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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


eines römischen Feldlagers entstanden sein soll. Kaiser Titus soll sie dann im Jahre 79 durch Ueberreichung der goldenen Tafel mit allerlei Symbolen (unter denen ich, wenn die Sache ihre Richtigkeit hätte, das ehrwürdige Urbild einer der Kappen vermuthen würde, mit denen Köln und Leipzig sich in der Fastnachtszeit schmücken) feierlich anerkannt haben.

In Wahrheit ist der Orden erst 1800, und zwar nicht unter Römern, sondern zu Manchester in England, desgleichen nicht von Soldaten, sondern von friedsamen Kaufleuten gegründet worden, die wahrscheinlich Langeweile hatten. Von dort wurde er 1812 nach Baltimore verpflanzt, und seitdem ist er in Amerika dermaßen gewachsen, daß er – wenn das New-Yorker Blatt, aus dem ich diese Notiz schöpfe, nicht den Mund zu voll nimmt, was es leider zu oft thut – 1852 innerhalb der Vereinigten Staaten einunddreißig „Großlager“ und circa zweitausendfünfhundert „Lager“ mit nahe an zweihunderttausend Mitgliedern zählte. Die jährlichen Einnahmen wurden – immer, wenn es wahr ist – auf fünf Viertel Millionen Dollars veranschlagt und sollten vorzugsweise in die Begräbniß- und Wittwencassen des Ordens fließen. Schließlich sage ich vielleicht nichts Neues, wenn ich hinzufüge, daß seit drei oder vier Jahren, wie die Weisheit der Druiden, so auch die der „närrischen Kerle“ im deutschen Reiche Pflegstätten gefunden hat. In Berlin blühen deren bereits ein halbes Dutzend, in Hannover zwei. Wo sonst noch? Und sollte Leipzig, sollte Klein-Paris, das „seine Leute bildet“, hier zurückgeblieben sein?

Viel weniger harmlos als die zuletzt geschilderten Geheimbünde war ein anderer, der zu Ende der vierziger oder zu Anfang der fünfziger Jahre in New-Orleans entstand, sich von da rasch über alle größeren Städte des Südens verbreitete und bald auch in New-York sowie in den Yankeestaaten Logen oder wenigstens Mitglieder hatte. Ich meine den Orden vom „Einsamen Stern“Lone Star – der den Zweck verfolgte, Mittel und Mannschaften zur Gewinnung weiterer Gebiete für die Union zu schaffen, in denen sich die Sclavenwirthschaft mit Nutzen betreiben ließ, und damit die Macht und den Einfluß der Südstaaten im Congresse und der Centralregierung zu erhalten und zu mehren.

Nach den Gebräuchen, die der Orden bei den Aufnahmen und Beförderungen seiner Mitglieder beobachtete, hätte man so ernste Zwecke nicht annehmen sollen. Die Gebräuche, Travestien gewisser Ceremonien der Maurerei, waren läppische, mit allerlei Aengstigung und Mißhandlung der sich zum Eintritte in den Bund oder zu einem höheren Grade Meldenden verbundene Possen, die stark an die Unsitte des Hänselns in den früheren deutschen Zünften und an die Fuchstaufen der alten Studentenwelt erinnerten. Man führte den Betreffenden mit verbundenen Augen und auf den Rücken geschnürten Händen in die Loge, geleitete ihn ein schrägliegendes Bret hinauf, wobei man ihm sagte, ein Fehltritt würde ihn in einen tausend Fuß tiefen Abgrund stürzen, erschreckte ihn durch Zischen und Heulen, ließ ihn durch einen schief gespannten unten offenen Sack in eine Wanne voll kaltes Wasser hinabgleiten, führte ihn wieder bergauf, wobei er mit einer Art Gabel gestachelt, durch sausende Schwärmer und platzende Feuerfrösche geängstigt und schließlich, nachdem ihm Halt geboten worden, von einer heiseren Stimme gefragt wurde, ob er sich der letzten Probe unterziehen und dadurch Mitglied des Ordens werden wolle. Nachdem er dies bejaht, gebot ihm die Stimme, die Zunge auszustrecken, und nachdem dies geschehen, flüsterte sie: „Holt das glühende Stempeleisen her,“ so daß der Candidat glauben mußte, die Zunge sollte ihm gebrandmarkt werden. Dann krachte plötzlich ein Schuß, der Geplagte fuhr, indem das Bret unter seinen Füßen weggezogen wurde, in eine Tiefe hinab und sah sich, nachdem ihm nun die Binde weggezogen worden, in einem Fasse, umtanzt von allerlei Ungethümen, Teufeln und Kobolden, die ihn tobend, mit Schwerterklirren und Pistolenschüssen willkommen hießen.

Hinter diesen und ähnlichen Possen verbarg sich aber in der That ein sehr ernster Zweck. Man war im Begriffe, das Unternehmen Aaron Burr’s nachzuahmen, der im Jahre 1806 den Plan verfolgt hatte, auf den westlichen Gewässern einen Freischaarenzug zur Eroberung der spanischen Provinzen am Golfe von Mexico zu organisiren und aus ihnen ein Reich zu gründen, dessen Hauptstadt New-Orleans und dessen Herrscher Burr sein sollte. Mit dem „Einsamen Stern“, der roth auf der blau und weißen Fahne des Ordens stand, war die Insel Cuba gemeint, die man zunächst im Auge hatte. Als Stern wurde sie bezeichnet, weil die Staaten der Union auf dem Banner derselben als Sterne figuriren, als einsamer Stern, weil sie eben eine Insel und noch nicht dem nordamerikanischen Bundesstaate einverleibt war. Die verunglückte Expedition des Obersten Lopez war einer der Versuche des Ordens, in dieser Richtung thätig zu sein. Die Entrüstungsmeetings, die im Herbste 1851 in verschiedenen Städten in Scene gesetzt wurden, gingen ebenfalls von ihm aus, spätere Freischaarenzüge desgleichen. Endlich war auch der Flibustierkrieg Walker’s, der die centralamerikanischen Staaten Granada und Nicaragua mehrere Jahre mit Blut überschwemmte, ein Unternehmen der Brüder vom „Einsamen Stern“, ja Walker soll der Großmeister des Ordens gewesen sein.

Die neueste Erscheinung auf diesem Gebiete gehört ebenfalls dem Süden der Union an. Es ist der Bund der Kuklux-Clane oder die „Weiße Bruderschaft“, ein Nachklang des Abfalls der Sclavenstaaten und eine der Formen, in denen sich die Reaction gegen die rücksichtslose Niederwerfung und Niederhaltung der Besiegten durch General Grant und die republikanische Partei seither äußerte. Die Beamten, welchen letztere die Gewalt in den wiedereroberten Staaten übergaben, erlaubten sich vielfach Uebergriffe. Die frei und den Weißen politisch gleich gewordenen Neger waren auf ihre neue Stellung unvorbereitet und traten da, wo sie sich in der Mehrzahl sahen, anmaßend auf. Die dadurch Beeinträchtigten und Verletzten fanden bei den Behörden keine Hülfe, und so nahmen sie ihre Zuflucht zu einer nächtlichen Vehme, die nach der Methode des Richters Lynch Gerechtigkeit übte. Der Widerstand des Südens, vom Norden in einem gewaltigen Ringen gebrochen und aus der Oeffentlichkeit vertrieben, flüchtete sich in das landesübliche System der Geheimbünde und bemühte sich, ebenfalls auf landesübliche Weise, im Kleinen und Einzelnen zu beseitigen, was er im Großen und Ganzen zu dulden gezwungen war.

In neun Counties des Staates Südcarolina, vorzüglich in York- und Spartanburg-County, hatten sich im Jahre 1872, vielleicht auch schon früher, eine Anzahl geheimer Logen gebildet, die sich „Clane“ nannten, ihre Losungen, Symbole und Beamten hatten und in abenteuerlicher Verkleidung, bei der ein weißer Mantel mit rothen Ohren oder Hörnern an der Capuze eine Hauptrolle spielte, in nächtlichen Razzias namentlich die verhaßten Schwarzen heimsuchten, die sie dann grausam mißhandelten, auspeitschten, mit Theer bestrichen und in Federn wälzten, an Baumäste henkten oder niederschossen. Die örtlichen Behörden waren nicht im Stande, diesem Unfug zu steuern; denn „zog man in jenen Gegenden einem Weißen die Haut ab, so kam ein Kuklux zum Vorschein“. Sie wendeten sich an den Gouverneur von Südcarolina, und da auch dieser rathlos war, so mußte der Präsident in Washington zum Einschreiten aufgefordert werden. Dasselbe erfolgte zunächst in Gestalt einer Proclamation, welche den Ruhestörern Frieden zu halten und das Gesetz zu achten gebot, widrigenfalls man mit Anwendung außerordentlicher militärischer Mittel gegen sie vorgehen werde. Dann ging unter lebhaftem Widerspruch der particularistischen Demokraten im Congreß ein Gesetz durch, dessen wesentliche Bestimmungen folgende waren: die Verbrechen, welche in den beunruhigten Counties bisher straflos begangen worden sind, fallen fortan unter die Jurisdiction der Unionsgerichtshöfe, nicht mehr unter die der Gerichte Südcarolinas; der Präsident erhält die Befugniß, ohne vorheriges Ansuchen seitens der gesetzgebenden oder vollziehenden Gewalt eines Staates Militärmacht anzuwenden, wenn es in demselben Aufruhr, Gewaltthätigkeiten oder Verschwörungen zu unterdrücken gilt; dem Präsidenten wird bis zum Schlusse der nächsten Sitzungsperiode des Congresses die Berechtigung ertheilt, unter gewissen Umständen das Privilegium des Habeascorpus als nicht bestehend zu behandeln.

Auf Grund dieses wichtigen Gesetzes, welches am 20. April 1872 zu Stande kam, erließ General Grant, nachdem eine Untersuchung herausgestellt, daß die Kukluxverschwörung in der That sehr mächtig und Gefahr im Verzuge, am 12. October eine Aufforderung an die Clane derselben, sich binnen fünf Tagen aufzulösen und ihre Waffen, Verhüllungen und Erkennungszeichen an den Bundesmarschall oder die Militärbehörde abzuliefern. Da

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