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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


„Habe heute zu thun, Herr Oberlandjägermeister.“

„So? Meint Errr etwa, ich hätte nichts zu thun, als nach Ihm zu schrreien?“

„Viel mehr wird’s auch nicht sein.“

„Was? Ich arrbeite mich fast zu Tode. Habe heute schon ein zwei Hände hohes Actenstück ganz allein zusammengeschrieben. Was sagt Errr nun?“

„Daß der Herr Oberlandjägermeister nicht flunkern sollen, wenn wir Beide allein sind,“ entgegnete der alte Diener unerschrocken.

„Kerrl, was wagt Errr – –“

„Na, na, nur ruhig! Wir Beide kennen uns doch nun gut genug,“ sagte Christian in seiner halb lachenden, halb grimmigen Weise. „Dem anderen Volke können Sie auch meinetwegen vorlügen, so viel Sie immer wollen! Der Christian hilft Ihnen ja doch immer wieder heraus, wenn Sie sich ’mal in die Patsche hineingelogen haben und nicht vorwärts und rückwärts können. Aber unter uns? Nein, da geht das partout nicht. Denn, sehen Sie, ich glaube Ihnen nun einmal kein Wort, und Sie können nicht allein mit dem Lügen fertig werden.“

„Allerrrliebst! Errr wird ja alle Tage höflicher. Aber wo sind meine Stiefeln? Sind sie immer noch nicht blank?“

„Ihre Stiefeln? Ich bin noch nicht einmal mit meinen fertig. Unser Graf muß wahrhaftig heute einen Strich – –“

Weiter kam Christian mit seiner verwegenen Rede nicht, denn sein Herr hielt ihm erschrocken den Mund zu.

„Ach was, ich fürchte mich nicht,“ rief Christian, sobald er die Hand des Oberlandjägermeisters mit sanfter Gewalt hinweggeschoben hatte. „Ich bin nicht, wie andere Männer, die immer wunder welche Heldenthaten zusammenlügen, und wo es dann gilt, sich wie ein Krauthase verkriechen.“

„Wen meint Errr mit dem Krrrauthasen?“ schnarrte der Oberlandjägermeister grimmig.

„Nun, wen sonst als Sie?“ entgegnete Christian. „Haben Sie sich etwa heute nicht versteckt, als der Präsident kam?“

„Hm, hm, ja allerrrdings,“ gab Blümchen’s Herr zu. „Das ist ein anderrr Ding. Werrr liebt auch solche Scenen? Konnte mir wohl denken, warum dieserr Herr von Strrraff kam. Fatale Geschichte mit dem Kurrrt, höchst fatal.“

„Warum fatal?“ fragte Christian „Wenn der Herr Oberlandjägermeister ein Mann wären – – –“

„Wa –, was bin ich denn sonst?“

„Das weiß ich nicht. Aber ich wenigstens ließe mir nicht in meine Familiensachen hineinsprechen. Mit Verlaub, eher würfe ich den Präsidenten sammt seinem Johann die Treppe hinunter, daß alle Beide Arme und Beine brächen.“

Wieder machte der Oberlandjägermeister einen Versuch, den tollkühnen Mund zu verschließen, aber diesmal wehrte der alte Diener seine Hand rechtzeitig ab und fuhr fort:

„Wär’s denn auch ein so großes Unglück, wenn unser Kurtchen die Mamsell Hartmann freite? Ich denke, ein bissel Geld können wir Alle brauchen. Was soll’s zum Exempel werden, wenn die Stiefeln da aus den Nähten gehn? Meister Patz rührt für uns meiner Seel’ ohne Geld keine Pfrieme mehr an.“

„Derr Kerrrl ist wohl toll?“ schnarrte Herr von Holderbusch sichtlich erschrocken.

„Nein Meister Patz ist nicht toll,“ fuhr Christian Blümchen trocken fort. „Eher sind gewisse Leute ein bissel toll, wenn sie um bloßer Einbildungen willen das Glück zur Thür hinauswerfen. Fassen Sie ’mal Courage, Herr Oberlandjägermeister! Machen Sie der gnädigen Frau den Standpunkt klar!“

„Errr hat im Grrrunde Rrrecht. Wahrhaftig Errr hat Rrrecht,“ erklärte der dicke Herr feierlich, indem er mit entschlossenen Schritten und geballten Fäusten im weiten Vorsaale pantoffelschlarfend auf und ab schritt. „Meine Frrrau nimmt sich wirklich manchmal zu viel heraus, das ist wahrrr. Ich werde ihr bei der allernächsten Gelegenheit meine Meinung sagen. Ja, das werd’ ich auf Ehrrre.“

„Holderbusch, bist Du im Vorsaale?“ rief in diesem Augenblicke eine schneidig scharfe Stimme aus dem anderen Nebenzimmer.

„Da können Sie ja Ihre Worte sogleich an – an – die Frau bringen,“ sagte Christian mit einem seltsamen Lächeln. „Spazieren Sie nur da hinein, Herr Oberlandjägermeister!“

„Nicht fürrr eine Million!“ erklärte der dicke Herr erschrocken. „Chrrristian, was thu’ ich? Das giebt gewiß eine schlimme Scene. O, du mein Himmel!“

„Na, so will ich zu der Gnädigen geh’n. Ich fürchte mich nicht. Da halten Sie unterdessen meine Pfeife im Brande.“

Ehe noch der Oberlandjägermeister zum vollen Bewußtsein des an seiner Würde geübten überkühnen Attentats kommen konnte, hielt er bereits die kurze Stummelpfeife seines Dieners in der Hand; Letzterer aber war im Nebenzimmer verschwunden.

„Was will Er? Ich habe nicht geschellt,“ herrschte dem alten Diener die schneidige Stimme der gnädigen Frau sofort bei seinem Eintritte in deren Zimmer entgegen.

„Weiß wohl, gnädige Frau. Der gnädige Herr sind – sind aber zufällig nicht – nicht da, und so kam ich.“

„Das sehe ich. Im Uebrigen kann mir auch Sein Erscheinen recht sein; denn Er ist im Grunde ein ganz verständiger Mensch.“

„Ja, das bin ich allerdings,“ erklärte Christian mit dem Ausdrucke ruhigen Selbstbewußtseins, während doch zugleich ein seltsames Aufleuchten in seinen Augen anzudeuten schien, daß ihn die überflüssige Anerkennung unleugbarer Thatsachen tief-innerlich belustige. „Was befehlen gnädige Frau?“

„Ich habe mit Ihm verschiedene ernste Dinge zu besprechen.“ –

„Gut, aber machen Sie es hübsch kurz, gnädige Frau! Ich habe für lange Constellationen heute keine Zeit.“

Die Frau Oberlandjägermeisterin biß sich in verhaltenem Zorne auf die Lippe. „Kurz, zur Sache!“ sagte sie dann, ihre innere Entrüstung niederkämpfend. „Da Er in guten Häusern servirt hat, so weiß Er gewiß auch, wie viel dort auf Reinheit des Blutes ankommt. Sehe Er einmal, Christian, mein Schwager, der kurfürstliche General von Holderbusch, Excellenz, ist Majoratsherr. Und nun habe ich zu meinem Schrecken durch den Präsidenten erfahren, daß mein Sohn ein Verhältniß mit einem bürgerlichen Mädchen angeknüpft hat. Hierdurch aber würde der Fortbestand des Majorats bei unserer Familie gefährdet, und deshalb darf und soll er sich nicht unter seinem Stande verheirathen.“

„Aber gnädige Frau, ich will mich ja gar nicht verheirathen. Denke gar nicht daran, sag’ ich Ihnen.“

Die Oberlandjägermeisterin erhob sich rasch von ihrem Sitze und trat mit zornig blitzenden Augen an ihren Diener heran.

„Wenn ich nicht wüßte, ein wie treuer Diener Er immer gewesen ist, so würde ich Ihn jetzt in einer Weise mores lehren, die Ihm nicht gefiele,“ sagte sie dann. „Denkt Er etwa, ich glaube bei Ihm an diese wunderbare Naivetät, so irrt Er sich. Ich habe mindestens soviel Verstand, wie Er, und ich sage Ihm also, daß Er recht wohl weiß, ich rede vom Junker und nicht von Ihm.“

„Ah so, ah so, vom Junker,“ erwiderte Christian, der diesmal doch ein wenig verblüfft darüber schien, daß die Gnädige sein keckes Spiel so rasch durchschaut hatte. „Gnädige Frau meinen also, daß unser Junker die Demoiselle Hartmann nicht heirathen soll? Ein böses Ding das, gnädige Frau.“

„Warum? Glaubt Er etwa, Kurt werde seinen Eltern nicht gehorchen?“

„Was unser Kurt thun wird, das kann ich nicht sagen, gnädige Frau. Wenn man verliebt ist, dann hat man so seine eigenen Schrullen, wie gnädige Frau wohl auch wissen. Es wäre jedenfalls am besten, man schaffte die Doppelflinte, die beiden Pistolen und die Pürschbüchse aus der Stube unseres Junkers fort.“

„Christian, was redet Er da?“ rief Frau von Holderbusch erbleichend. „Er denkt doch nicht –“

„Ich denke nur, besser ist besser, gnädige Frau.“

„O mon dieu, mon dieu!“ jammerte die Gnädige, indem sie mit gerungenen Händen im Zimmer auf- und abschritt. „Mein Kurt, mein einziges Kind! Warum muß über uns solches Unheil kommen?“

„Ruhig, gnädige Frau! Unser Kurt ist ja noch nicht todt. Am Ende ist es doch auch besser, der Junker bekommt eine hübsche junge Frau, die Batzen hat, als die Schulden des Herrn Generals.“

„Er redet, wie Er’s versteht,“ entgegnete Frau von Holderbusch mit einem Anklange an den alten scharfen Ton. „In

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