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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Wochen ist Hochzeit, da beißt die Maus keinen Faden ab; ich will es haben, und wie ich es haben will, justament so muß es geh’n.“

„Was schreist denn so, Vater, und thust Dich so alteriren?“ erwiderte Mechel, indem sie ihn lächelnd betrachtete und gleichgültig fortfuhr, an Zachariesel’s Hut, den sie ihm abgenommen, ein Paar am Raine gepflückte Feldblumen zu befestigen. „Mich brauchst Du deswegen nicht auszuzahlen. Mir ist’s ja jede Stunde recht und meinem Franz auch; wer ist denn dran schuld, daß es sich so lang’ hinauszieht, als Du selber, zuerst mit Deiner Bauerei und dann mit der Klag’ wegen der Bas’? Wir Zwei sind einig, nicht wahr, Franz?“

„Ja wohl, Mechel – will ich sagen, Mechtild,“ rief Zachariesel freudig, „wir Zwei sind einig und lassen nit von einander und wenn man uns mit Keilen von einander klieben wollt’ –

Und Eins weiß ich g’wiß,
Das bleibt allemal wahr;
Zwei Täuberl, zwei Herzerl –
Giebt jedes ein Paar.“

„So, zuletzt soll ich wohl die Schuld haben an all’ dem Gethu’?“ unterbrach ihn ärgerlich der Müller. „Dann will ich Euch zeigen, daß ich es nicht bin, und will nicht auslassen, bis Ihr copulirt seid. Jetzt soll in vier Wochen die Hochzeit sein. Noch heut’ red’ ich mit dem Trompeterfranz’l, wenn er mir nicht ausspringt, weil ich ihn schon einmal mitten im Sommer in den April geschickt hab’. Gerade hat mich der Berger von Berg, der spöttische Mensch, angered’t und hat gefragt, wann die Hochzeit sei und daß die Leut’ gar nicht begreifen, was denn dazwischen gekommen ist, und daß sie die Köpf’ zusammenstecken und schon anfangen, Euch einen Spitznamen zu geben, und daß sie Euch die ewigen Hochzeiter nennen.“

„Das können die Leut’ thun von mir aus,“ rief Mechtild dazwischen; „das ist keine Unehr’, und wenn wir erst verheirathet sind, thun wir’s ihnen zum Trotz’ und wollen als Eh’leut’ erst recht die ewigen Hochzeiter bleiben. Nicht wahr, Franzel?“

„Freilich, Mechel – will sagen, Mechtild,“ erwiderte der Bursche zerstreut; er hatte das Gesprochene nur halb gehört und bejahte auf gut Glück, wie er es immer gewohnt war. Während sie an den Häusern und Gärten des Dorfes dahin gegangen, hatte ein Mädchen über den Zaun gesehen und ihm wie einem alten Bekannten grüßend zugenickt. Das rothbackige Gesicht mit den blauen Augen und dem Flachshaar war ihm nicht unbekannt, aber vergebens blätterte er in dem Büchlein seiner Erinnerungen zurück, um das Blatt zu finden, auf welchem dieses Bildchen verzeichnet stand. Mechtild gewahrte seine Zerstreuung nicht; so wanderten sie noch völlig die Dorfgasse hinab bis zum Wirthshause, vor welchem, durch die Straße geschieden, ein geräumiger Sitzplatz sich über Stufen erhob, mit Tischen und Bänken und breitästigen reich belaubten Lindenbäumen darüber. Sie gingen Hand in Hand, zum Zeichen völliger Eintracht, und doch dauerte die Eintracht nicht länger als der Weg.

Unter den Bäumen waren fast alle Plätze schon von lachenden und plaudernden Gästen besetzt; nur zuvorderst an der Straße war noch eine Rundbank leer, weil sie von der Sonne beschienen war; ein einziger Gast hatte sich nicht davor gescheut und schien sich in der Helle und Hitze vielmehr ganz behaglich zu finden. Sein gelber Anzug leuchtete den Ankommenden schon von ferne entgegen, das Leuchten aber hatte zugleich die Wirkung eines Blitzes, der Zachariesel traf und seine Eifersucht hell auflodern machte. War dieselbe auf dem Diessener Markte mehr die Wirkung eines dunkel ahnenden Gefühls gewesen, so war sie jetzt eine ganz deutliche und bewußte Regung, denn der eitle Grubenmüller hatte es nicht über’s Herz gebracht, sein damaliges Gespräch mit dem Geometer zu verschweigen; er mußte groß damit thun, daß seine Tochter auch eine gute Heirath in die Stadt hätte machen können und daß er selber ganz wohl als Privatier in München sitzen könnte, auf dem Hofbräuhauskeller, mitten unter den Secretären und Commissären. Zachariesel’s Gemüth war davon etwas angeflogen, wie beim Vorbeistreifen an einer Hecke ein feiner Stachel hängen bleibt, den man nicht gewahrt und der doch durch das Gefühl seine Anwesenheit verräth. Es beruhigte ihn nicht ganz, daß der Müller sogleich hinzufügte, er denke nicht an solche Sachen, und auch an Mechtild glaubte er zu bemerken, als ob die Mittheilung nicht einen so vorübergehenden und gleichgültigen Eindruck auf sie gemacht habe, wie sie denselben schilderte. Zacharias empfand den Anblick des Gelben wie einen Schlag, der seine Hand aus der Mechtild’s schleuderte. „Himmelsacrament!“ rief er losplatzend, „führt denn der Teufel den verdammten Kanari überall hin?“

Weder Mechtild noch der Müller hatten Zeit, ihn zu beruhigen oder auch nur etwas darauf zu erwidern, denn der höfliche Städter hatte die Ankommenden bereits bemerkt und eilte ihnen mit dem artigsten Gruße und der Einladung entgegen, an seinem Tische Platz zu nehmen – es war kein Grund vorhanden, dieselbe auszuschlagen, um so weniger, als alle anderen Sitze überfüllt waren, und so saß der Müller nach wenigen Augenblicken neben dem Geometer; auch die jungen Leute mußten folgen und verweilten nur, weil Zacharias das Mädchen nicht los ließ, sondern erhitzten Angesichts eifrig in sie hinein redete.

„Ich lasse mir’s nicht einreden, daß das bloßer Zufall ist,“ grollte er. „Wie käm’ der Geometer gerade heut’ hieher, wo’s auf sieben Meilen nichts zu vermessen giebt! Wirst ihm schon Post gethan haben, so durch die dritte und vierte Hand.“

„Ob Du mich in Ruhe lassen willst mit Deiner dummen Eifersucht?“ zankte das Mädchen hinwider. „Hast es in der Geschwindigkeit schon wieder vergessen, daß Du selber gesagt hast, man könnt’ uns nicht mit Keilen auseinander treiben, und jetzt brennt Dir schon wieder der Kopf? Ich weiß nichts von dem Feldmesser und wundere mich gerade so gut wie Du, daß wir da wieder mit ihm zusamm’treffen.“

„Ich glaub’ Dir’s ja, Mechtild,“ sagte Zacharias einlenkend, „ich glaub’ jedes Wort, das Du sagst, aber Du mußt mir dann auch versprechen, daß Du nicht mit ihm red’st und Dir Flattusen sagen laß’t von ihm. Neulich hast ihm sogar die Hand gegeben …“

„Das ist nicht wahr,“ eiferte sie, „er hat sie sich genommen, und wenn Du glaubst, Du darfst mich nur so commandiren, und mir befehlen, was ich reden und wie ich d’rein schauen soll, so bist Du auf dem Holzweg. Ich will nicht, daß man mich für eine dumme Gans halten soll; ich will, daß man’s kennen soll, daß ich nicht umsonst im Kloster gewesen bin.“

„Mechel,“ rief der Bursch in wieder aufsteigendem Unmuth. „Mechel, sage so was nicht! Du weißt, daß ich es nicht vertrag. Wenn Du das thust, nachher steh’ ich für nichts gut. Nachher giebt’s ein Unglück.“

„Und was wär’ denn das für ein Unglück?“ fragte sie spöttisch entgegen.

„Ich geh’ auf und davon,“ rief er, laut genug um auch von den anderen Anwesenden vernommen zu werden. Mechtild aber, dadurch gereizt, erwiderte nicht minder verständlich: „Thu’ das, Zachariesel! Das Unglück ist zu ertragen – ehe eine Stunde vergeht, bist Du doch wieder da.“

Damit wandte sie sich lachend von ihm ab und dem Tische zu, wo sie den Gruß des Geometers auf’s Freundlichste erwiderte und nicht im Mindesten zögerte, in dessen dargebotene Hand einzuschlagen. Der Bursche hielt sein Wort; er drückte den Hut so fest auf die Stirn, daß die Feldblumen, die Mechtild daran befestigt hatte zu Boden fielen, ohne daß er es gewahr ward oder beachtete. Ihr flog es dabei heiß über’s Gesicht, aber sie zwang sich, hell aufzulachen, als der Geometer aufsprang und die Blumen auflas. „Es läßt sich errathen,“ sagte er mit seiner artigsten Verbeugung, „wer dem glücklichen Bräutigam diese Blumen geschenkt hat, allein da er sie verliert, ist es wohl erlaubt, wenn sie ein Anderer zu sich nimmt, der sie besser zu verwahren weiß.“

„Warum justament nicht?“ sagte der Müller. „Was weggeworfen wird, kann Jeder aufheben, da beißt die Maus kein’ Faden ab.“ Mechtild aber erröthete bis unter das Haar, denn es entging ihr nicht, daß Zacharias sich nur zum Scheine entfernt hatte und, hinter einem Holzstoße verborgen, sie von ferne beobachtete. Sie lachte in sich hinein und hörte eine Weile mit Vergnügen dem Geplauder des Feldmessers zu, wie das schöne Wetter ihn noch einmal zu einem Ausfluge veranlaßt habe und wie er dazu diese Gegend gewählt, weil eine stille Hoffnung ihm gesagt, wen er vielleicht hier antreffen werde. Was er dabei

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 488. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_488.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)