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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


„Ah, Sie meinen doch nicht diesen Scheinverkauf von Haldenwang, das einzige Mittel, das Ihnen das Gut erhält, wenn Sie sich wieder verheirathen?“

„Ich werde über die Moralität dieser Handlung nicht mit Ihnen streiten. Geben Sie mir zu meiner Beruhigung wenigstens einen Revers!“

„Einen Revers? Worüber?“

„Daß es ein Scheinkauf ist, daß Sie von der Summe, deren Empfang ich in der Urkunde bezeugt habe, nie einen Thaler bezahlt haben und nie bezahlen werden.“

Maiwand sah sie leicht erblassend und groß an. Dann sagte er mit einem Lächeln der Verachtung, das über seine bleichen und markirten, aber nicht unschönen Züge flog:

„Wozu das? Sie können ja Ihren Kaufbrief jeden Augenblick zerreißen. Dazu haben Sie ihn ja in Ihre Schatulle geschlossen.“

„Ich weiß nicht, ob das hinreichen würde; ich kann damit wenigstens nicht das Gedächtniß des Notars und der zwei Zeugen, welche dieser, als er den Act niedergeschrieben hatte, hereinrief, zerreißen; wenn Sie heute sterben, Maiwand, könnte irgend ein Verwandter, der Ihr Erbe wäre, mit diesem Notar und diesen Zeugen kommen und behaupten, Haldenwang sei sein. Auch ist es möglich, daß der Notar eine Abschrift behalten hat. Alles das ist mir eingefallen und macht mir Sorge; geben Sie mir deshalb einen Revers!“

„Wenn Sie wünschen, Malwine, weshalb nicht? – obwohl das eigentlich thöricht von mir ist – bei einer so wankelmüthigen Frau, welche die Hoffnungen, die sie den Männern, welche sie lieben, giebt, so leicht nimmt. Ich thäte besser, mein freilich ganz chimärisches Recht auf Haldenwang zu halten, als ein mir theures Unterpfand meines Anspruchs auf die Hand der Besitzerin.“

„Ihres Anspruchs auf meine Hand? Ah, das ist stark. Bin ich etwa Ihre – Verlobte?“

„Nein. Sie haben mir nicht das Glück gönnen wollen, mich öffentlich so zu nennen. Aber Sie haben alles Ihrige, alle Ihre Angelegenheiten mit einem Vertrauen in meine Hände gelegt, das eine Frau dem Manne, der sie liebt, und der ihr dies deutlich genug an den Tag gelegt, nicht gewährt, wenn sie am Ende nicht seine Verlobte werden will.“

„Wissen Sie das so genau? Doch ich sehe, ich bin wohl sehr unbesonnen gewesen,“ versetzte hart und unwillig Malwine, „es ist mir aber nie, niemals eingefallen, mich binden zu wollen. Sie können überzeugt sein, Herr von Maiwand, daß ich meine Freiheit viel zu hoch schätze, viel zu sehr liebe, um mich überhaupt je wieder zu binden.“

„Ach,“ versetzte Maiwand, überlegen lächelnd, „Sie dachten nicht so, als Sie meinen Rath befolgten, zum Scheine mir Haldenwang zu verkaufen, damit Sie es nicht, sobald Sie sich wieder verheiratheten, an die fromme Stiftung herauszugeben brauchten, der es nach dem Testamente meines Vetters zufallen soll – aber Gottlob nicht zufallen kann, wenn es vorher schon von Ihnen veräußert ist. Damals mußten Sie doch an eine neue Verbindung denken, und gaben mir das Recht, zu denken …“

„Ach,“ unterbrach ihn zornig Malwine, „ich dachte an nichts, das ist ja eben mein Fehler, daß ich mich unbehütet und unbesonnen in all solchen Dingen gehen lasse, vertrauensselig und wie ein Kind. Sie rieten mir, Sie drangen in mich, und ich that, was Sie wollten. Und nun beunruhigt es mich und also – geben Sie mir einen Revers!“

Herr von Maiwand zog die Stirnfalten kraus zusammen und biß sich auf die Unterlippe.

„Würde der Sie schützen, wenn nach meinem Tode – Sie fürchten ja, scheint es, irgend ein plötzliches, vorzeitiges Ende für mich so sehr – böse Menschen als meine Erben gegen Sie aufträten?“ entgegnete Maiwand mit einem spöttisch klingenden Tone. „Ich will Ihnen etwas Besseres geben, um Sie zu beruhigen. Ich will in meinem Testamente Sie zu meiner Universal-Erbin einsetzen. Dann kann Niemand nach meinem Tode kommen und Sie im Besitze von Haldenwang stören wollen. Denn gesetzt auch, Sie hätten es wirklich an mich verkauft, so würden Sie es wieder von mir geerbt haben.“

„Ich weiß nicht, was ich Ihnen darauf sagen soll. Sie machen mich nur immer ängstlicher; ich fühle mich wie von einer immer verwickelter werdenden Sache umstrickt – und hören Sie: ich will einen Revers haben – einen Revers will ich, nichts anderes.“

Malwine verfiel bei diesen Worten in die Weise eines halb sich hülflos fühlenden, halb zornigen Kindes; sie stampfte bei ihrem zornigen Ausruf mit den Stiefelchen auf den Boden.

„Ach, Sie und viel zu reizend, Malwine,“ sagte Maiwand jetzt lächelnd und sie mit einem verzehrenden Blicke anschauend, „als daß Sie von mir verlangen dürfen, ich solle selbst irgend etwas, was uns mit einander verbindet, wieder zerreißen.“

„Aber ich,“ sagte sie, jetzt aufspringend und wie von diesen Worten empört, „ich will es – hören Sie: ich will es. Und wenn Sie meinen Willen nicht erfüllen, so – so …“

„So? Was werden Sie thun, Malwine?“ versetzte er gleichmüthig.

Sie wandte ihm mit einer Miene voll Zorn und Verachtung den Rücken und ging in’s Haus.

Maiwand’s Gesicht verfinsterte sich auffallend, als sie verschwunden war.

„Zum Henker,“ sagte er vor sich hin, „wer hat ihr diese Raupe in den Kopf gesetzt? Früher hatte sie für jeden Rath, den ich ihr gab, für Alles, was ich anordnete, nur ein bereitwilliges Ja, Ja! Hat dieser Grieche eine andere Windströmung in ihr hervorgerufen? Habe ich recht gesehen, daß, wenn dieser Mensch erscheint, ihr Wesen sich nicht mehr gleich bleibt, und bald etwas ungewöhnlich Lautes, bald etwas Schweigsames annimmt und die völlig freie Natürlichkeit und Unbefangenheit dahin ist? Soviel ist gewiß, daß der Gedanke an einen Revers nicht in ihrem Kopfe entstanden ist; unmöglich hat sie auch nur eine Vorstellung davon gehabt, was ein Revers ist, bevor es ihr Jemand klar gemacht hat. Aber ebenso unmöglich hat sie sich herabgelassen, mit diesem Menschen von ihren Verhältnissen zu reden. Seltsam! Jedenfalls thue ich wohl, wenn ich den Besuchen des Herrn Landeck auf Haus Haldenwang auf irgend eine Weise ein rasches Ende mache.“

Mit diesen Worten erhob sich Herr von Maiwand, um sich aus dem an die Veranda stoßenden Salon Hut und Ueberzieher zu holen und dann zu den Stallgebäuden hinabzugehen, wo er sich sein hochbeiniges Pferd vorführen ließ, um darauf durch die Waldung in das eine Viertelstunde weit entfernte, flußabwärts liegende Kirchdorf zu reiten, wo er im Hause des Pfarrers sich ein paar freundliche Zimmer gemiethet hatte, seit die junge Frau auf Haus Haldenwang zurückgekehrt war und er also anstandshalber die Wohnung verlassen mußte. welche die Güte seines verstorbenen Vetters ihm darin so lange eingeräumt hatte.

Als er nun in seinen vier Wänden war und es sich hier bequem gemacht hatte – es war merkwürdig, wie viel älter und vom Leben mitgenommener Herrn von Maiwand’s Züge erschienen, wenn er so in seinen dunkelgrünen Schlafrock gehüllt war, als wenn er sich in voller Toilette befand – setzte er sich in das offene Fenster und blickte dem Pfarrer entgegen, einem hagern, vornübergebeugten Manne, der, das Brevier in der Hand und eben die letzten Tagesgebete murmelnd, durch den Gartenpfad daher kam.

„Guten Abend, Ehrwürden!“ redete er ihn an. „Schenken Sie sich die letzte Commemoratio de Sancto Eustachio oder Basileo, oder welch heiligen Mann Sie eben beim Barte haben, und sprechen Sie Amen! Wie stehen die Dinge in Ihrer Pfarrei heute?“

„Schlecht, Herr von Maiwand, schlecht,“ versetzte der Pfarrer unter das Fenster tretend. „Ich rede unter den Weibern zum Frieden, so gut ich kann. Aber was hilft es? Das Weibervolk ist just am maßlosesten in den Ansprüchen, die diese Menschen jetzt machen. Wenn sie nicht in seidenen Kleidern am Sonntage Vergnügungsfahrten in Coupés zweiter Classe machen und von ihren Männern nicht Sect eingeschenkt bekommen, kommen sie sich wie der Menschheit Schmerzenskinder vor. Der Ausschuß verhandelt mit den Fabrikanten, und da diese fest bleiben, wird der Strike, fürchte ich, schon Montag beginnen. Es ist nun die einzige Hoffnung noch, daß sie sich bis dahin selbst bei den Köpfen fassen, denn es sind Agenten sowohl der Sunniten von Berlin, wie der Schiiten von Eisenach, die an Abu Bekr nicht glauben, unter ihnen thätig und beide versprechen ihnen um die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_058.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)