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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


in bleibender Form neu errichtet werden könnte, wurde nach Bewältigung großer Schwierigkeiten erst im Herbste 1872 möglich, während die Miethe des alten Gartens bereits mit Ende desselben Jahres ablief. Es konnte indeß eine Verlängerung der Pachtzeit um ein weiteres Jahr erzielt werden. Das nun zur Verfügung der zoologischen Gesellschaft gestellte Terrain ist die in der Chronik der Stadt Frankfurt oft genannte Pfingstweide, welche seit dem Jahre 1848 historisch geworden ist. Die Behörden überließen diesen Platz, der einen Flächengehalt von etwa vierunddreißig Frankfurter Morgen hat, der zoologischen Gesellschaft auf neunundneunzig Jahre gegen eine sehr mäßige Pachtsumme. So sah sich nun die neue Gesellschaft einer ungewöhnlich schwierigen Aufgabe gegenüber; handelte es sich doch um nichts Geringeres, als die Errichtung eines in großartigem Style projectirten zoologischen Gartens in der verhältnißmäßig kurzen Zeit von etwa einem Jahre. Diese Aufgabe ist glänzend gelöst worden.

Nachdem nun sofort ein provisorischer Plan angefertigt worden war, unternahmen der zum Leiter des Baues ernannte Architekt Herr Lorenz Müller, der mit Herstellung der Gartenanlage betraute Stadtgärtner Herr A. Weber und der Director des Gartens Herr Dr. Max Schmidt eine größere Orientirungsreise, auf welcher sie zwölf Thiergärten und fünf Aquarien in Deutschland, Holland, Belgien und England besuchten. Sie fanden keinen Anlaß, an ihren früheren Entwürfen wesentliche Veränderungen vorzunehmen.

Als die Gesellschaft ihr neues Besitzthum antrat, diente dieses als Exercirplatz. Am 3. März 1873 geschah der erste Spatenstich. Nach rastloser Arbeit während des ganzen Sommers lichtete sich gegen den Herbst hin das Chaos ganz allmählich und erst an einzelnen Stellen. Die milde Witterung des Winters gestattete eine fast ununterbrochene Fortsetzung der Arbeiten, so daß am 9. Februar mit den Thiertransporten aus dem alten in den neuen Garten begonnen werden konnte. Wir müssen darauf verzichten, hier auf die interessanten Einzelheiten dieses Umzuges überzugehen, und begnügen uns, auf die Darstellung zu verweisen, welche der Director in der Zeitschrift „Der zoologische Garten“ gegeben hat.

Am 29. März des vergangenen Jahres wurde der neue Garten dem Besuche des Publicums geöffnet. War er auch noch nicht vollständig fertig gestellt, was bei der Kürze der Bauzeit (nicht ganz dreizehn Monate) nicht befremden kann, so bot er doch schon ein fast vollständiges Bild dar. Besonders waren alle Thiere so untergebracht, daß sie von den Besuchern bequem gesehen werden konnten. Im Laufe der nächsten Wochen vervollkommneten sich Bauten und Anlagen mehr und mehr; die vorläufigen Einrichtungen verschwanden, und es erscheint nunmehr Alles endgültig geordnet.

Doch machen wir eine Runde durch den Garten! Wir nehmen an, daß wir den Garten durch den nicht vollendeten – westlichen Eingang betreten. Der Weg führt uns zunächst an der vierzig Meter langen Fasanenvolière (Nr. 5 unseres Bildes) vorüber. In den einfachen, geräumigen Behältern aus Drahtgeflecht finden wir ein buntes Treiben der Vögel, deren prächtiges Gefieder von der grünen Anpflanzung sich freundlich abhebt. Mitten unter den Kindern der Tropen thront in stolzer Haltung unser deutscher Auerhahn.

Wenige Schritte führen uns zu dem Raubthierhause (7). In den an beiden Enden des sechszig Meter langen Gebäudes weit vorspringenden geräumigen Eckpavillons sehen wir ein Paar Löwen und ein Paar Königstiger von seltener Schönheit, welche auf hohen Felsengruppen malerisch gelagert sind und mit offenbarem Behagen die gewaltigen Glieder recken. Sie sind so zahm, daß sie sowohl von ihrem Wärter, wie auch dem Director des Gartens sich gern liebkosen lassen und, sobald sie derselben ansichtig werden, freundlich brummend herbeikommen und sich nach Katzenart am Gitter reiben. In den dazwischen liegenden Behältern finden wir Leoparden, Panther, Puma und wie die großen Raubkatzen alle heißen mögen. Weit vorspringende Dächer schützen die Thiere sowohl vor den grellen Sonnenstrahlen, wie dem Regen. Den Äußenkäfigen entsprechen in dem Innern des Hauses ähnliche geräumige Behälter, die sehr reinlich und wohnlich angelegt sind. Die Käfige sind untereinander durch ebenso einfache wie zweckmäßige Schiebevorrichtungen verbunden, so daß die Thiere leicht von einer Abtheilung in die andere gebracht werden können.

Unfern vom Raubthierhause, und wie jenes nach Süden gerichtet, befindet sich das Affenhaus (8), welches, aus einem Mittelbau und zwei Seitenflügeln bestehend, seinen Insassen einen ebenso freundlichen, wie gesunden Aufenthalt bietet. Es enthält drei ganz von einander geschiedene Abtheilungen, welche eine Trennung der Affenarten ermöglichen, so daß diejenigen, deren Haltung ähnliche Bedingungen erfordert, in dem gleichen Raume leben können. Wir finden hier beinahe hundert der übermüthigen Vierhänder, welche in den geräumigen Käfigen ihre Virtuosität im Klettern und Springen zu zeigen Gelegenheit haben.

Weiter gehend, gelangen wir an einer kleinen Colonie von Hunden edler Racen vorüber nach dem von einer künstlichen Ruine mit hohem Thurme bekrönten Hügel, dessen Abhänge den Mouflons, Gemsen und Yaks sehr naturgemäße Aufenthaltsorte bieten. Die Ruine enthält die Behausungen der Eulen, Thurmfalken und ähnlicher Vögel und bietet von einer breiten Bastion mit weit vorspringenden Erkern einen lieblichen Rundblick über den Teich und die benachbarten Theile des Gartens. Hier erhebt sich auch der mächtige zwanzig Meter hohe Thurm, der die Hochreservoire der Wasserleitung des Gartens trägt und dessen Plattform mittelst einer bequemen Treppe leicht zu besteigen ist. Die Aussicht, welche man hier genießt, lohnt die kleine Anstrengung reichlich; im Vordergrunde überblickt man die Stadt und den Main, umgrenzt von den Höhen des Taunus, Spessarts und Odenwaldes.

Ehe wir den Hügel verlassen, sei des vorerst noch unsichtbaren Baues gedacht, welchen er birgt, nämlich des erst im Rohbau vollendeten Seewasser-Aquariums. Dasselbe ist ganz im Boden versteckt und zwar derart, daß die hohe Halle des Besucherraumes von dem Gipfel des Hügels überragt wird. Nördlich neben der Bastion stürzt ein malerisch angelegter Wasserfall hoch herab und führt ansehnliche Wassermengen, zu weißem Schaume zerschlagen, dem Teiche zu. Auch diesem Theile der Anlage merkt der Besucher nicht die rasche Entstehung auf dem ebenen Exercirplatze an, denn der Hügel bildet eine natürlich scheinende Fortsetzung der benachbarten Höhen, und die Ruine erhält durch die zu derselben verwendeten alterthümlichen Steinhauer- und Schlosserarbeiten ein sehr „echtes“ Aussehen.

Das provisorische Maschinenbaus (12) zur Linken lassend, gelangen wir an dem für die Directorwohnung bestimmten Platze (13) vorüber nach dem Schmuckvogelhause (17). An seine Außenseite lehnen sich die in Eisen hergestellten geräumigen Flugkäfige, welche mit fließendem Wasser versehen und mit Sträuchern bepflanzt sind. Hier finden wir die buntgefiederten Bewohner aller Zonen vertreten, besonders aber Papageien in glänzenden Farben, welche sich schreiend und zwitschernd umhertummeln. Viele derselben sind soweit an das hiesige Klima gewöhnt, daß sie selbst den Winter über im Freien bleiben können, und haben durch zahlreiche Bruten den Beweis geliefert, wie außerordentlich wohl sie sich dabei fühlen. Das Innere des Hauses beherbergt in wohnlicheren Gebauern eine reiche Sammlung von empfindlicheren Vögeln, wie Pfefferfresser, Nashornvögel und andere mehr.

Dicht neben dem Vogelhause finden sich die Schweineparks (18). Hier ist das Schwein nicht das Thier, „welches seinen Namen mit Recht führt“. Vergebens sucht man nach einem Moraste, in welchem diese Dickhäuter schmutzbedeckt umherwaten; sie stehen auf reinem, festem Boden sauber und gefällig, und klares Wasser ist genügend vorhanden, um darin zu baden, so oft ihnen beliebt.

Wie aus Ironie zusammengestellt, finden sich in der nächsten Umgebung des Schweinehauses diejenigen Nager, deren Namen fälschlich mit „Schwein“ zusammengesetzt ist, nämlich die Meerschweinchen (22) und das Stachelschwein (20).

Wir werfen einen Blick auf einen zierlichen Drahtkäfig (18), der eine Sammlung prächtig gefärbter, meist amerikanischer Eichhörnchen beherbergt, und betreten dann das geräumige Gebäude, vor dem wir angelangt sind. Es ist das Elephantenhaus (19), welches mit verschiedenen Veränderungen und zweckentsprechender Vergrößerung aus dem alten Garten herüber genommen worden ist. Eine hohe, luftige, buntbemalte Halle

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 335. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_335.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)