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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Diesem Salon würdig zur Seite stand derjenige der Schwester der Frau von Arnstein, der Baronin von Eskeles, der zwar in vornehmer und eleganter Haushaltung dem ihrer Schwester nicht gleich kam. Auch hier traf man die angesehensten Diplomaten. Graf Capodistrias und Pozzo di Borgo bildeten hier den Mittelpunkt und belebten die Gesellschaft durch ihre geistreiche Unterhaltung.

Noch muß einer Dame Erwähnung geschehen, die, obwohl von niedriger Herkunft, zu den Schönheiten ersten Ranges zählte und die Gemahlin eines der reichsten Banquiers war. Es war dies Frau von Gallmeyer. Man nannte sie nach Calderon’s Tochter der Luft „Semiramis“, eine Bezeichnung, die das besondere Wesen dieser Dame, das mehr Bewunderung als Zuneigung zu erregen vermochte, erschöpfend charakterisirte.

Zu den glänzendsten Salons zählte derjenige der geistreichen Frau von Pereira, in welchem jedoch nur ein kleiner gewählter Cirkel verkehrte. Ein Gleiches fand statt bei der damals berühmten, jetzt fast ganz vergessenen Schriftstellerin Frau Karoline Pichler, in deren Salon nicht nur die Schöngeister Wiens, Castelli, Schlevogel, von Curland, von Collin, der Erzieher des jungen Napoleon, sondern auch die Musageten des Auslandes, wie Stägemann, Varnhagen, Koreff und mehrere Andere lebhaft verkehrten.

Außer den genannten Damen, die namentlich als Wirthinnen in ihren Salons glänzten, könnte noch eine weitere nicht eben kleine Anzahl genannt werden, wenn dies nicht die Grenzen dieser Mittheilung überschreiten würde; doch müssen wir noch der Salons der auswärtigen Damen gedenken. Frankreich war durch die Gräfin Edmond Perigord, Preußen durch die Prinzessin von Thurn und Taxis, England durch Lady Castlereagh und Dänemark durch die Gräfin Bernstorff vertreten. Das Interesse Polens verfolgte die Fürstin Lubomirska und Rußland wurde durch die Fürstin Bagration repräsentirt.

Der Salon der Fürstin Lubomirska, die sich bereits nach dem Tode ihres Gemahls, des Feldmarschalls, in Wien niedergelassen hatte, übertraf an Glanz und Eleganz alle anderen, und man fand daselbst stets die ausgewählteste Gesellschaft. Da sie selbst weder jung noch schön war, so hatte sie sich mit mehreren jungen und schönen Polinnen, darunter die Gräfinnen Riczewuska und Potocka, umgeben, die ihr in ihren häuslichen Obliegenheiten in der bezauberndsten Art beistanden. Ihr Salon gewährte überdies eine Vorstellung von dem fabelhaften Aufwande der polnischen Großen zur Zeit ihres höchsten Glanzes. Ihr in einem Parke gelegenes Hôtel, die Dienerschaft, Equipagen, und die ganze fürstliche Einrichtung zeigten, was orientalische Pracht in Verbindung mit europäischem Geschmacke zu leisten vermag, und dieser Umstand hatte der Fürstin auch die Bezeichnung „Feldmarschallin auf dem Gebiete der Eleganz“ verschafft. Uebrigens zeigte dieser Salon den national-polnischen Charakter, worüber die Fürstin mit Sorgfalt wachte. – Weniger durch Pracht und Eleganz als durch die Schönheit der Wirthin ausgezeichnet, war der russische Salon, in welchem die Fürstin Bagration, die Gemahlin des gleichnamigen Feldmarschalls, ihren Landsleuten in Wien die Honneurs machte. Sie war eins der glänzendsten Gestirne unter den auf dem Congresse leuchtenden Frauenschönheiten und strahlte im Glanze aufblühender Jugend. Man bewunderte das liebliche Antlitz, zart und weiß wie Alabaster, mit leicht angehauchtem Rosenroth, das fein, zierlich, sanft und doch auch ausdrucksvoll war. Schlug sie die Augen nieder, so erschien sie demüthig und ergeben, erhob sie dieselben, so gewahrte man einen gebietenden, beherrschenden Ausdruck. Ihre Gestalt war von mittlerer Größe und vereinigte orientalische Weichheit mit andalusischer Fülle. Sie war dabei ausgezeichnet durch liebenswürdige Zuvorkommenheit gegen ihre Gäste und eine nicht gewöhnliche geistige Begabung. Sie veranlaßte musikalische Soiréen, ließ lebende Bilder stellen, berief sogar eine talentvolle Schülerin des berühmten Talma vom Théâtre français, eine Demoiselle L., die ganz besonders vom Kaiser Alexander begünstigt wurde, nach Wien, die Scenen aus französischen Trauerspielen aufführte, denen dann gewöhnlich ein glänzender Ball folgte.

Eine andere sehr beliebte Unterhaltung in ihrem Salon waren die von ihr veranstalteten Lotterien, zu welchen die eingeladenen Herren und die ohne Einladung erschienenen Fürsten die mitunter sehr werthvollen Gewinne lieferten. Der Kaiser Alexander gab Zobelpellerien und Hermelinfelle, der König von Preußen Vasen und Tassen aus seiner Porcellanfabrik, der Kaiser von Oesterreich Krystallgläser aus Böhmen und ähnliche kostbare Geschenke. Eine Menge Bijouterien lief überdies ein, und da die gewinnenden Herren stets zu Gunsten der Damen auf ihren Gewinn verzichteten, so standen sich diese bei diesem Lotto ganz vortrefflich. Dieser in den Salons der Fürstinnen Lubomirska und Bagration herrschende Luxus und Aufwand hatte, wie wir später erfahren werden, seinen Grund nicht allein in seinen gastgeberischen, sondern wohl noch mehr in seinen politischen Zwecken.

Aber die Damenwelt auf dem Wiener Congresse zeichnete sich nicht stets durch Schönheit, liebenswürdiges Wesen und Geistesreichthum aus, sondern hatte auch ihre Gegensätze und komischen Erscheinungen. Namentlich waren es einige fremde Damen, deren Erscheinung und Besonderheiten auf dem Congresse nur allzu leicht zum Spotte und zur Kritik geneigte Zungen herausforderten, die einen Triumph darin fanden, die lächerlichen Seiten der Personen für ihren Witz zu verwerthen. Zu den bezeichneten Damen gehörte vor Allen die Gräfin Bernstorff, die Gemahlin des dänischen Gesandten. Der sarkastische Berichterstatter zeichnet diese Dame in folgender Weise:

„Sie hat Jugend und eine imposante Gestalt, bei Abendbeleuchtung schöne Farben, besitzt jedoch keine Grazie, wie ein Fouqué’scher Nordlandsrecke dänisch in die Höhe getrieben“ – kurz, aber treffend.

Nächst Dänemark hatte auch England seine Congreßdame geliefert, die sich durch ihre Besonderheiten auszeichnete, ohne diese durch irgend welche Vorzüge auszugleichen. Es war dies Lady Castlereagh, die Gemahlin des englischen Gesandten. „Die mehrjährige Abgeschlossenheit vom Festlande,“ sagt der Berichterstatter, „und der Nationalstolz, ihren Geschmack unabhängig von der französischen Mode zu halten, verleitete diese Dame oft zu Geschmacklosigkeiten. Ihr Anzug war nicht nur ganz abweichend von der auf dem Congresse herrschenden Mode, sondern auch stets überraschend eigenthümlich und durch lächerliche Mannigfaltigkeit geschmackloser Ueberladung verunziert, so daß sie als Zielscheibe des Spottes diente, besonders da auch ihre Gestalt, plump und kolossal, ihr Benehmen, wild und unbekümmert, wenig geeignet waren, ihre Erscheinung angenehmer zu machen.“

Es bleibt uns nur noch übrig, diejenigen Damen zu bezeichnen, welche die Diplomatie auf dem Congresse vertraten und deren Wirksamkeit vielleicht nicht erschöpfend genug bekannt geworden ist. Jeder Staat hatte auf dem Congresse nicht nur seine Ministern, Botschafter etc., sondern auch eine Repräsentantin seines Landes. Diese Damen waren oft weit wirksamer in ihren politischen Bemühungen als die officiösen Diplomaten und halfen bei der auf dem Congress betriebenen „Staatenmacherei“ mit vielem Geschicke, wenn auch nur im Geheimen, mit. Schon vor Eröffnung des Congresses trafen diese Damen in Wien ein und eröffneten ihre Salons, in welchen sie die unvorsichtige diplomatische Jugend in ihren verführerisch gestellten Netzen zu fesseln suchten, um diesen Personen die zu erfahrenden Geheimnisse abzulocken. Mancher erfahrene Diplomat ist in diese Schlinge gegangen.

Zuvörderst war es der Salon des wohlbekannten Fürsten Talleyrand, der, wie schon früher erwähnt, Frankreichs Interessen auf dem Congresse vertrat, in welchem die junge, zwanzigjährige Gräfin Perigord, die Herzogin Dino, die Wirthin machte und durch ihre Schönheit, die Anmuth ihres Wesens und die Gluth ihres feurigen Auges, ihre geistige Begabung und Ausbildung, sowie durch die erforderliche Ausdauer überaus geeignet war, für die politischen Zwecke Talleyrand’s zu wirken. Diese geistreiche Dame inspirirte, wie das Gerücht ging, auch im vertraulichen Umgange den Fürsten selbst mit den besten Rathschlägen. Denn, obgleich Königin bei allen Festlichkeiten, die sie besuchte, liebte sie es dennoch, in Zurückgezogenheit den Studien obzuliegen. Durch Nachdenken und Lectüre frühzeitig gereift, im Besitze der genauesten Kenntnisse der neueren Geschichte und der vorzüglichsten Dichterwerke in verschiedenen Sprachen, zog sie die Unterhaltung über die wichtigsten Fragen der Politik und diejenige über Kunst allen andern vor. Ihre Schönheit wurde noch von ihrem feinen und gebildeten Geiste übertroffen, mit welchem sie in fast unwiderstehlicher Art zu wirken wußte, sei

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 432. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_432.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)