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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


erst, wo er eine Weile gesessen, zu verspüren. Dann, die Hand auf die Lehne der Bank gelegt, stand er eine Weile und sah nach dem östlichen Himmel, an dem sich die blasse Mondscheibe jetzt bei der niedergesunkenen Nacht in helles Silber verwandelt hatte. Endlich ließ er, ein paar unverständliche Worte murmelnd, das Haupt sinken und ging in’s Haus.

Rudolph stampfte, als er verschwunden, mit dem Fuße auf den Boden. Er murmelte einen Fluch zwischen den Zähnen, und seine Hände ballten sich krampfhaft, dann lief er wie in einer dem Wahnsinn nahen Aufregung im Gartenpfade auf und ab.




8.

Landeck ging am andern Tage zu einer ungewöhnlich frühen Stunde nach Haus Haldenwang. Er wollte womöglich Malwinen allein sprechen, um ihr mitzutheilen, was er aus dem Landrecht herausstudirt hatte, und sie zu fragen, ob es ihr genüge, oder ob er noch bei einem Juristen sich Raths erholen solle; er wollte dann in die eine Stunde weit entlegene Stadt wandern.

Auf dem Wege begegnete er dem Doctor Iselt, der seiner Landpraxis nachging.

„Ach,“ sagte der Doctor lachend, „finde ich Sie wieder ‚das Land der Griechen mit der Seele suchend‘? Heute aber finden Sie Ihre Aspasia nicht daheim. Als ich die Stadt verließ, sah ich sie an mir vorüberfahren. Sie fuhr bei unserm Justizrath und Notar vor, und zwar allein, ohne ihren getreuen Herrn von Maiwand, ohne den sie sonst Geschäfte nicht zu machen pflegt. Wenn sie den Menschen ganz abschüttelte, thäte sie am besten. Aber was wollen Sie? Man erzieht unsere Frauen nicht so, daß sie in Geschäftssachen auf ihren eigenen Füßen stehen können. Und Frau von Haldenwang nun gar – sie und Geschäfte!“

Die Nachricht machte Landeck ein wenig betroffen; er hatte gehofft, Malwinen einen Dienst erweisen zu können, und sah nun, daß sie sich selbst zu helfen gegangen. Daß es Frauen gar oft einem armen Verehrer gegenüber so machen, darin hatte er bis jetzt noch keine Erfahrung.

„Man würde sicherlich die ideale und vertrauensvolle Natur dieser Frau,“ sagte er nach einer Pause, „leicht mißbrauchen können, wenn man ihre Geschäfte zu besorgen hätte, und es beunruhigt mich sehr, daß Sie so ohne Umschweife diesen Herrn von Maiwand für dazu fähig erklären.“

„Ich habe meine Gründe dazu, meine guten Gründe,“ versetzte Iselt. „Ein Arzt, müssen Sie wissen, bekommt Einblicke in mancherlei Verhältnisse, die Anderen verhüllt bleiben; er ist eine Art Beichtvater seiner Patienten und hat dann freilich auch das ‚sigillum confessionis‘ zu bewahren.“

„Weshalb man denn auch keine indiscreten Fragen an ihn richten darf. Aber man darf ihm desto mehr vertrauen. Darf man?“

„Gewiß. Lastet etwas auf Ihrem Herzen? Dann nur heraus damit!“

„Nicht gerade auf meinem Herzen, Doctor. Aber mit Ihren Beschuldigungen gegen jenen Mann machen Sie mir es doppelt bedeutungsvoll, daß Frau von Haldenwang mir gestern in einem Tone, durch den ich glaubte, eine gewisse Sorge klingen zu hören, den Auftrag gab, im Stillen zu ergründen, was es eigentlich mit einem Scheinkaufe für eine Bewandtniß habe, inwiefern man dabei sicher sei, nicht am Ende wider seinen Willen um sein Eigenthum zu kommen. Was in aller Welt kann diese Frage für ein Interesse für sie haben? Und falls sie es hat, weshalb hat ihr Factotum Maiwand sie nicht längst darüber aufgeklärt, weshalb fragt sie mich?“

Der Doctor schwieg eine Weile.

„Man muß auf den Verdacht kommen,“ fuhr Landeck fort, „daß am Ende gar dieser Mann selbst es ist, von dem sie zu solch einer Sache, von welcher sie jetzt Nachtheile befürchtet, überredet worden ist.“

Doctor Iselt nickte. „Auf den Gedanken muß man freilich kommen. Scheinkauf? Wahrhaftig, da liegt ja der Verdacht nahe. Die Baronin ist nach dem Testament ihres Mannes Eigenthümerin von Haldenwang; sie kann damit machen, was sie will, es also auch verkaufen. Nur wenn sie wieder heirathet, fällt das Gut an eine fromme Stiftung. Sehen Sie also? Dieser Maiwand hat ihr gerathen: „Verkaufen Sie jetzt das Gut durch einen Scheinkauf! Dann können Sie heirathen, sobald Sie Lust haben. Verkaufen Sie es an den ersten Besten, an wen Sie wollen, an mich zum Beispiel! Dann sind Sie frei. Haben Sie sich wieder vermählt, so kann die fromme Stiftung nichts erhalten. Sie sagen ihr: das Gut ist nicht mehr da; ich habe es verkauft. Und später giebt durch Schenkung, durch neuen Scheinkauf der Ankäufer Ihnen Ihr Gut zurück.“

„Das wäre freilich eine einfache Operation,“ sagte Landeck, „und wenn Maiwand im Stande wäre, ihr eine im Grunde doch so unehrliche Handlungsweise anzurathen …“

„So wollen wir nur hoffen, daß sie nicht schon darauf eingegangen ist, aber es ist jedenfalls verdächtig, daß sie mit einem Tone der Sorge Sie gefragt hat und nicht ihn. Sie muß also beginnen, ihm zu mißtrauen. Und so gehen Sie denn und unterlassen Sie nichts, um ihr deutlich zu machen, in welche Gefahr sie durch eine solche Operation gerathen würde!“

„Freilich in die, daß der Ankäufer ganz einfach das Versprechen jener Rückgabe später vergäße.“

„Oder,“ fiel Doctor Iselt ein, „gewisse Bedingungen daran knüpfte, z. B. die: ‚Heirathe mich! Dann bist Du von selber wieder die Herrin in dem Besitzthume, das Du mir verkauftest.‘“

Landeck blieb stehen. Er athmete tief auf.

„Ach,“ sagte er, „welch diabolischen Gedanken rufen Sie da in mir herauf, Doctor!“

„Daß er am Ende die arme Frau zu der ganzen Sache nur deshalb beredet, um ihr später diese Bedingung stellen zu können? Nun, wahrhaftig, unmöglich wäre es nicht. – Aber unsere Wege trennen sich hier. Gehen Sie hinauf und warten Sie dort oben ihre Rückkehr ab! Sie können dann ja über die Angelegenheit mit ihr sprechen und werden klug genug sein, ihr so viel zu entlocken, daß wir erfahren, ob wir Recht haben oder ein Paar mißtrauische Bösewichter sind. Auf Wiedersehn, Herr Landeck!“

„Auf Wiedersehn, Doctor!“

„Und hören Sie, Herr Landeck!“ fuhr der Doctor sich wieder zu ihm wendend fort, „theilen Sie mir mit, was Sie weiter erfahren! Ich werde unterdeß unsern Justizrath und Notar ein wenig zu sondiren suchen. Vielleicht vermag ich auch etwas zu thun, um der Frau von Haldenwang, wenn sie wirklich in die Schlinge gegangen sein sollte, wirksam beistehen, aus derselben wieder frei zu werden. Es würde ihr dann wahrscheinlich sehr willkommen sein, beweisen zu können daß Herr von Maiwand nicht im Stande ist, auch nur einen Morgen von Haldenwang ernsthaft anzukaufen und zu bezahlen, auch nur einen ‚Are‘, um mich zeitgemäß auszudrücken. Und dazu, um den Beweis zu führen, kann ich vielleicht einen Beitrag liefern. Wir werden sehen, wir werden ja sehen.“

Der Doctor ging, zum Abschied mit der Hand winkend, und Landeck setzte langsam seinen Weg fort. Was der Doctor ihm gesagt, hatte ihn in eine furchtbar beklemmende Sorge gestürzt. Es schien das ja Alles so wahrscheinlich, so natürlich. Maiwand konnte nicht so lange um Malwinen gewesen sein, ohne nach ihrem Besitze zu begehren, – das war unmöglich – ohne Hoffnungen zu hegen, die sie sicherlich selber in ihrer arglosen Weise sich zu geben und durch ihr unbegrenztes Vertrauen zu seiner Verwaltung ihrer Angelegenheiten genährt hatte. Und wie nahe lag es dann, zu glauben, daß er ein Mittel ausgesonnen hatte, sie durch äußere Rücksichten an sich zu fesseln, sie durch Verhältnisse an sich zu ketten, in denen sie sich ganz hülflos in seiner Macht fühlen mußte!

Landeck fühlte sich dadurch zugleich grenzenlos empört. Freilich, es war ja Alles nur eine bloße in die Luft gebaute Voraussetzung, Alles nur Combination dieses mißtrauischen Doctors Iselt; aber er konnte nicht wieder davon loskommen. Der beängstigende Gedanke ließ ihn nicht mehr frei, und eine eifersüchtige Wuth mischte sich hinein, in welcher er am liebsten diesen Herrn von Maiwand vernichtet hätte. –

Aber auch das, auch das war ja grenzenlose Thorheit. Hatte sie denn je diesen Mann lieben können? Hatte sie ihm je wirklich Grund zu der Hoffnung, sie werde ihm einmal gehören, geben können? Nein – das war unmöglich, völlig unmöglich. –

Als er sich langsam durch die kleine Parkanlage, welche

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_074.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)