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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

des Torfbruchs von Skaby nur anonym protestirte, erhoben die Bauern von Schönhausen ein lautes zorniges Protestgeschrei, aber Herr Jean Fränkel kümmerte sich ebenso wenig um das eine wie um das andere. Und warum auch? Was die Vorbesitzer gegen ihn trieb, war sicher nicht Mitleid mit den betrogenen Actionären, sondern das Verlangen, auf den Attentäter eine Pression zu üben, zu versuchen, ob sich nicht nachträglich noch etwas von ihm herausschlagen ließe.

Da wir einmal von oberfaulen Gründungen sprechen, so verlangt die Gerechtigkeit, daß wir hier auch Herrn Robert Baumann einschalten. Allerdings rangirt er etwas höher als Herr Jean Fränkel, denn er hat etwa drei Mal so viel wie dieser gegründet, und darunter auch einige erträgliche Sachen; z. B. „Berliner Bank“, „Bank für Rheinland und Westphalen“, „Hessische Bank“, „Hessische Brauerei“ und „Zeitzer Eisengießerei“. Auch „Egells’sche Maschinenfabrik“ wollen wir ihm hingehen lassen. Aber ganz und gar nicht zu entschuldigen sind: „Allgemeine deutsche Handelsgesellschaft“ – heutiger Cours 13, „Berliner Nord-Eisenbahn“ – heutiger Cours 8, und vor Allem nicht der so entsetzliche, heute mit ¼ Brief notirte „Thüringer Bankverein“ in Erfurt, dessen Directoren, Moos und Uhley, bekanntlich durchbrannten und dann im „Kladderadatsch“, unter Beifügung ihres Portraits, steckbrieflich verfolgt wurden. Auch an der „Deutschen Buchhändler-Bank“ war Herr Robert Baumann mit thätig, einer Gründung, die, obgleich hier als Geburtshelfer solch berühmte Volkswirthe wie Julius Faucher und Karl Braun-Wiesbaden fungirten, dennoch todt zur Welt kam.

Endlich ist Herr Robert Baumann auch der wahre Urheber der „Altenburger Zuckerfabrik“, nur daß der hochpoetische „Prospect“ nicht von ihm selber herrührt. Nach der „Stilprobe“ zu urtheilen, die einst die „Neue Börsenzeitung“ von ihm veröffentlichte und in der er sich gegen gewisse Anschuldigungen in Sachen „Berliner Bank“ und „Nordbahn“ zu rechtfertigen versuchte, scheint er nicht gerade ein „Held der Feder“ zu sein. Um seine Gründungssünden in etwas wieder wett zu machen, vielleicht auch nur, um die Aufmerksamkeit von ihnen abzulenken, paradirte er mit dem „Invalidendank“, gab und sammelte er ostensibel zu patriotischen und wohlthätigen Zwecken, suchte er mit der Aristokratie anzuknüpfen. Dessenungeachtet blieb er titel- und ordenlos, was uns billig Wunder nimmt.

Nach dieser Abschweifung zu Gunsten der Herren Jean Fränkel und Robert Baumann kehren wir zu den „Prospecten“ zurück. In zahlreichen Fällen wurde eine Dividende nicht nur verheißen und ausgerechnet, sondern von den Vorbesitzern resp. Gründern auch garantirt. Herr Leuffgen versprach für die von ihm verkaufte Glasfabrik „Albertinenhütte“ bei Charlottenburg eine Verzinsung von 16 Procent und garantirte eine Minimaldividende von 10 Procent auf fünf Jahre; trotzdem ist der Cours bis auf 19 zurückgegangen. Die Herren Schöller und von Alpen garantirten für die „Aachener Tuchfabrik“ gleichfalls 10 Procent Dividende für die ersten fünf Jahre; in Folge dessen wurden die Actien mit 105 aufgelegt, sind aber schon lange nicht mehr auf dem Courszettel zu finden.

Aehnliche Zinsgarantien leisteten Herr Hermann Lehl für die „Dampfmühlen-Gesellschaft in Stralsund, Joseph Beer selige Wittwe in Liegnitz für die „Schlesische Wollwaarenfabrik“, Herr J. C. Harkort für die „Gesellschaft für Eisenindustrie und Brückenbau“ in Duisburg – lauter Actien, deren Coursstand schon seit Jahr und Tag jeder Zinsgarantie Hohn spricht. Der schreiendste Fall ist jedoch „Bergbrauerei Hasenhaide“ in Berlin: mit 8 Procent Dividende garantirt, ist der heutige Cours – 1¼ Brief!! Entweder war die Zinsgarantie auch nur ein Versprechen, das man auf sich beruhen ließ, oder wenn die Verkäufer wirklich die betreffende Summe sicher stellten, gehörte diese schon zu den Gründungskosten, steckte sie eben im Actiencapital, so daß sie thatsächlich von den Actionären selber aufgebracht wurde und es sich wieder um eine bloße Augenverblendung handelte.

Daß die „Prospecte“ hinsichtlich der Rentabilitätsberechnung wie des Erwerbspreises, also in den beiden wesentlichen Punkten, fast regelmäßig arge Täuschungen und grobe Unwahrheiten enthielten, sprach die „Spener’sche Zeitung“ in ihrer Börsen-Rückschau vom 31. December 1872 offen an. Es war dies um so verdienstlicher, als das Blatt damals, von Herrn Wehrenpfennig redigirt, der „Preußischen Boden-Credit-Actien-Bank“ angehörte, an deren Spitze Herr Richard Schweder stand, der Gründer par excellence. Leider wird das Verdienst der genannten Zeitung dadurch etwas geschmälert, daß sie jene freimüthige Aeußerung so spät that, als der Gründungsschwindel bereits so gut wie zu Ende war.

Die „Prospecte“, gewöhnlich unter juristischem Beirath entstanden, sind mit einer wahren Meisterschaft abgefaßt. Sie versprechen Alles und verpflichten zu Nichts. Nur höchst selten haben die Gründer sich im „Prospect“ eine Blöße gegeben oder auf Grund des „Prospects“ zur Rechenschaft gezogen werden können, und noch seltener haben die betrogenen Actionäre wirklich etwas zurückerhalten. Nur Ein nennenswerthes Beispiel schwebt uns augenblicklich vor. Es ist der Fall der „Sudenburger Maschinenfabrik“, vormals F. A. Klusemann in Magdeburg, wo die Uriane einen Theil ihres Raubes factisch herausgeben mußten. –

Der „Prospect“ wurde in etwa zwanzig bis dreißig Zeitungen gerückt, und zwar nicht ein Mal, sondern mehrere Male. Die Veröffentlichung des „Prospects“ und sonstige Insertionskosten machten eine Ausgabe bis zu zehntausend Thalern und mehr nöthig,[1] woraus man entnehmen kann, daß die Gründungsspesen nicht klein waren. In erster Reihe erhielten das Inserat sämmtliche Börsenblätter, die damals wie Pilze emporschossen, sodann die großen politischen Zeitungen und auch wohl verbreitete Localblätter. Es handelte sich um die größtmöglichste Publicität; es handelte sich aber auch um Unterstützung, wenigstens um Schonung. Deshalb wurden auch solche Blätter bedacht, die keinen besonderen Leserkreis hatten, aber doch irgendwie zu fürchten waren. Alle Blätter, groß wie klein, lechzten nach Gründungs- und Emissionsanzeigen; die kleineren bewarben sich darum, oder druckten sie unaufgefordert ab und schickten Belag nebst Rechnung ein, die in der Regel auch bezahlt wurde, denn man verstreute ja das Geld. Erst als die Schwindelperiode zu Ende ging, ward man sparsamer, und da findet sich denn unter den Inseraten der für die meisten Leser gewiß räthselhafte Vermerk: „Nachdruck wird nicht honorirt.“ Blätter, die mit den Anzeigen nicht „betheiligt“ wurden, erhoben wohl ein Geschrei, griffen die Gründung versteckt oder offen an. Das war ein Wink für die Gründer. Sie holten das Versäumte nach, und nun brachte dasselbe Börsenblatt eine sehr günstige Besprechung, empfahl das Unternehmen als durchaus solide und höchst rentabel.

Das bloße Inserat genügte nicht, die Gründung mußte auch im redactionellen Theil erwähnt, der „Prospect“ hier theilweise übernommen oder umschrieben werden. Kleinere Blätter besorgten das schon um des Inserats willen, die größern aber nur gegen besonderes Honorar, und dieses betrug in der Regel weit mehr als die Insertionsgebühr. Ohne Rücksicht auf das Inserat wurde in den tonangebenden Börsenblättern manche Gründung erbarmungslos angegriffen und erst hinterher, nachdem sie sich ihrer Schuldigkeit bewußt geworden, zu Gnaden angenommen. So hatte, um ein Beispiel für hundert anzuführen, ein sehr bekanntes Börsenblatt zunächst „Berliner Weißbier, vormals Gericke“, nach Gebühr verarbeitet, aber ein paar Tage später legte sie dieser Tochter des Herrn Jean Fränkel, diesem Monstrum, die Hände segnend auf das Haupt und sprach mit dem Grafen von Savern:

Dies Kind, kein Engel ist so rein,
Laßt’s Eurer Huld empfohlen sein!

Weit geschickter verfuhr in solchen Fällen die „Neue Börsen-Zeitung“, ja nicht ohne Humor und Schalkhaftigkeit. So schrieb sie. „Wir finden in verschiedenen Blättern eine Aufzählung der Leistungen der Maschinenfabrik ‚Berliner Vulkan‘. Wir können es uns um so mehr versagen, auf die Einzelheiten näher einzugehen, als denselben durch die übereinstimmende Reproduction in den übrigen Blättern eine mehr als hinreichende Publicität gegeben ist. Unsere Aufgabe dürfen wir als erfüllt betrachten, wenn wir darauf hinweisen, daß die Leistungen der Fabrik für

  1. Wieder eine kleine Berechnung. Nahm der „Prospect“ nur eine Folioseite ein und wurde er nur in zwanzig Zeitungen, in jeder drei Mal abgedruckt, so kostete das circa 7500 Thaler. Erging er sich aber über zwei Seiten, so betrugen die Insertionskosten das Doppelte.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_171.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)