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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Von einem Gelehrten und Freunde der Sprachkunde wandte er sich zum andern, Jeden um weitere Adressen für seinen Zweck ersuchend, und Jahre lang verfolgte er so denselben mit dem unermüdlichsten Sammeleifer, wie er vor allen dem Holländer und dem ihm in so manchen Zügen verwandten Engländer eigen ist. Und so ist sein rastloses Streben denn auch mit dem schönsten Erfolg gekrönt, und wir haben so ein Werk durch ihn erhalten, welches jenes Capitel in nicht weniger als hundertachtundsechszig niederdeutschen Mundarten wiedergiebt, jedes derselben begleitet und erläutert durch Anmerkungen und Vergleichungen; eine Arbeit, für die unser norddeutsches Volk ihm zu aufrichtigem Danke verpflichtet ist. Namentlich aber begrüßen wir es als lebendigen und thatsächlichen Ausdruck echter Stammesangehörigkeit, der sich auch schon in der Vorrede auf’s Deutlichste kund giebt.

Aber einen noch viel klareren Einblick in die politischen Sympathien Hollands gewährt uns ein Brief von daher. Mit besonderer Bezugnahme auf die Gartenlaube ward er jüngst an den Schreiber dieser Zeilen gerichtet, der es nicht unterlassen will, ihn hier theilweise zu veröffentlichen, theils seines Inhalts, theils aber auch des wohlthuend treuherzigen und reizvoll naiven Tones wegen, den sein wackerer, aber des Deutschen nur mangelhaft kundiger Verfasser darin anschlägt. –

„Ich kann nicht anders,“ schreibt er, „lieber Herr, ich muß Ihnen schreiben, um einen Irrthum aufzuklären, in dem Sie befangen sind.

In Ihrem letzten Briefe nämlich steht Folgendes:

‚Ist es doch wahrhaft betrübend, daß in Holland sich eher eine Abneigung als Hinneigung zum großen, nahen und stammverwandten Bruderlande zeigt und die Sympathie so Vieler dort sich lieber dem eitlen und wankelmüthigen Franzosenvolke zuwenden.‘ –

Ach, lieber Landsmann! (denn Sie sind gerade so ein guter Friese wie ich selber bin) das ist unwahr. So ist die Gesinnung unseres Volkes durchaus nicht. Gerade das Gegentheil ist wahr. Freilich wundert es mich nicht, daß Sie so denken, denn wir wissen nur zu gut, daß die Deutschen größtentheils das meinen. Ach, und diese Meinung eben hat gerade schon viel böses Blut gemacht, hüben wie drüben. Die Sache aber verhält sich so (daß ich die reine Wahrheit sage, weiß Gott): daß das niederländische Volk, ob friesischen, sächsischen oder fränkischen Stammes, rein deutscher Abstammung ist, das weiß hier Jedermann und wir wissen auch, daß Sprache, Sitten etc. alles hier urgermanisch ist, ja in mancher Beziehung reiner als in Deutschland selbst.

Wir fühlen uns Alle Germanen und sind stolz darauf. Daß die Deutschen unsere Brüder sind, das weiß hier auch Jedermann, und unsere Sympathien sind im Großen und Ganzen, sowohl die der höheren wie die der niederen Stände, entschieden mit Deutschland, was auch die ‚Kölnische Zeitung‘ und andere deutsche Blätter behaupten mögen. Nur geht unsere Hinneigung nicht so weit, daß wir annectirt werden möchten. O nein! Niederländer wollen wir sein und bleiben, auch schon, weil wir bessere, das heißt mildere und freiere Gesetze haben, als Sie, und überhaupt in mancher Beziehung besser daran sind; deshalb hat die Furcht während des französischen Krieges, die Furcht, annectirt zu werden, hier Viele dahin gebracht, daß sie gegen Deutschland ungerecht wurden. Dieses war zumal im eigentlichen Holland der Fall; weniger war’s in den anderen Provinzen. Es ist überhaupt ein großer Unterschied zwischen diesen und jenem. Nur unsere wenigen Katholiken darf man nicht mitrechnen; die sind fast Alle ultramontan durch und durch und dem deutschen Reiche nicht freundlich gesinnt. Brabant und Limburg sind namentlich unser rechtes Ultramontanien.

Sie würden sich aber freuen, lieber Landsmann, wenn Sie sähen, wie wir Anderen hier deutsche Wissenschaft und Kunst, deutsche Bildung, Literatur, Sprache und Musik hochschätzen und welch freundliches Begegnen die zahlreichen Deutschen finden, die unter uns wohnen. Freilich, Viele davon sind Westphalen und Niederrheinländer und leider auch ultramontan gesinnt. Diese natürlich finden dieselbe Abneigung wie unsere Katholiken, aber nicht weil es Deutsche, sondern weil es Römische sind.

Wahre Franzosenfreunde aber giebt es gar nicht unter uns; dazu haben wir gerade so wenig Ursache wie unsere deutschen Brüder, denn nichts als Uebles und Modetand verdanken wir den Franzosen. Noch leben Tausende, die das Elend und die Erniedrigung, den Hohn und die Schmach mit durchgemacht haben während der französischen Vergewaltigung. Oder meinen die Deutschen, daß wir so schlechte, entartete Söhne und Enkel wären? Gottlob, nein!

Auch hierher sandte Ludwig der Vierzehnte seinen Louvois, hier zu mordbrennen gleichwie in Eurer Pfalz. Auch uns stahl dieser „Roi soleil“ eine schöne Provinz, ein hochwerthes Theil von Flandern. Und dieses französische Flandern (jetzt Departement du Nord) ist gerade so unser Schmerzenskind, wie es Ihnen so lange das Elsaß war. Nein und wieder nein. Sieben Achtel der Niederländer (Brabant und Limburg natürlich nicht mitgerechnet) sind wahre Freunde der Deutschen und Feinde der Franzosen. Nur an unserm Königshofe ist das leider nicht so. Unser König und die Königin sind ausgemachte Franzosenfreunde, und es hätte wenig gefehlt, so wären wir durch deren Sympathien mit in den groß’n Krieg geschleppt worden, als Verbündete Frankreichs. Das aber hätte dem Könige gewiß seinen Thron gekostet. Vor Allem aber ist die hohe Aristokratie um den Hof herum leider so sehr französisch gesinnt. Aber die Dummheit dieser Leute kann man doch unserm urgermanisch fühlenden Volke nicht anrechnen.

Fast jedes Jahr besuche ich nebst Tausenden meiner Landsleute zu meinem großen Genusse Ihr schönes Vaterland. Da habe ich denn bei so Vielen falsche Ansichten über uns Niederländer gefunden, aber bin nicht müde geworden, sie zu corrigiren. Auch die Feder hat oftmals in meiner Hand gezuckt vor Verlangen, die vielen Unwahrheiten über uns in deutschen Blättern zu widerlegen; aber daß ich kein fehlerfreies Hochdeutsch schreibe, hat mich stets zurückgehalten. Zumal war dies der Fall, als auch sogar die Gartenlaube, das Lieblingsblatt von tausend Niederländern, solche Irrthümer verbeitete (siehe Jahrgang 1874 Seite 137). Darum, lieber Landsmann und Stammgenosse, belehren Sie doch statt meiner Ihre Landsleute durch einen kleinen Aufsatz in jenem Blatte! Ich kann leider kein so gutes Hochdeutsch schreiben, wie ich möchte. Also bitte, thun Sie es für mich! Denn zwischen Brüdern darf keine Unwahrheit sein.“ –

So weit der wackere Holländer. Mit Freuden erfülle ich seinen Wunsch, und nicht besser glaube ich es zu können, als durch Wiedergabe seiner eigenen treuherzigen Worte.

An den Abend in Mailand mußte ich denken, als ich den Brief gelesen hatte. – Mögen denn auch seine Worte mitwirken am großen Werke der Zukunft, dessen Gedanke damals mit ahnungsvoller Begeisterung unsere Herzen erfaßte, an dem herrlichen Werke eines einzigen großen germanischen Völkerbundes zu Schutz und Trutz! Wann erscheint der Tag, da dieser Gedanke zur That wird? –

Hermann Allmers.[WS 1]




Blätter und Blüthen.


Der galvanische Strom als unbesoldeter Nachtwächter. Zu den unschätzbaren Diensten, welche uns der galvanische Strom in der Haus-, Staats- und Welt-Telegraphie, in den schönen und nützlichen Künsten der Metallplattirung und Galvanoplastik, der Heilkunde, Uhren-Regulirung, Sprengtechnik etc. leistet, ist in der Neuzeit die Anstellung desselben als eines niemals schlafbedürftigen, noch zerstreuten oder unaufmerksamen Wärters für allerlei Geschäfte und Bedürfnisse getreten. So ist es z. B. für viele ökonomische und industrielle Zwecke hochwichtig, die Ueberschreitung einer bestimmten Temperatur in einem Raume – sei es ein Brüt- oder Trocken-Ofen, eine Malzdarre, oder eine Bierbrauerei – zu verhüten. Statt nun eine Person zu verpflichten, Tag und Nacht das Thermometer zu beobachten und das Verderben der jungen Küchlein oder der Bierwürze von einem Augenblicke der Unaufmerksamkeit abhängig zu machen, hat man darauf gedacht, dem Thermometer selber die Pflicht aufzulegen, es zu melden, sobald das Quecksilber bedenklich hoch gestiegen ist. Die Sache ist höchst einfach. Um eine elektrische Klingel zum Läuten zu bringen, dazu gehört bekanntlich weiter nichts, als daß man durch einen Druck oder sonstwie die Berührung zweier so lange getrennter Metalltheile bewerkstelligt, durch die dann der Monate und Jahre lang geduldig wartende galvanische Strom seinen Weg nach der beliebig entfernten Läutvorrichtung fortsetzen kann.

Diese metallische Berührung ist nun auf vielerlei Art zu bewerkstelligen. Man denke sich z. B. einen Thermometer mit großem Gefäß und weiterer Röhre, in welcher ein eingeschmolzener Platindraht von oben bis zu dem Punkte der Scala herabsteigt, den die Quecksilberoberfläche niemals überschreiten soll. Jener Draht bildet den einen Endpunkt der elektrischen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. korrigiert, Vorlage: Almers
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 813. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_813.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2019)