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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


liefern die bekannten Havanna-, Cuba-, Varinas-, Portorico-, holländischen und pfälzer, türkischen und chinesischen Tabake.

Die verschiedenen Species verdanken ihre Wirkung einem vorzüglich in den Blättern der Pflanze enthaltenen flüchtigen ölartigen Körper, dem „Nicotin“, dessen Gehalt in den verschiedenen Arten auch verschieden ist. Das Nicotin, eine organische Base, das heißt eine organische Verbindung, die mit Säuren ein Salz bildet, gehört zu den stärksten und am schnellsten tödtlichen Giften. Es bildet eine wasserhelle oder schwach gelbliche, ölartige, flüchtige Flüssigkeit, die einen penetranten, fast betäubenden Geruch und lange anhaltenden, brennenden Geschmack hat. Im reinen Zustande wirkt es schon in den kleinsten Dosen und recht schnell tödtlich.

Obwohl durch die Gewöhnung an den Gebrauch des Tabaks die Wirkung abgeschwächt wird, finden dennoch bei Gewohnheitsrauchern und -Kauern nach dem Genusse größerer Quantitäten Vergiftungserscheinungen statt. – Es ist gleichgültig, auf welche Weise das Nicotin dem Körper zugeführt wird, die Wirkung ist nicht ausgeschlossen, und deshalb theilen die Schnupfer die Vergiftungsgefahren der Raucher und Primer. Vergiftungserscheinungen bei Schnupfern sind jedoch nicht immer auf Nicotinvergiftung zurückzuführen; häufig hat man es mit einer Bleivergiftung zu thun. Man findet nicht selten Schnupftabak in Bleifolie verpackt; bei längerer Berührung mit dem Tabak oxydirt sich das Metall und geht mit einer im Schnupftabak enthaltenen organischen Säure eine Verbindung ein, die sich dem Tabak mittheilt. Auf diese Weise bringt der Schnupfer eine nicht geringe Menge eines Bleisalzes in seine Nase. Nun sind aber unter den Metallgiften die Blei-Oxyde höchst gefährlich, und man kennt Vergiftungen mit tödtlichem Ausgange in Folge des Schnupfens von Tabak, der in Blei verpackt war und in unmittelbarer Berührung mit den Bleiwänden gestanden hatte. Obwohl die Literatur nicht gerade arm ist an Beispielen von Tabaksvergiftungen mit tödtlichem Ausgange, so stehen dieselben doch in keinem Verhältnisse zu dem außerordentlichen Consum an Tabak und betreffen nur selten absichtliche Vergiftungen.

Eine ähnliche Erscheinung liefert uns der „Alkohol“, der ein gar starkes Gift ist und zu den verbreitetsten Genußmitteln gehört, aber selten zum Zwecke absichtlicher Vergiftung, um den Tod herbeizuführen, benutzt wird. Im reinen Zustande weder Nahrungs- noch Genußmittel, erfreut er sich in seinen verschiedenen Verdünnungen der größten Verbreitung und ruft die häufigsten Vergiftungserscheinungen hervor. Alle sogenannten geistigen Getränke verdanken ihre Benutzung und Wirkung dem Gehalte an Alkohol, der in den verschiedenen Formen seiner Verdünnung, in Wein, Bier, Schnaps etc., den wichtigsten Bestandtheil ausmacht. Der Alkohol, eine farblose, dünne, sehr leicht entzündliche Flüssigkeit, von angenehmem, durchdringendem Geruche und brennendem Geschmacke, kommt in der Natur fertig gebildet nicht vor, sondern tritt als Product der Entmischung gewisser organischer Körper auf, vorzugsweise bei dem Processe der sogenannten geistigen Gährung des Zuckers, wobei derselbe in Alkohol und Kohlensäure zerfällt.

Die giftige Wirkung des Alkohols tritt häufig schon bei dem Genusse einer geringen Menge ein, wird aber in dem Maße gedämpft, als derselbe verdünnt ist, so daß also dieselbe Menge Alkohol, verdünnt, nicht die Wirkung des reinen unverdünnten hervorbringt. Unbekannt dürfte die Wirkung wohl Niemand sein, denn man hat sie entweder selbst empfunden und gern empfunden – denn, wer nie einen Rausch gehabt, der ist kein braver Mann – oder man hat sie empfinden sehen, es sei denn, daß man noch keinen Betrunkenen gesehen hat; sie beruht auf der Eigenschaft des Alkohols, Wasser anzuziehen und Blut, respective Eiweiß gerinnen zu machen. Je nach dem Genuß größerer oder kleinerer Mengen geistiger Getränke tritt die Wirkung in verschiedenen Graden auf, denen der Volksmund gewisse Bezeichnungen gegeben hat, die allgemein verständlich sind und gebraucht werden wie „Spitz“, „Affe“ etc.

Da der Alkoholgehalt der verschiedenen geistigen Getränke ein sehr unterschiedlicher ist, so äußert sich selbstverständlich dieselbe Menge der verschiedenen Flüssigkeiten nicht auch durch dieselbe Wirkung. Wollte man aber die Veranlassung jeder krankhaften Erscheinung nach dem Genusse von Spirituosen dem Alkohol in die Schuhe schieben, so thäte man ihm offenbar Unrecht. Nicht selten wirken Ursachen mit, die mit dem Alkohol nichts zu schaffen haben. Besonders sind die Färbemittel der Liqueure oft nicht ganz unschädlich, ja zuweilen recht gefährlich. Mit diesen wird ein grober Unfug getrieben. Um den Liqueuren ein dem Auge schmeichelndes Aussehen zu geben, werden, ohne Rücksicht auf ihre Schädlichkeit, die verschiedensten Färbemittel angewendet, so das Anilin, verschiedene Kupferfarben, selbst Arsenikfarben etc. In neuerer Zeit kam ein gelbes Pulver in den Handel, das ein Surrogat für den theuren Safran sein soll und unter dem vielsagenden Namen „australischer Safran“ an den Mann gebracht wird, aber mit Ausnahme der Färbefähigkeit nichts weniger als die Eigenschaften des Safrans theilt; denn wie eine vorgenommene chemische Untersuchung gelehrt hat, besteht dieser sogenannte australische Safran (der dem Verfasser zur Untersuchung vorlag) aus Pikrin- und Chromsäure, ist also ein starkes, ätzendes Gift.

Um das Bier schmackhafter zu machen, ebenso um das Nachgähren desselben zu verhüten, werden häufig ebenfalls Mittel angewandt, die nicht immer unschuldig, in ihren Massen aber geradezu höchst bedenklich sind. Ein beliebter Zusatz, um eine angenehme Bitterkeit hervorzubringen, sind die sogenannten Krähenaugen oder Brechnüsse, Samen von Strychnos nux vomica, die das Strychnin, eins der stärksten Gifte, liefern. Zu demselben Zwecke setzen unsere Bairisch-Bier-Brauer ein sogenanntes „englisches Bierextract“ ihrem Fabrikate zu. Dieses Bierextract ist aber durchaus kein Bierextract, sondern ein mehr oder weniger concentrirter Auszug von Kokkelskörnern, den beerenartigen Früchten von Anamirta cocculus, und natürlich mit dem in letzteren enthaltenen Picrotoxin, das stark giftig ist. Erscheinungen nach dem Genusse von Bairisch-Bier, wie furchtbare Schwere des Kopfes, trockene Speichelabsonderung, kalter Schweiß etc. bei sonst völligem Bewußtsein und ohne Störung des Erinnerungsvermögens, sind nicht Symptome einer Alkoholvergiftung, sondern rühren von den schädlichen Beimengungen unserer Biere her.

Neben den geistigen Getränken, welche in der Absicht auf Nervenwirkung genossen werden, spielt als Genußmittel durch seine eigenthümliche Wirkung auf das Nervenleben der Kaffee eine hervorragende Rolle. Hier ist es wiederum ein Gift, das die Verbreitung und Verwendung vermittelt hat, eine Substanz, die, in geringer Menge genossen, die wohlthuendste Wirkung äußert, dem Körper aber in größerer Menge zugeführt, denselben zu zerstören geeignet ist. Ein Alkaloid, das „Coffeïn“ oder „Caffeïn“, ist der eigentliche Träger des Werthes und der Wirkungsfähigkeit des Kaffees, ihm verdankt der Kaffee seine große Verbreitung und Beliebtheit; der Gehalt an Coffeïn bestimmt die Güte des Kaffees – je reicher an diesem Alkaloid, desto größer, je ärmer, desto geringer der Werth. Schon eine verhältnißmäßig geringe Menge dieses Körpers ist im Stande, eine schädliche und, wie Versuche an Thieren gelehrt haben, tödtliche Wirkung hervorzubringen. Unangenehme Empfindungen und Beschwerden nach dem Genusse sogenannten starken Kaffees sind die Folge einer Coffeïnvergiftung. Schwächere Auszüge wirken nicht nur nicht schädlich auf den Körper, sondern ernährend und vorzugsweise belebend und anregend.

Das wirksame Princip des Kaffees findet sich auch in den Blättern des Theestrauchs (Thea chinensis oder bohea), die durch Aufguß den bekannten und ebenfalls verbreiteten Trank „Thee“ liefern. – Nicht selten werden verdorbene Kaffeebohnen, welche ihre ursprünglich grüne Farbe, die sie, nach Rochleder, einem Gehalte an viridinsaurem Kalke verdanken, verloren haben, ebenso verdorbene und mißfarbige Theesorten künstlich wieder hergestellt und nicht immer durch Anwendung unschuldiger Färbemittel; giftige Kupferfarben müssen hierzu häufig herhalten. Es ist daher nothwendig, sich durch Abwaschen der Kaffeebohnen oder der Theeblätter von der Echtheit der Farbe und somit der Waare selbst zu überzeugen.

Von vielleicht größerer Bedeutung als diese Gewohnheitsvergiftungen, wenn sie so genannt werden dürfen, und solche, die beim Betriebe gewisser Gewerbe durch den Umgang mit Giften herbeigeführt werden, sind die, die ihr Vorkommen der Verwechselung von Nahrungsstoffen mit giftigen, in Folge von Unvorsichtigkeit, Unerfahrenheit oder maskirter Erkennungsmerkmale verdanken. Daß anstatt grüner Petersilie Schierlingsblätter oder Hundspetersilie in der Küche verwendet werden, ist durchaus nicht selten. Eine wesentliche Rolle unter solchen im Haushalte vorkommenden Giften spielen die Pilze und Schwämme, von deren

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_299.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)