Rückkehr nach Sao Leopoldo waren viele der Krieger mit solch befiederter Beute beladen.

Am 19. Juli 1874 fand der erste Angriffskampf der Soldaten gegen die Mucker statt, der von Morgens sieben Uhr bis etwa elf Uhr währte, wobei, durch eine Granate entzündet, das Maurer’sche Haus in Flammen aufging, in denen verschiedene Sectirer ihren Tod fanden, nachdem bereits neun Männer und vier Frauen erschossen worden waren und die Uebrigen sich in den Wald geflüchtet hatten.

Hierbei möchte ich nachträglich berichten, daß das Maurer’sche Haus wirklich eine Thür hatte, deren Existenz von den Zeitungen bisher verleugnet worden; auch die Form des Gebäudes hat sich als eine ganz gewöhnliche herausgestellt, während die dicken Steinmauern sich als Wirklichkeit bewährten.

Die Kanonen kamen wenig in Anwendung, da sie durch ungeschickte Bedienung bald untauglich wurden. Auf Seiten des Militärs blieben etwa vierzig Mann todt und verwundet bei diesem Kampfe, der sich aber am folgenden Tage gegen Morgen erneuerte, indem die Mucker vom Walde aus ein lebhaftes Feuer gegen die Soldaten eröffneten, wobei leider der tapfere Oberst Genuino seinen Tod fand.

Die Zeitungen geben die Zahl der streitbaren Männer bei den Muckern vor Beginn dieser Kämpfe auf etwa siebzig an; es stritten aber nicht blos die Männer, sondern auch die Weiber und Kinder. Eine siebzigjährige Frau z. B. hatte bereits mehrere Soldaten erschossen, ehe sie selbst schwer verwundet zusammenbrach; aber noch war ihre Kampfeslust nicht erloschen: sie zog einen Revolver, den sie verborgen gehalten, hervor und verwundete noch mehrere Mann. Mädchen von zehn bis zwölf

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 696. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_696.jpg&oldid=- (Version vom 6.4.2024)