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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


gekommen, unerträglich geworden? Aber wie war er zu ändern? Landeck hatte einmal Alles gethan, sie zornig zu machen und gegen ihn zu verbittern. Es hatte sie so tief bewegt, so gerührt, so freudig aufgeregt, daß Landeck ihr hierher gefolgt war, daß er plötzlich unerwartet vor ihr stand, mit all den Erinnerungen und Bildern der schönen Ferne, welche ihrem Herzen so theuer geworden. Und nun hatte er eine solch wunderliche Beflissenheit gehabt, ihr zu versichern, daß es ein bloßer Zufall gewesen, der ihn hierher geführt, ganz ohne sein Zuthun, ganz wider seine Erwartung. … Das hatte ja eigenthümlich unfreundlich gelautet, und der Eifer, womit er es wiederholte und betonte, hatte es zu etwas Demüthigendem und Beleidigendem für sie gemacht, als ob er sagen wollte: bilde Dir nichts ein, eitle, gefallsüchtige Frau! Und diese Deutung seines Bestrebens, ihr zu sagen: ich bilde mir nichts ein, hatte sie tief gekränkt und erzürnt und zu jenem fortwährenden Kriege geführt, den sie vielleicht jetzt endlich gern beendet hätte, ohne doch die rechte Wendung dafür zu finden. Denn als sie jetzt endlich zu sprechen begann, war es ziemlich im alten Tone, worin sie sagte:

„Sie sind sehr schweigsam … weshalb unterhalten Sie mich nicht ein wenig? Wissen Sie, daß ich Sie in Athen viel liebenswürdiger fand? Sie hätten hübsch dableiben sollen.“

„Sie können mir glauben, daß ich das gern genug gethan hätte,“ versetzte er, sich die Lippe beißend.

„Weshalb thaten Sie es denn nicht?“ fragte sie mit einem durch diese Antwort offenbar gereizten Tone.

„Weil ich nicht reich genug dazu war; so mußte ich zurückkehren und fühle hier selbst die Wahrheit des Worts, an das Sie mich mahnen:

‚Im engern Kreis verengert sich der Sinn.‘“

„Ach, das ist es nicht, das ist es gar nicht,“ rief sie mit einem fast heftigen Tone aus. „Ihr Sinn ist nicht enger geworden, sondern ganz anders. Sie haben Ihre Natur verändert, wie Wein, der Essig wird. Wie können die äußeren Umgebungen so auf uns wirken? Ich begreife das nicht. Ich bleibe mir immer treu, werde stets dieselbe sein, ob ich in Griechenland auf der Schwelle eines alten, halbzerstörten Tempels sitze und mich da im Sonnenlichte bade, oder ob ich aus den Fenstern von Haldenwang in den Qualm blicke, der drüben aus den Fabrikessen aufsteigt.“

„Doch wohl nicht ganz so. In der Ferne, wo wir uns freier fühlen, wo die Welt um uns her uns erfüllt, uns glücklich und selbstvertrauender macht, geben wir uns leichter, wärmer, offener den Eindrücken hin und sind also natürlich ‚liebenswürdiger‘, wie Sie es ausdrücken. Das Daheim kürzt dann dem Leichtsinne die Flügel und lehrt uns, in unsere gegenseitigen Stellungen zurückkehren und uns beugen unter die realen Lebensmächte, die uns wieder in die harten Arme nehmen. Unsereins wenigstens. Bei Ihnen ist das freilich etwas Anderes. Sie kennen diese Lebensmächte nicht. …“

„Ach, das ist so kleinmüthig, so philisterhaft. Ein Mann muß sich nicht unter die realen Lebensmächte beugen, ohne mit ihnen zu ringen. Er muß sie sich wenigstens nicht erkältend und verbitternd an sein Gemüth kommen lassen. Und was wissen Sie davon, ob ich diese Mächte kenne oder nicht?“

„Ich meine doch, ihren Druck wenigstens nimmt Herr von Maiwand, der für Alles zu sorgen scheint, Ihnen völlig von der Seele.“

Die junge Frau warf einen prüfenden Seitenblick in Landeck’s Züge, und mit einem Ausdrucke, als ob sie eine plötzliche Entdeckung mache, mit einer gewissen Bosheit sagte sie:

„Das ist wahr. Herr von Maiwand ist unermüdlich darin, mir jede Last und Sorge von den Schultern zu nehmen – er ist ein musterhafter Verwalter.“

„Völlig uneigennützig?“ fragte Landeck spöttisch.

„Glauben Sie es nicht?“ entgegnete sie lächelnd, mit dem grausamen Behagen einer Frau, die eine Eifersucht zu stacheln glaubt. „Aber,“ fuhr sie fort, „lassen wir Herrn von Maiwand. Heute möchte ich, daß Sie mir einen Dienst erwiesen – Sie und nicht er, der trotz seiner Verdienste um mich bei Ihnen nicht in Gnaden zu stehen scheint.“

„Verfügen Sie über mich, gnädige Frau!“

„Aber discret – ich muß wissen, daß Sie meinen Wunsch nicht dem Onkel Gottfried, Ihrem gestrengen Herrn Prinzipal, verrathen.“

„O gewiß nicht,“ versetzte er lächelnd, „ich verrathe überhaupt nichts, nicht einmal Ihnen, was ich über Ihre Art, die Leute zu behandeln, z. B. mich wieder nach Athen senden zu wollen, denke.“

„Ich behandle nur die schlecht, welche es verdienen und mich beleidigen. Prüfen Sie einmal ein wenig Ihr Gewissen! Aber darum handelt es sich ja nicht.“

„Sie verlangten einen Dienst von mir.“

„Ja – weil Sie nun doch einmal ein deutscher Gelehrter sind, das heißt ein Mann, der gerade Alles weiß. Ich möchte über etwas Juristisches Auskunft haben. Nämlich: wenn man einen Notar einen Vertrag aufnehmen läßt und darauf diesen Vertrag, mit allen möglichen Unterschriften und Siegeln darunter, übergeben erhalten hat, ist man dann völlig Herr über solch ein Document und kann es verbrennen oder zerreißen – ist damit die ganze Sache abgethan?“

„Welche Vorstellung!“ gab Landeck zur Antwort. „Werden Sie nicht ungnädig, wenn ich Ihnen sage, daß dies die damenhafteste Auffassung von einem juristischen Geschäft ist, die mir vorgekommen.“

„Nein, nein, durchaus nicht,“ antwortete lebhaft Malwine, „man hat es mich versichert.“

„Man hat es Sie versichert? Wer? Wohl auch eine Dame?“

Sie antwortete auf diese directe Frage nicht, sondern sagte:

„Ich muß Ihnen deutlicher erklären, was ich meine. Sehen Sie da drüben jenseits des Flusses die kleine Meierei? Sie gehört zum Hause Haldenwang. Und nun nehmen Sie an, ich wollte sie meiner getreuen Lini für ihre treuen Dienste schenken. Das würde mir zehn Meilen in der Runde den Ruf einer leichtsinnigen Verschwenderin zuziehen, und man würde sagen, es sei eine Schande, daß mein verstorbener Gemahl ein so schönes Gut in die Hände einer ehemaligen Bühnenprinzessin gegeben habe, die es nun verschleudere. Es wäre also nun nichts anderes zu thun, als daß ich mit der Lini zum Notar ginge und diesen ein Document aufnehmen ließe, worin schwarz auf weiß geschrieben stände, daß ich das kleine Besitzthum der Lini für drei- oder viertausend Thaler, welche sie mir dafür ausgezahlt habe, verkauft hätte.“

„Natürlich ohne daß Ihnen in Wirklichkeit das Geld ausbezahlt wäre,“ sagte Landeck; „gewiß könnten Sie in dieser Form eine solche Schenkung machen, und es kommt das wohl nicht selten vor –“

„Sie hören mich nicht zu Ende,“ unterbrach sie ihn. „Also gesetzt, ich hätte ein solches Document, welches mich vor dem Rufe, eine gewissenlose Verschwenderin zu sein, schützte, anfertigen und mir geben lassen. Und gesetzt nun weiter, nach einiger Zeit ertrüge die gute Lini plötzlich nicht mehr das, was Sie meine Art, die Leute schlecht zu behandeln, nennen. Sie empörte sich gegen mich, würfe mir mein Geschenk vor die Füße, verließe mich auf immer. Würde es dann – das ist, was ich wissen möchte – genügen, daß ich eben das Document zerrisse, und wäre damit die Meierei wieder mein, und Alles durchaus wie vorher? Können Sie es mir sagen? Nein! So gehen Sie, mit einem Juristen darüber zu reden.“

„Aber Herr von Maiwand, wenn er erfährt …“

„Was geht Sie Herr von Maiwand an? Glauben Sie ihm Bericht über meine Worte schuldig zu sein?“

„Seien Sie unbesorgt!“ fiel Landeck ein, „er soll nichts davon erfahren, daß Sie so gnädig mir diese Gelegenheit, Ihnen zu dienen, zugewendet. Ich soll also durch einen Juristen ermitteln, ob in einem solchen Falle, wie Sie mir ihn schilderten, ein ‚Scheinkauf‘, wie die Herren von der Rechtsgelehrsamkeit das nennen, ohne alle weiteren Folgen für Sie bleibt. Ich will Ihnen gründlichen Bescheid darüber einholen, obwohl ich mir denken kann, wie die Antwort ausfallen wird.“

„Und wie denken Sie, daß sie ausfallen wird?“

„Man wird mir sagen: Wenn beide Parteien ehrliche Leute sind, so ist natürlich nachher Alles, wie es vorher war. Anders aber, wenn der Beschenkte nicht ehrlich ist, oder wenn Erben desselben, die nicht ehrlich sind, oder auch den Sachverhalt gar nicht kennen, auftreten. Dann müßten Sie beweisen, daß es

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_043.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)