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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


einen Grund, uns in einem Duell die Hälse zu brechen, aus der Welt geschafft – vermeiden wir es, uns einen zweiten, neuen zu schaffen! Frau von Haldenwang hat mir die Botschaft übertragen, und es wird Ihnen sowohl der Inhalt derselben, wie der Umstand, daß ich sie Ihnen überbringe, wie der fernere, daß ich dafür sorgen werde, daß Sie den Willen der Dame respectiren, es wird Ihnen das Alles weniger naiv erscheinen, wenn ich Ihnen sage, daß Beides sich durch meine Verlobung mit Frau von Haldenwang erklärt. Frau von Haldenwang ist seit einer Stunde meine Braut. Doch hat sie mir zur Bedingung gemacht, daß ich, um rund herauszureden, sie vor jeder weitern Begegnung mit Ihnen schütze und Sie bewege, baldmöglichst von hier zu verschwinden. Ich hoffe, Sie sind klug, Sie sind Menschenkenner genug, sich zu sagen, daß man, wenn man sich dadurch die Hand einer solchen Frau erkauft, eine solche Bedingung ausführt, ausführt mit all’ der Energie, Kraft und Entschlossenheit, deren ein Mann nur irgend fähig ist.“

„Pest – Sie – Malwine Ihre Braut?!“ sagte Maiwand, ihn anstarrend, als ob er einen Geist sähe, und dann aufspringend, um sich doch gleich wieder niederzulassen, rief er aus: „Das ist eine verdammte Lüge, oder wenn es keine ist, dann gnade Gott ihr und Ihnen …“

„Daß es keine Lüge ist, Herr von Maiwand, sehen Sie daraus, daß ich im Stande bin, Ihnen hier die Mittel zu Ihrer Abreise zu übergeben, zu Ihrer Existenz in den nächsten Monaten.“

Landeck holte seine Brieftasche hervor, nahm daraus die Banknoten, welche ihm vorhin der Briefträger gebracht, und legte sie vor sich auf den Tisch.

„Es sind fünf Hundertthalerscheine,“ sagte er, „Sie begreifen, daß ich sie nicht von dem Gehalte, welches Herr Escher mir gewährt, habe ersparen können …“

Maiwand richtete jetzt seine wild aufflammenden Blicke darauf.

„Und mit diesem Bettel gedenkt man mich abzukaufen? Wirklich und wahrhaftig glaubt man, mich damit loszuwerden?“ rief er, gezwungen auflachend.

„Man würde das allerdings,“ versetzte Landeck ruhig und seine Augen festen und entschlossenen Blicks nicht von denen Maiwand’s abwendend, „man würde es für genügend halten, wenn man sich mit Ihrer bloßen Abreise begnügen könnte. Das ist aber leider nicht der Fall. Sie haben Frau von Haldenwang zu einem juristischen Geschäfte verleitet, welches sie in die unangenehme Lage bringt, gegen Sie den Schutz der Gerichte anrufen zu müssen. Das ist ihr in hohem Grade unangenehm, und um dies überflüssig zu machen, hat sie mich beauftragt, mit Ihnen über den Preis zu verhandeln, den Sie verlangen, zuerst für einen Revers, welcher Frau von Haldenwang sicher stellt, und sodann für einen Schein, worin Sie erklären, aus der Rudolph Escher anvertrauten Casse vor ein paar Jahren die Summe von neuntausendfünfhundert Thalern mit dem unwahren Vorgeben entnommen zu haben, es sei für Herrn von Haldenwang und werde am folgenden Tage zurückgebracht werden. Auch diesen Schein werden Sie ausstellen, wogegen ich Ihnen die Erklärung auf Ehre und Gewissen geben werde, daß dieser Schein niemals gegen Sie gebraucht werde, daß er binnen der nächsten zweimal vierundzwanzig Stunden von mir verbrannt werden soll.“

„Immer besser,“ lachte nun, nachdem er anfangs Landeck ganz überrascht angestarrt hatte, Maiwand wieder auf, „immer besser! Ist das Alles?“

„Was wir wünschen, ja; sagen Sie nur, was Sie als Preis dieser zwei Schriftstücke verlangen. Ich werde Ihnen denselben ebenfalls schriftlich zusichern, vorausgesetzt, Sie halten sich in den Grenzen der Bescheidenheit.“

Maiwand war wieder aufgesprungen. Er hatte dabei, einen Fluch murmelnd, den Sessel zur Seite geschleudert und rannte jetzt im Zimmer auf und nieder.

„Was ich Ihnen von dem Allen gewähren will, Herr Landeck? Eine Kugel, die ich Ihnen in’s Hirn jagen werde.“

„Möglich! Falls Sie mir vom Officiercorps Ihres früheren Regiments ein Zeugniß bringen, daß Sie noch satisfactionsfähig, werde ich mich nicht weigern können, mich mit Ihnen zu schlagen. Ich werde dann entweder Sie erschießen oder Sie mich; im letzteren Falle werden Sie Frau von Haldenwang nicht angenehmer werden. Ich darf sogar annehmen, daß sie dann Alles aufbieten wird, um mich an Ihnen zu rächen. Ein Duell bietet Ihnen also weder in dem einen Falle, noch im anderen einen erheblichen Vortheil. Ich kann Ihnen nur rathen, meinen Vorschlag anzunehmen und mir eine Summe zu nennen, für welche Sie sich zu dem bequemen, was wir wünschen. Wenn nicht, nun wohl, so nehme ich diese Banknoten wieder an mich, und wünsche Ihnen guten Tag, Herr von Maiwand. Ich werde dann in die Stadt hinüberwandern und den Justizrath beauftragen, gerichtlich Ihre Einwilligung zur Lösung jenes Contractes, zu dem Sie Frau von Haldenwang verführt haben, zu erzwingen; es wird das rasch und leicht thunlich sein, da der Beweis, daß Sie nie die Absicht, das heißt die Möglichkeit hatten, Haldenwang zu kaufen, bald erbracht ist.“

Landeck war auch aufgestanden und hatte kaltblütig die Banknoten wieder an sich genommen; so stand er und folgte mit beobachtendem Auge den Bewegungen des wie ein wüthendes Thier im Käfig auf- und abschreitenden Gegners.

„Ich weiß nicht,“ rief dieser mit einem Fluche aus, „was mich abhält, Sie zum Fenster hinauszuwerfen, Sie zu erwürgen.“

„Vielleicht der Gedanke, daß es Ihnen nicht gelingen würde,“ sagte Landeck, ruhig die Arme über die Brust verschlingend; „vielleicht auch die Ueberzeugung, daß es Ihnen durchaus nichts helfen würde, daß Sie sich in Ihr Schicksal ergeben müssen. Diese Ueberzeugung ist es ja eben, was Sie so in Wuth versetzt.“

Maiwand stampfte mit dem Fuße; er machte, indem er jetzt Landeck sein Gesicht zuwandte, einen entsetzlichen Eindruck. Seine Züge waren verzerrt, seine halbzusammengekniffenen Augen wie mit Blut unterlaufen.

„Heben Sie sich fort von hier, oder ich werde zum Mörder an Ihnen!“ schrie er, „fort – oder …“

„Es scheint mir,“ sagte in diesem Augenblicke eine dritte Stimme, „die Verhandlung ist an einem Punkte angekommen, wo ein Dritter als friedenstiftender Obmann nöthig wird.“ Es war Doctor Iselt, der plötzlich aus einer Seitenthür trat.

Landeck athmete, obwohl er seines Sieges gewiß war, doch erleichtert auf; er ahnte in Iselt einen guten Bundesgenossen. Maiwand trat diesem drohend, seiner kaum mehr mächtig in steigender Wuth entgegen.

„Sie sind überflüssig hier. Was wollen Sie, Iselt?“ brachte er mühsam, heiser hervor, „scheeren Sie sich zum Teufel, Beide! Oder ich brauche meine Waffen …“

„Ein Arzt,“ versetzte Iselt, „ist nie überflüssig, wenn ein beruhigendes Mittel so nothwendig wird, wie bei Ihnen in diesem Augenblicke[WS 1], Maiwand. Ich habe drinnen im Arbeitszimmer des Pfarrers, wo ich diesem ein Recept schreiben sollte und dabei Ihren Streit anhörte, sogleich auch für Sie eins aufgeschrieben. Hier ist es. Herr Landeck wird es in der rechten Apotheke abzuliefern die Güte haben.“

Dabei zog er aus der Brusttasche seines Rockes einen langen, vielfach zusammengefalteten, schmutzigen und viel beschriebenen Papierstreifen hervor. Landeck musterte ihn und sah, daß es ein über neuntausendfünfhundert Thaler ausgestellter Wechsel war, unterschrieben von Ernst Friedrich von Maiwand. Unter den Prolongationsvermerken, welche die Rückseite trug, stand die Quittungsnotiz: „Betrag heute erhalten mit Thaler 9500. B., den 17. Juni 186*. Aaron Baer.“

„Zum Teufel – wie kommt dieser Wisch in Ihre Hände?!“ rief erschrocken Maiwand aus, nachdem er einen Blick darauf geworfen.

Landeck barg den „Wisch“ erfreut in seiner Brusttasche; auch er sah Iselt erstaunt an, sagte aber nur:

„Ihr Recept ist vortrefflich, Doctor. Es wird unseren Streit allerdings wundersam beruhigen. Es macht ihn bereits fast gegenstandslos, und wir können die Unterhandlung abbrechen. Sie wissen, Herr von Maiwand, daß Sie auf Haldenwang nicht mehr gewünscht werden, und werden nicht mehr dort erscheinen, um sich dies doch nicht gar zu deutlich von dem Dienstvolke sagen zu lassen, das über den Willen seiner Gebieterin unterrichtet ist. Ihre Erklärung, daß Sie schuld gewesen an der unglücklichen Nachgiebigkeit Rudolph Escher’s, bedürfen wir jetzt nicht mehr, denn der Wechsel in meiner Tasche beweist vollständig,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Angenblicke
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_127.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)