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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


auf die Straße herabgekommen war, glitt ein flammendes Roth; er schien nicht abgeneigt, dem Alten in demselben gereizten Tone zu erwidern, aber er zwang sich zum Lachen und sagte wie gleichgültig: „Daran liegt nicht viel, mein’ ich – für Dich ist’s keine Unehr’, wenn man Dich das Wettermannl’ heißt, das Wort aber, das Du gesagt hast, ist eine Schand’, daß es mir dabei siedig heiß gegen den Kopf steigt, und ich mein’, ich müßt’ Jeden niederschlagen, der so sagt’.“

„Na ja,“ erwiderte der Hochzeitlader mit eigenthümlichem Lachen, „wär’ schon ein schönes Stück, wenn Du Deine Wuth an einem alten Mann’l auslassen thätst, wie ich einer bin; wenn Du es aber mit Jedem so machen willst, der Dir das Wort zu Gehör red’t, da kann’s leicht geschehen, daß Du hübsch viel zu thun kriegst. Ich mein’ aber, Du könntest es leichter haben; der Spitznamen wird von selber wegfallen, sobald Du machst, daß er nimmer zutrifft.“

„Als wenn das an mir liegen thät’!“ rief Zachariesel eifrig. „Dafür kann ich doch nichts, daß die Mühl’ baufällig war und daß die Basen gestorben ist und daß die Mechel jetzt in die sechs Wochen krank und bettliegerig gewesen ist.“

„Dafür kannst Du freilich nit, Du Lapp,“ antwortete der Alte mit halbem Lachen, „aber wenn Du nur einmal ernsthaft das Maul aufthätest und sagtest: ‚so und so ist es, und so und so muß es sein, so will ich’s einmal haben,‘ dann würdest Du sehen, dann ging’ es gleich aus einem andern Ton. Merkst Du denn nicht, daß das Müllermädel, das halbgestudirte, Dich zum Narren hat? Daß sie blos spielt mit Dir, wie ein muthwilliger Bub’ mit einem Maikäfer, den er an einen Faden gebunden hat und fliegen und schnurren läßt, so lang’ es ihn freut, nachher aber wieder zurückzieht?“

„Du hast gut reden,“ seufzte der Bursche, „wenn sie mich halt so recht anschaut mit ihren kohlschwarzen Augen und wenn sie mir gute Wort’ giebt, da kann ich nicht Nein sagen. Du weißt halt nicht, wie das ist, wenn man Eins so recht von Herzen gern hat.“

„So? Hast Siegel und Brief dafür?“ fragte der Alte mit eigenthümlichem Blick und Ton entgegen. „Wenn Du schon glaubst, ich wüßt’ nicht, wie Einem dabei ist, so sag’ ich Dir doch, ich glaub’ Dir’s gar nicht, daß Deine Lieb’ zu dem Madel gar so enterisch (ungeheuer) ist; wenn das so wär, so hättest Du schon zehnmal für einmal Mittel und Wege gefunden und alle Krummen gerad’ gemacht.“

„Tratz’ mich nicht!“ sagte Zachariesel mit einer Miene, in welcher Zorn und Betrübniß miteinander kämpften, „hilf mir lieber! Mach’ Du meinen Procurator! Du bist es gewohnt vom Hochzeitladen her und weißt, wie man seine Reden richtig setzen muß: wie wär’s, wenn Du statt meiner zum Grubenmüller gingst und thätst ihn sprachen? (Jemand sprachen: soviel wie: ernsthaft zur Rede stellen.) Ja, das wird das Gescheidteste sein. Sag’ ihm und auch der Mechel …“

„Gieb Dir keine Müh’!“ sagte der Alte und nahm seinen Baß wieder auf, „das geschieht doch nit. Ich muß nit von Allem haben und misch’ mich nit unter Liebesleutel – hab’s neulich erst probiren wollen und hab’s erfahren, wie’s damit geht.“

„So gieb mir wenigstens einen Anschlag.“

„Einen Anschlag? Meinethalben. Eigentlich sollt’ ich zwar nicht; eigentlich sollt’ ich Dich an Deinem Kreuz hängen lassen, weil Du mich mit Deiner Hochzeitladerei wie einen Narren im ganzen Gau hast herumreiten lassen, aber ich will’s mit Dir nicht so genau nehmen und will Dir einen Anschlag geben, aber ich mag nicht da in’s Freie hersteh’n und in der Kält’. Wohin willst denn eigentlich, weil Du’s gar so eilig gehabt hast? Wieder da ’nüber?“ setzte er nach kurzem Innehalten spottend hinzu, indem er über seine Schulter hinweg mit dem Daumen nach dem See und dem jenseitigen Ufer deutete.

„Ja,“ entgegnete Zachariesel kleinlaut, „ich bin vorgestern drunten gewesen und da –“

„Und da hat sie Dir wieder einmal den Kopf heiß gemacht?“ lachte der Alte, da er stockend einen Augenblick inne hielt.

„Ja,“ fuhr er fort, „weil Faschingzeit ist, hat sie am nächsten Sonntag hinüber gewollt nach Weilheim; da geben die Frackischen (Frackträger, soviel wie: Stadtherren) einen Tanz oder Ball, wie sie’s nennen …“

„Aha,“ fiel der Alte ergänzend ein, „das ist Dir nicht recht gewesen, weil Du mit den Frackischen eiferst, und da habt Ihr Euch wieder einmal gestritten, und Du bist auf und davon und hast es in Deinem Zorn verredet, daß Du unter acht Tagen nicht wieder in die Grubenmühl’ gehst.“

Zachariesel sah ihn mit weitgeöffneten Augen an. „Auf’s Haar ist’s so,“ sagte er, „aber wie kannst denn Du Alles so akkerat wissen?“

„Das sagt mir Alles mein kleiner Finger,“ erwiderte der Alte ernsthaft, „ich darf nur ein gewisses Sprüchel sagen und zwischen Dunkel und Siehstmichnit (zwischen Dämmerung und Nacht) den Finger an’s Ohr halten, da erzählt er mir Alles, was ich erfahren will. Also hast Du’s einen ganzen Tag ausgehalten, und jetzt bist Du eilends auf dem Weg in die Grubenmühl’ und willst dem Mädel sagen, daß es Dir leid thut und daß Du gar nichts dagegen hast, wenn sie auf den Ball geht und sich von den Weilheimer Frackischen recht herum tanzen läßt.“

„Du hast es wieder schier ganz errathen,“ sagte Zachariesel, „ich hab’ ihr sagen wollen, sie sollte nur auf den Ball geh’n, aber mich muß sie auch mitnehmen, und damit sie’s nicht anderwärts zusagt, bin ich den geradesten Weg über die Felder gelaufen und hab’ über den See hinüber gewollt.“

„Die zwei Sachen lassest Du alle beide schön bleiben,“ rief der Alte. „Ueber den See zu geh’n, ist nicht mehr rathsam.“

„Was fallt Dir ein?“ entgegnete Zachariesel, dem See zugewendet. „Das Eis ist ja wie ein Spiegel und hat noch nirgends den kleinsten Sprung. Das hält noch seine drei Wochen an, bei der Kälten.“

„Willst Du das besser versteh’n?“ fragte der Alte mit wichtiger Miene. „Hast vorhin das Krachen nicht gehört?“

„Freilich, ich hab’ gemeint, es hätt’ ein Jäger auf ein Wildbrät geschossen.“

„Da ist mir um Deine Ohren leid, wenn Du das für einen Schuß gehalten hast,“ rief der Andere wieder. „Das Eis ist’s gewesen, zu tiefst drunten im See. Das Grundeis, das hat einen Riß bekommen; drum ist auch vorhin schon ein Fischgeier über’s Eis hingestrichen, als wenn es schon offen wär’, und hat einen Ruf gethan dazu, und das ist eine gewisse Regel:

Wenn über’m Eis der Geier schreit,
Dann ist der Auswärts nimmer weit.

Du meinst, die Gefrier soll noch drei Wochen halten? Ich sage Dir, sie hebt (hält) keine drei Tage mehr an. Jetzt ist die Zeit, da rührt sich die Natur in der Tiefe, da kommt die Grundwärm’ herauf, und wenn es auch noch aussieht, als wenn der Winter erst anfangen sollt’, über Nacht kommt der warme Tirolerwind, und Alles springt um. Ist auch nicht mehr lange hin auf Fabian und Sebastian, und da muß der Saft in die Bäume gahn, wenn’s einen richtigen Laubs (Lenz) geben soll. Ich denk’,“ fuhr er, sich in Bewegung setzend, fort, „ich denk’, Du gehst mit mir nach Diessen hinein; da muß ich heut’ aufspielen beim Faschingsritt; kannst auch zuschauen. Ich will’s in der Still’ überlegen, was Du thun und sagen sollst; in der Weil’ kannst Du Dich umsehen, ob nicht ein Fuhrwerk da ist, mit dem Du ein Stück um den See herum fahren kannst. Es kommen ja zu der Narrethei die Leut’ von überall her, vor allem Ueberlegen aber sag’ ich Dir gleich auf der Stell’: das Gescheidteste ist, Du bleibst beim Faschingsritt und tanzest, was das Zeug hält und die Schuh’ vertragen, und gahst nicht in die Grubenmühl’. Sie müßt’ mir kommen und um ein schön’s Wetter bitten, wenn ich an Deiner Stell’ wär’.“

„Wenn sie’s aber nicht thut …“

„Sie thut’s, wenn ihr an Dir nur ein wenig gelegen ist, und wenn es wär’, und sie thät’s doch nicht, dann bist Du sie los. Dann brauchst nicht Oberknecht auf der Grubenmühl’ zu werden, denn etwas Anderes wirst Du doch nicht, und dann wird’s wohl noch ein anderes Mädel geben, das Du Dich zu kriegen traust.“

Zachariesel seufzte tief auf, aber erwiderte nichts; der Gedanke, Mechel aufzugehen, war ihm unfaßbar. Er veränderte daher das Gespräch und bot sich an, seinem Berather die Last abzunehmen und die Baßgeige für ihn zu tragen. „Meinetwegen,“ erwiderte der muntere Alte, „den Gefallen kann ich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 534. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_534.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)