Seite:Die Gartenlaube (1875) 348.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


war. „Unser Herr Kammerpräsident braut einmal wieder nach seiner Art ein Ungewitter fertig, das sich über dem Kopfe des jungen Mannes entladen soll. Er hat meinem Bruder recht üble Dinge in den Kopf gesetzt. Der Junker soll ein Freund von Neuerungen im Jagd- und Forstwesen sein, wohl gar noch freiheitliche Ideen hegen, die er auf der Akademie eingesogen hat. Er soll auch zum Schaden unserer Kammer in näheren Beziehungen zum Domänenrath Hartmann stehen, den mein Bruder jetzt seltsamer Weise für einen Feind und Gegner hält.“

„Aha, ich merke, wohin diese Schliche des Herrn Präsidenten führen,“ warf die kleine, kugelrunde Kammerfrau mit listigem Augenblinzeln ein.

„Was merken Sie?“

„Ich meine nur, daß er sich einen Nebenbuhler vom Halse schaffen will.“

„Sie glauben doch nicht, daß der Junker nach der Stelle des Präsidenten trachtet?“ fragte die Comtesse mit einem Blicke, der zugleich Verwunderung und Besorgniß ausdrückte.

„Ei bewahre! Fällt dem Junker, mit unterthänigstem Verlaub zu reden, nicht im Traume ein. Nein, er kreuzt auf andere Weise die stillen Wege unseres wackeren Herrn von Straff.“

„Wie versteh’ ich das, Frau Weiß?“

„Ei nun, es ist ja ein offenes Geheimniß, daß sich unser Herr Präsident bei der schönen und reichen Tochter des Herrn Domänenraths einen Korb geholt hat, während unser hübscher Junker der begünstigte Liebhaber ist.“

„Also dort wäre Kurt von Holderbusch schon gebunden?“ sagte die Comtesse. „Ich glaubte wirklich eine Zeitlang, daß er in nähere Beziehungen zur Tochter des Präsidenten treten könne. Bei unseren letzten Soiréen habe ich das hübsche Paar mehrmals recht lebhaft plaudern sehen.“

„Das hat meine scharfsinnige Comtesse nicht im Ernste gedacht,“ entgegnete Frau Weiß. „Freilich kann Fräulein Hulda recht geistreich sprechen, wenn es ihr darauf ankommt, und sie ist auch durchaus nicht häßlich, aber zu unserem offenherzigen und munteren Junker paßt die steife, vorurtheilsvolle Dame doch wie Wasser zum Feuer.“

„Und Sie meinen auch, dieser alte Sünder von Präsident denke daran sich nochmals zu verheirathen?“ fuhr die hohe Dame fort. „Wissen Sie das sicher, Frau Weiß?“

„Meine Nachrichten sind stets zuverlässig, Erlaucht,“ entgegnete die Kammerfrau fast ein wenig durch den Zweifel gekränkt. „Ich weiß zur Genüge, daß meine erlauchte Comtesse lügenhafte Klatschereien nicht liebt. Der alte Christian Blümchen von Oberlandjägermeisters selbst hat mir die Nachrichten mitgetheilt.“

„Das ist allerdings ein zuverlässiger Gewährsmann,“ bemerkte die Comtesse gedankenvoll.

„Ja, und heute hat der Herr Präsident, bevor er zu unserem gnädigsten Herrn gegangen ist, droben bei der Frau Oberlandjägermeisterin eine Visite gemacht. Da hat er gewiß bei der stolzen Frau, die selbst ihre Schnupftücher stets so trägt, daß man das freiherrlich von Moosgrund’sche Familienwappen nothwendig sehen muß, nach besten Kräften gehetzt und geschürt.“

Comtesse Charlotte ging einige Mal schweigend mit raschen Schritten im Zimmer auf und ab, und ihr sonst so gütiges und anmuthiges Gesicht nahm dabei einen immer ernsteren, entschlosseneren Ausdruck an.

„Diese Ränke müssen durchkreuzt werden – ich bin entschlossen,“ sagte sie endlich mit ungewohnter Schärfe. „Der böse Mensch soll nicht noch ein Lebensglück vernichten, wie er einst das meine zertrümmert hat.“

Frau Weiß rieb sich still vergnügt die rundlichen, weißen Hände.

„Gott sei Dank, das giebt endlich eine kleine Intrigue,“ lispelte sie kaum hörbar. „Man stirbt ja sonst auf diesem höchst ehrbaren Schlosse vor Langeweile.“

Aber die feinen Ohren der Comtesse hatten die Worte dennoch aufgefangen. Sie trat plötzlich fast drohend an die kleine Kammerfrau heran.

„Keine Intriguen! Das bitte ich mir nochmals aus, Frau Weiß,“ sagte sie sehr entschieden. „Mein Weg ist stets der gerade, und so Gott will, halte ich auch ferner unseren Hof wie bisher von Kabalen frei.“

In den klugen Augen der Kammerfrau leuchtete es eigenthümlich auf. Es war fast, als wolle sie entgegnen, daß dieses ehrliche Streben ihrer hohen Herrin bisher nichts weniger als vom Glücke begünstigt gewesen sei. Aber sie bezwang glücklicher Weise ihr leicht bewegliches Zünglein.

„Ich fürchte nur, auf geradem Wege richten wir diesmal nichts gegen den sehr verschmitzten Präsidenten aus,“ bemerkte sie resignirt. „Er steht allzufest in der Gunst unseres gnädigsten Herrn und scheut kein Mittel, um seine Zwecke zu erreichen.“

Die Comtesse schwieg, in Erinnerung an die heutige Aeußerung ihres Bruders gedankenvoll, und fast mit dem Ausdrucke einer leichten Entmuthigung.

„Bedenken Erlaucht gnädigst auch, wie dieser Herr von Straff uns selbst betrogen hat!“ fuhr Frau Weiß, welche diese allzustarke Wirkung ihrer Worte nur ungern bemerkte, entschlossen fort. „Es sind seitdem zwanzig Jahre in’s Land gegangen, aber mir ist es noch, als wäre es heute geschehen. Wie er uns und diesen Herrn Hartmann, den hübschesten und bravsten jungen Mann in der Christenheit, wenn er auch nicht ebenbürtig und nicht einmal Cavalier war, erst durch mancherlei kleine Dienste und Winke sicher machte, daß wir wahrlich glaubten, er begünstige das Verhältniß, und wie er uns dann so schändlich an den allergnädigsten Herrn Papa verrieth. Wäre er nicht gewesen, so geböte jetzt unsere geliebte Comtesse auf den reichen Gütern des Domänenraths und dieses Schicksal wäre wahrlich nicht zu verachten. Ich werde diese Verrätherei dem Präsidenten niemals vergessen, mag das allzumilde Herz Euer Erlaucht darüber urtheilen wie es will.“

Die Comtesse stampfte zornig mit dem kleinen Fuße.

„Sie haben Recht; es war eine schändliche Verrätherei,“ rief sie dann. „Aber so Gott will, soll dieser Herr von Straff wenigstens jetzt kein neues Unheil säen. Ich will der Tochter des Mannes, der mir einst nahe, ja recht nahe gestanden hat, eine treue Freundin und Helferin sein, wenn das Paar meine Hülfe nicht verschmäht.“

„Verschmähen? Ei, du mein lieber Himmel!“ rief die Kammerfrau. „Mit beiden Händen wird das arme, junge Volk nach der gnädigen Hand fassen.“

„Meinen Sie? Aber bevor ich eingreife, möchte ich das Mädchen, Hartmann’s Tochter, wohl einmal sehen und sprechen. Können Sie das geschickt zu Wege bringen?“

„Nichts leichter, als das, Erlaucht. Sie ja heute in der Stadt bei der Tante, wie ich von Oberlandjägermeisters Christian weiß. Da nun unser gnädigster Herr heute nicht in den Garten kommt, so – –“

„Ja, ja, so geht es,“ rief die Comtesse mit aufleuchtenden Augen. „Ich werde mit dem Junker darüber reden und hoffe mein Ziel zu erreichen. Doch nur auf geradem Wege und ohne Intrigue, Frau Weiß.“

„Herr Jagdjunker von Holderbusch!“ meldete der alte Diener.

„Er ist willkommen.“

Frau Weiß huschte in das Nebenzimmer, ehe der Junker eintrat.

„Keine Intriguen?“ murmelte sie lächelnd. „Als ob nicht schon jetzt eine der besten Intriguen meines Lebens begonnen hätte.“

(Fortsetzung folgt.)
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 348. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_348.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)