Seite:Die Gartenlaube (1875) 448.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


„Meine Oberdirn’? Das meine Oberdirn’?“ rief er, trotz der finsteren Miene des Alten, „jetzt freut mich mein Leben. Das ist ja …“

„Ich seh’ schon,“ sagte das Mädchen dazwischen tretend, „ich seh’ schon – ich muß Dir wohl selber aus dem Traum helfen; sei nicht harb, wenn ich Dich ein wenig geföppelt habe. Ich bin nit die Oberdirn’ – ich bin die Tochter vom Haus, die Schlösselbauern Kuni, die Dir recht schön ‚Grüß Gott!‘ sagt. Gieb mir eine Patschhand und trage mir’s nicht nach, was wir mit einander gewörtelt haben!“

Vergnügt schlug der Alte in die dargebotene Rechte ein, aber er fand nicht gleich Worte, seiner Ueberraschung und seinem Staunen über die schöne Entwickelung des Mädchens Ausdruck zu geben, das er seit Jahren nicht wieder gesehen, weil ihn sein Weg nie auf den einsamen Schlösselhof geführt hatte. Das Bild war daher in seiner Erinnerung so gut wie erloschen.

„Ja, bist Du’s wirklich, Kuni?“ rief er dann. „Ist es denn möglich, daß man sich so verwachsen kann in ein paar Jahrl’n? Wie ich Dich zuletzt gesehn habe, da bist noch ein kleines Bäumel gewesen, nur so ein Staudenwerk, über das man noch so hinüberschaut, und jetzt stehst vor mir da kerzengerade und weiß und roth über und über, wie ein Apfelbaum in der Blüh. Nichts ist mehr da von dem Dirnl’, das so verzagt und bleich herumgegangen ist – nichts als die guten blauen Augen, und drum nehm’ ich Deine Patschhand an und sage mit freudigem Gemüth: ‚Grüß Dich Gott!‘“

„Grüß Dich Gott auch noch einmal!“ entgegnete Kuni lachend, indem sie sich den Männern gegenüber auf der Bank niederließ. „Also nichts mehr für ungut! Mußt Dir halt denken, daß man gern lacht in der Jugend, und Du glaubst es nicht, wie spaßig das ausgesehen hat, wie Du vor der Gräd da gestanden bist und hast so ernsthaft in den Rock hinein geredt …“ Sie fing über der Erinnerung wieder zu lachen an und war kaum im Stande, vor Gekicher dem fragenden Vater das Vorgefallene zu erzählen; sie that es aber mit solcher Lustigkeit, daß auch der Zuhörer davon ergriffen wurde. Sie schilderte lebhaft, wie der Wind von Zeit zu Zeit einen Aermel aufgehoben und wie der Reiter dann allemal mit dem Kopf genickt habe, weil er gemeint, der Rock winke ihm. Der Vater schlug vor Vergnügen auf den Tisch und lachte, daß ihm die Augen übergingen, und rief einmal über’s andere: „Jetzt freut mich mein Leben. Die Narrethei hätt’ ich auch mit ansehen mögen.“ Zuletzt mußte auch der Hochzeitlader einstimmen, und das Kleeblatt lachte so laut und einmüthig zusammen, daß aus der Linde ein erschrockener Spatzenschwarm aufrauschte und der Stallbub, der eben dem Schweißfuchs ein Bündel Heu vorgeworfen, verwundert nach der Gräd hinauf sah und sich seine Gedanken machte, worüber doch der Bauer so lachen könne, der sonst immer auf den Heuboden hinauf gehe, wenn ihn das Lachen ankomme.

„Du bist ja ein Kernmädel geworden, Kuni,“ rief der Hochzeitlader nach einer Weile. „Und wie Du Dich sauber ausgewachsen hast! Es ist nur gut, daß Du da heroben in der Einöde hausest, sonst thätst Du am See auf und ab den Buben allen die Köpf’ verdrehen.“

„Meinst nicht,“ rief Kuni, „daß nachher mancher Kopf erst auf seinen rechten Fleck kommen thät?“

„Bist so scharf?“ fragte der Alte rasch entgegen. „Oder hast Dir gewiß schon Einen ausgesucht. Nur heraus mit der Farb’ – der Hochzeitlader ist schier wie der Beichtvater – heraus mit dem Namen, und ich zäum’ den Schweißfuchsen gar nicht ab und mach’ gleich meinen Ritt für Dich; dem Bauer wird’s recht sein, denk’ ich.“

„Jede Stund’!“ rief dieser. „Es ist zwar allemal eine harte Sach’ um’s Ein-Heirathen. Wenn ein Mädel hinausheirathet und Bäuerin wird auf einem fremden Hofe, das ist bald abgemacht, aber wenn man keinen Buben und nur so ein einziges geschupftes (thörichtes) Mädel hat, wie ich, da braucht’s wohl Ueberlegen, bis man einen fremden Burschen als Herrn und Schwiegersohn hereinsetzt in seine schöne Sach’, aber ich thät mir doch gar nichts daraus machen. Mir ist’s alle ’Bot recht, wenn sie sich einen Mann aussucht, aber sie will ja nichts davon hören. Es sind schon ein paar richtige Hochzeiter dagewesen, denen sie ganz gut gefallen hat …“

„Ich – oder der Schlösselbauernhof,“ sagte Kuni gelassen, „aber laß das gut sein, Vater! Mußt mich nicht drücken und drängen. Ich bin jung, Vater, und Du bist auch noch in den guten Jahren. Wir können alle Zwei noch warten, mein’ ich.“

„Das hast schon oft gesagt,“ erwiderte der Bauer, „aber über dem Warten geht die schönste Zeit dahin, und eh’ Du Dich recht umgeschaut hast –“

„Werd’ ich unter’s alte Eisen gehören?“ unterbrach sie ihn lachend. „Kann schon sein, aber dann wird’s mir wohl so aufgesetzt sein in meinem Planeten, oder, wenn’s durchaus geheirathet sein muß, nehm’ ich halt auch einen Alten – weißt, so einen Uebertragenen, der froh ist, wenn er den Hof kriegt, und das alte Eisen als Dreingab’ dazu.“

Der Hochzeitlader war verstummt und sah das Mädchen unverwandt mit steigendem Wohlgefallen an; eine solche Vereinigung von Liebenswürdigkeit und gemüthlicher Heiterkeit war ihm noch nicht vorgekommen, der Vater aber schüttelte den Kopf und brummte halblaut vor sich: „Ja ja, es ist alleweil’ der alte Umgang – da freut mich mein Leben.“

„Und dann ist’s das nicht allein,“ fuhr Kuni fort, indem sie zu dem Vater trat und ihm die Hand auf die Schulter legte. „Ich weiß wohl, daß es Brauch und einmal so eingerichtet ist in der Welt, daß wir Weiberleut’ heirathen sollen, aber es bleibt halt doch immer eine ernsthafte Sach’, bis man so für’s ganze Leben Ja sagt. Und wenn man auch nicht in einen Graben zu fallen braucht vor lauter blinder Lieb’, so mein’ ich doch, ein Bissel was müßt’ sich doch unter’m Brustfleck rühren, wenn man Dem begegnet, der Einem beschaffen ist. Ich bin noch keinem solchen begegnet, und so denk’ ich, wird’s das Gescheidteste sein, wenn ich noch eine Weil’ still voran geh’ und warte, bis das etwa geschieht.“

„Wie ich halt’ sag’,“ rief der Hochzeitlader und klatschte vor Vergnügen in die Hände, „Du bist eine grundgescheidte Person, Kuni, kannst alle Tag’ eingeben um’s Professor werden. So ist’s recht, daß Du Dich nicht übereilst und Dich nicht verbandelt hast, damit Du frei bist, wenn einmal der Rechte kommt, bei dem es Dir unter’m Mieder zu krabbeln anfangt. Ich kenn’ ihn, den Rechten, und will meiner Lebtag’ nimmer auf’s Hochzeitsbitten geh’n, wenn er Dir auch nicht gefallt. Wenn Du mir einen schönen Kuppelpelz versprichst, sag’ ich Dir seinen Namen und mach’ die Sach’ in Richtigkeit. ‚Schür’, Bartel, schür!‘ sagt der Laurentius zum Bartholomä. ‚In vierzehn Tagen ist’s an Dir –‘ Auf die Hochzeit, zu der ich heut’ einlad’, kommst noch als Gast und als Kranzeljungfer, und zwei Wochen darauf soll Deine eigene sein.“

„Jetzt freut mich mein Leben,“ sagte der Bauer. „Du tragst die Hochzeiter wohl so zum Aussuchen im Sacke mit Dir herum? Wer wär’ denn nachher das Prachtmuster von einem Schwiegersohne? Nur heraus mit dem Namen! Am Kuppelpelze soll’s nicht fehlen.“

Kuni hörte mit eigenthümlichem Lächeln zu; es war ihr gleichgültig, welcher Name auch genannt werden würde, und doch war sie neugierig, denselben zu hören. Sie weigerte sich nicht, als der Alte nochmals die Gläser füllte und sie aufforderte, mit ihm anzustoßen. „Der künftige Hochzeiter!“ rief er, „er soll leben!“

„Er soll leben!“ lachte Kuni. „Warum soll ich ihn nicht leben lassen? Das bissel Leben ist ihm nicht zu gut, aber er muß doch schon ein bissel schadhaft sein, weil Du so lange brauchst, bis Du ihn aus der Baumwolle heraus wickelst …“

„Aha, kannst es schon nicht mehr erwarten? Ich wundere mich eigentlich, daß Ihr nicht selber darauf verfallt. Es ist doch gewiß kein zweiter Bursche wie der am ganzen See, und Ihr müßt ihn ja ganz gut kennen …“

„Wer wär’ denn das?“ fragte der Bauer voll Erwartung; Kuni sagte nichts, aber ihr Blick zeigte, wie sehr auch sie auf den verlangten Namen gespannt war. Das Glas schwankte in ihrer Hand.

„Der Sylvest’ ist es,“ sagte der Alte, „der Sohn von Eurem Nachbar, dem Buchmair; er ist ja keine zweitausend Schritt’ von Euch weg. Wie habt Ihr nur auf den vergessen können? Ich mein’ doch …“

Er sprach seinen Satz nicht aus, denn im nämlichen Augenblicke flog das Glas aus Kuni’s Hand auf die Ziegelplatten der Gräd, daß es klirrend in Splitter ging, vor ihm aber stand

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 448. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_448.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)