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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


nicht. Er ist hübsch, hat etwas gelernt, weiß sich zu benehmen und ist im Grunde auch nicht bösartig.“

„Aber er hat nicht den Ehrgeiz, den ich von einem Manne unseres Standes verlange,“ entgegnete Hulda stolz. „Er strebt nicht nach höherem Einflusse bei Hofe und denkt sogar vom Adel gering.“

„Natürlich, ganz natürlich,“ lachte der Präsident. „Das geschieht, weil er eben ein bürgerliches Schätzchen hat.“

„Also bis dahin erniedrigt sich der Junker? Und wen beglückt er durch seine noble Neigung?“

„Wie? Solltest Du allein am Hofe noch nicht wissen, in welchem Verhältnisse Kurt von Holderbusch zur Anna Hartmann, der Tochter des Domänenraths in Brandenfels, steht?“ „Du weißt, daß ich mich um sentimentale Affairen, die in

Schloß und See Veldes in den Krainer Alpen.
Nach der Natur aufgenommen.

solchen Schichten der Gesellschaft spielen, grundsätzlich nicht kümmere. Dagegen muß ich jetzt einen sehr ernsten Vorwurf gegen Dich selbst richten. Du hast um diese schimpfliche Neigung des Junkers gewußt und hast mir dennoch rathen können, daß ich die Berührung mit ihm suche?“

„Es paßte eben für meine Zwecke, daß wenigstens der Graf an ein Verhältniß zwischen Dir und dem Junker glaube,“ entgegnete der Präsident kalt.

„Vortrefflich! Welch zärtlichen Vater ich habe!“ rief Hulda von Straff mit schneidiger Schärfe. „Wie ängstlich besorgt er um die Ehre seiner einzigen Tochter ist! Und diesen Schimpf sollte ich auch noch zum Gegenstande von Beschwerden beim Grafen machen? Gott sei gelobt, daß er mich wenigstens vor diesem Aeußersten bewahrte!“

„Du bist und bleibst ewig eine Närrin, welche der Hochmuth völlig blind macht,“ erklärte der Alte. „Wer den Zweck will, muß auch die Mittel nicht scheuen und nicht viel nach ihren moralischen Qualitäten fragen. Nur rücksichtslose Geister kommen in dieser Welt zum Ziel.“

„Sind diese Zwecke auch der Art, daß Deine Tochter sie erfahren darf?“ fragte Hulda mit einem seltsam forschenden Blicke.

„Warum nicht?“ entgegnete der Präsident nach kurzem Bedenken. „Die lebhafte Zuneigung des Grafen zu seiner Schwester ist von je das gefährlichste Hinderniß meiner Pläne gewesen, und gar manchen davon hat mir die Comtesse zu meinem argen Verdrusse vereitelt. Wenn es mir gelänge, dieses Band zu zerschneiden, wie ich einst die noch zärtlicheren Fesseln zwischen der Comtesse und dem jetzigen Domänenrath Hartmann zertrennte, so wäre meine Stellung unerschütterlich. Nun liebt der Graf den Domänenrath nicht, weil es mir bei der Hainröder Erbtheilung durch einen glücklichen Griff gelang, das Gut und die Waldungen Hartmann’s als churfürstliche Enclave zu bewahren, das heißt wie einen recht stachligen Dorn mitten in die gräflichen Jagdreviere hinein zu pflanzen. Die Comtesse aber wird natürlich aus alter Liebe, die nie rostet, das Verhältniß zwischen dem Junker und Hartmann’s Tochter begünstigen. Sollte also auf solchem Boden, wenn wir ihn noch ein wenig cultiviren, der segensreiche Keim einer goldenen Zwietracht zwischen den gräflichen Geschwistern nicht gedeihen können?“

(Fortsetzung folgt.)

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 365. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_365.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)