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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


und einigen andern politischen Geheimbünden der romanischen Welt abgesehen, die bald wieder von der Bühne verschwanden, bis auf die letzten Jahre mit den Freimaurern, die, in Deutschland wenigstens, durchaus harmloser Natur sind. Das junge Amerika hatte seit dem Unabhängigkeitskriege neben diesen Jüngern der „königlichen Kunst“ wenigstens noch ein Dutzend hinter dem Schleier arbeitender anderer Logenverbände, die zum Theil keineswegs harmlose Zwecke verfolgten. Seine bürgerliche Gesellschaft ist noch jetzt wie eine Maulwurfswiese, auf der sich unter der Erde beinahe ebenso viel Leben regt, wie im Licht der Sonne, und von diesem Leben will ich hier erzählen, was ich weiß.

Zunächst sei kurz erwähnt, daß Cincinnati, die größte Stadt Ohios, seinen Namen von der geheimen Gesellschaft der „Cincinnati“ hat, die sich zu Ende des erwähnten Krieges aus Officieren des Heeres der Republik bildete, unter Andern auch George Washington zu den Ihrigen zählte und später wegen ihrer aristokratischen Meinungen und Bestrebungen vielfache Anfeindungen erfuhr. Um dieselbe Zeit entstand in Massachusetts der Orden oder Bund der „Sons of Liberty“, der Söhne der Freiheit, der in den Yankeestaaten noch fortdauern soll, und etwas später der „Alte Wigwam“ in der „Tammanyhall“ zu New-York. Diese bis auf die neueste Zeit für das Parteileben in der Union hochwichtige Verbindung trat zuerst in Philadelphia zusammen. Sie nannte sich nach einem Delawarenhäuptling Tammany, mit dem William Penn bei seiner Ankunft in Amerika ein Bündniß schloß, und von dem die Sage berichtet, er habe sich, ein indianischer Sanct Georg, durch Bekämpfung von Ungeheuern und bösen Geistern verdient gemacht. Ihr Ursprung fällt in das Jahr 1789, und ihr anfänglicher Zweck war die Verbesserung des socialen und moralischen Zustandes der Urbewohner des Landes. Sie hatte somit zunächst keine politische Tendenz.

Dies wurde aber anders, als die Gesellschaft nach New-York übersiedelte, indem sie dort 1798 mit dem „Columbian Order“, einem geheimen Club, verschmolz, der einige Jahre vorher von dem Tapezierer Mooney zur Pflege und Geltendmachung demokratischer Grundsätze und als Gegengewicht gegen Bestrebungen, wie sie namentlich die Cincinnati auf ihre Fahne schrieben, gestiftet worden war. Mit jenem Orden vereint, wählten die Söhne des heiligen Tammany das Wirthshaus „Onkel Ben Martling’s“ zum Orte ihrer Zusammenkünfte, wo eine dritte Gesellschaft, die durch gute Disciplin sehr einflußreichen „Martlingmen“, sich ihnen anschloß. Hierdurch wurde der Verein so zahlreich, daß sein Stiftungstag, der 12. Mai, in New-York fast wie ein öffentliches und allgemeines Fest begangen und Sanct Tammany in dem bombastischen Stile der Zeitungen als der Schutzheilige Amerikas bezeichnet wurde. Unter der Präsidentschaft Jefferson’s und seiner nächsten Nachfolger steigerte sich das Ansehen der Verbindung von Jahr zu Jahr. Sie baute sich in der Tammany-Hall ein eigenes Local, schuf sich in dem „National Advocate“ ein Organ, dessen erster Redacteur der berühmte staatswissenschaftliche Schriftsteller Wheaton war, gewann überall in der Union Verbündete und wurde allmählich der Angelpunkt der demokratischen Partei und einer der Hauptfactoren bei der Entscheidung der Fragen, die das Leben des Staates New-York und des gesammten Complexes der mit ihm verbündeten Republiken bewegten.

Wie sie mit der Partei, deren Centrum sie war, im Laufe der Zeit herunterkam, und wie sie zuletzt vorwiegend persönlichen Interessen, darunter sehr unsauberen, diente, kann hier nicht geschildert werden. Von der Verfassung und innern Einrichtung dieser mächtigen Gesellschaft weiß der Uneingeweihte nur, daß sie von unbekannten Oberen die Parole empfängt, und daß sie die Gebräuche und Titel, die sie vor ihrer Umwandelung aus einem mildthätigen in einen politischen Verein hatte, beibehalten hat. Ihre Organisation ist die Nachahmung eines indianischen Nationenbundes. Sie zerfällt nach derselben in eine Anzahl „Stämme“, die unter „Sachems“ stehen, denen dann wieder ein „Großsachem“ präsidirt. Sie hat ferner ein „Berathungsfeuer“, dessen Vorsitzender den Namen „Vater“ führt, und bei dem man sich eines indianischen Rituals und der Symbole des Tomahawk und des Calumet oder der Friedenspfeife bedient. Ihre Logen werden „Wigwams“ genannt; ihre Zeitrechnung ist die der Rothhäute, ja bei feierlichen Gelegenheiten, öffentlichen Aufzügen u. dgl. kleideten die Tammanisten sich früher sogar wie die Wilden der amerikanischen Wälder und Prairien.

Ich wende mich nun zu einigen Geheimbünden unschuldigerer Natur, die aber immerhin auf das sociale und das niedere politische Leben in der Union einigen Einfluß haben, indem sie namentlich bei den Wahlen von Localbeamten und Pfarrern für Mitglieder oder Gönner ihrer Vereine agitiren und stimmen.

Zu Dayton in Ohio wohnte ich im Jahre 1851 einige Wochen bei einem kleinen Schuster aus Sachsen, der in der Vorstadt Macphersontown am Miamifluß ein allerliebstes weißes Häuschen inne hatte, das bis an das Dach in Pfirsichzweigen und Hagebuttenbüschen steckte. Ich hätte mir nicht träumen lassen, daß der freundliche, gutherzige Bewohner dieses Idylls zu den Geweihten eines mysteriösen Priesterordens gehöre, der unter anderen finsteren und blutigen Gewohnheiten auch die hatte, seinen Göttern gelegentlich Menschen zu schlachten. Und doch schien es so.

Eines Tages sah ich mir die Bilder in Meister Sperling’s „guter Stube“ genauer an. Eins davon, das einen ehrwürdigen Greis mit lang herabwallendem Barte vorstellte, welcher unter einer Eiche ein Opfer darbrachte, erregte meine Neugier. Ich erkundigte mich nach der Bedeutung desselben und erfuhr, es sei ein Patent des Ordens der „Druiden“, der hier, wie an vielen anderen Orten Ohios, einen „Hain“ hatte, und dem mein Wirth vor einigen Monaten beigetreten war. Von Letzterem war über Brauch und Zweck des Bundes nichts weiter herauszubekommen, als daß derselbe seine Mitglieder verpflichte, sich gegenseitig zu helfen und vorzüglich bei erkrankten Brüdern Nachtwachen zu thun. Später hörte ich noch, daß zu den Hauptpflichten dieses ehrwürdigen Ordens die zählt, sich gemeinsam zu vergnügen, und daß die Menschenopfer seit einiger Zeit durch harmlosere Ceremonien, z. B. durch eine Art feierliches Salamanderreiben ersetzt worden sind, was meinem Herzen wohl that.

Dann erfuhr ich aus einem Journal der Druiden, daß über das Jahr der Gründung ihres Bundes Zweifel herrschen, indem man nur soviel mit Bestimmtheit weiß, daß es „zwischen 4004 und 2242 vor Christi Geburt liegen muß“ – was mir selbst dann, wenn das letztere Jahr unmittelbar auf die Stiftung des Ordens gefolgt sein sollte, ein sehr respectables Alter einzuschließen scheinen würde. Ferner sollen die Druiden in verschiedene Grade zerfallen und ihre „Haine“ in einem „Großhain“ ihren Mittelpunkt und ihre Direction haben. Endlich mag erwähnt werden, daß sich seit einigen Jahren auch Deutschland des Besitzes solcher Druidengesellschaften erfreut, und zwar hat Berlin deren gegenwärtig schon drei und unser gutes Leipzig, verhältnißmäßig noch glücklicher, zwei, während Stuttgart, Hamburg, Nordhausen und Bremerhaven sich bis auf bessere Tage mit einem behelfen müssen.

Während meines Aufenthaltes in Dayton ging ferner eines Tages ein bunter, abenteuerlicher Zug mit rauschender Blechmusik über die Mainstreet. Weiße und rosenfarbene Bandeliere, gelbe, grüne, violette und blaue Schürzen mit silbernen und goldenen Borten und Troddeln, mit Stickereien, die Sterne, Blumen und Todtenköpfe darstellten, Talare, Ritterharnische, Federhelme und dergleichen prächtige Dinge mehr wimmelten wie ein großer Mummenschanz an uns vorüber. Ich zählte vier Musikcorps, und der Theilnehmer an der Procession waren an zwölfhundert. Ich erkundigte mich und erfuhr, daß es einem Feste der „Odd Fellows“ von Ohio galt, die hier durch Deputirte aus allen größeren Orten des Staates, namentlich aber aus Columbus und Cincinnati, vertreten waren. Die „Odd Fellows“ – ein Name, den man, je nach Stimmung und Belieben, mit „sonderbare Bursche“ oder „närrische Kerle“ übersetzen kann – scheinen eine ähnliche Organisation wie die Druiden zu haben und im Wesentlichen dieselben Zwecke zu verfolgen. Nur die Haut, in der sie das besorgen, ist eine andere. Auch sie verlegen den Ursprung ihres Ordens in das graue Alterthum, sind aber dabei bescheidener als jene, deren Zunft nach dem Obigen vielleicht älter als die älteste Pyramide wäre und jedenfalls schon in der dunkeln und schweigsamen Zeit der Pfahlbauten ihr Gewerbe betrieben haben müßte. Die „närrischen Kerle“ – ich ziehe diese Verdeutschung vor – nennen ihre Logen „Lager“, indem die erste im Jahre 65 nach Christi Geburt unter den Soldaten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_239.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)