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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

Auf den Strike und das Droschkenwesen überhaupt hatte weder Quistorp’s „Centralbazar“, nach Thölde’s „Oeffentliches Fuhrwesen“ den geringsten Einfluß. Zwischen den Droschkenkutschern und dem Polizeipräsidenten kam ein Friedensvertrag zu Stande; der Tarif wurde bedeutend erhöht, und im Uebrigen blieb Alles beim Alten. Die „große Zeit“ der Gründungen hat Berlin mit Droschken erster Classe beschenkt, die aber auch inzwischen stark auf den Hund gekommen sind, indem sie sich von denen zweiter Classe in Betreff des Angespannes nicht mehr unterscheiden. Die Pferde sind ebenso miserabel und erwecken in dem Fahrgaste dieselben bösen Ahnungen.

Verwandte und ganz ähnliche Gründungen sind:

Actiengesellschaft für Möbeltransport und -Aufbewahrung. Ging gleichfalls aus einem Fuhrgeschäft hervor, das den Actionären mit 220,000 Thalern berechnet wurde. Emissionshaus: Moritz Ed. Meyer. Heutiger Cours circa 20.

Berliner Spediteurverein. Actiencapital 550,000 Thaler. Emissionshaus: Alwin Philipp. Sechs Spediteure: Rosenberg u. Löwe, Borchardt u. Sachs, Herm. Cohn u. Comp., Arnheim, Isaak u. Comp., Moreau Vallette, R. Bergemann u. Comp. warfen ihre Geschäfte zusammen und ließen sie sich, das heißt blos die Kundschaft, mit 400,000 Thaler bezahlen. Das eingebrachte Inventar[WS 1] wurde besonders vergütet, und aus der Reihe der Verkäufer mehrere Directoren mit hohem Gehalte und Tantième angestellt. 16½ Procent Dividende wurden versprochen, und 6 Procent für die drei ersten Geschäftsjahre garantirt, auch bisher bezahlt, indem die früheren Inhaber die nöthigen Zuschüsse leisteten. Cours noch circa 30.

Allgemeine Transportgesellschaft. Wahrscheinlich von denselben Spediteuren gegründet und geleitet. Weiteres nicht bekannt.

Außer der Droschke hat Berlin den Omnibus und die Pferdebahn nach Charlottenburg; neuerdings auch die Große Pferdebahn mit einer Anzahl von Linien außerhalb und innerhalb der Stadt. Omnibus und Charlottenburger Pferdebahn sind Actiengesellschaften, die schon aus der Zeit vor der Schwindelperiode datiren, und daher menschliche Gründungen. Bis 1870 rangen sie auch um ihre Existenz; mit dem Anwachsen und steigenden Verkehr der Hauptstadt haben sie sich, trotz mancher Mängel, ziemlich gut entwickelt und in den letzten Jahren hohe Dividenden vertheilt.

Die Große Berliner Pferdebahn constituirte sich im November 1871, eröffnete die erste Linie im Juli 1873 und schreitet seitdem ununterbrochen und ziemlich rasch vor. Die ersten Zeichner waren: Banquier Joseph Pincuß, Dr. Martin Ebers, Assessor a. D. Plewe, Consul Kreismann und Dr. Georg Kurs. Schon die Namen dieser Herren, die sämmtlich noch bei verschiedenen anderen Gesellschaften betheiligt sind, bürgen dafür, daß es keine billige Gründung war. Das Actiencapital ist neuerdings auf 3 Millionen Thaler erhöht worden. Dennoch gehört die Große Berliner Pferdebahn zu den wenigen Schöpfungen der Gründungsperiode, die einem wirklichen Bedürfnisse entsprechen und die eine Zukunft haben. Wiewohl die Dividende pro 1874 nur 4¾ % betrug und solch’ hohe Dividenden wie bei der Charlottenburger Pferdebahn, aus mehrfachen Gründen, nicht zu erwarten sind – notirt das Papier 115.

Daneben gebar die „große Zeit“ aber noch andere Pferde-Eisenbahn-Gesellschaften, die sich nicht besonders lebensfähig erwiesen haben:

Continental-Pferdebahn, mit Linien in Dresden und Hannover. Gründer, respective Aufsichtsräthe: Ingenieur von Etlinger, Fabrikbesitzer Gustav Schöpplenberg und Karl Egells, Banquiers M. J. Levinstein, Paul Gravenstein, Volkmar und Bendix, J. Mamroth, Julius Grelling, Alfred Wolff (M. Schie Nachfolger in Dresden). Cours circa 30.

Große Internationale Pferdebahn, mit Linien wo? Gründer: Hermann Geber, Ed. Stahlschmidt, Hermann Leubuscher, Stadtrath Harnecker und Banquier Ferd. Jaques. Cours?

Deutsche Pferdebahn, mit Linien in Elberfeld-Barmen. Gründer: Heinrich Quistorp, Regierungsrath a. D. Albert Bühling, Ingenieur Johannes Büsing. Die Gesellschaft ist in Concurs; die Bahn kam kürzlich unter den Hammer, fand jedoch keinen Bieter. Quistorp, der Unsterbliche, wollte sie zurückkaufen, seine Propositionen scheinen jedoch vom Gerichte abgelehnt worden zu sein.

Die Gründer, immer besorgt für das Gemeinwohl, und daneben auch bedacht auf den Comfort ihrer Mitbürger, riefen ferner noch zwei ganz besondere Institute in’s Leben: Admiralsgartenbad und Flora.

Im September 1872 verbanden sich die Herren Kreisgerichtsrath a. D. und Banquier Rudolf Parrisius („Deutsche Genossenschaftsbank“), Bureauchef R. Bensemann, Baumeister Walter Kyllmann, Dr. med. Engmann, Dr. Alexander Jürgens und Dr. Bodinus, – zur Errichtung einer eleganten Badeanstalt mitten in der Stadt, auf der Friedrichstraße. Das Grundstück hat die Gesellschaft sehr theuer erworben, und noch theurer hat sich der Bau gestellt. Das ursprünglich ausgeworfene Capital von 600,000 Thalern (500,000 Thaler Actien und 100,000 Thaler Hypothek) war gewiß hoch bemessen; trotzdem ist es um circa 90,000 Thaler überschritten, und neuerdings wurde wieder ein „Betriebsfonds“ von 40,000 Thalern gefordert. Die Einnahmen im „Admiralsgartenbad“ betrugen vom 1. Januar bis 1. Juni 1875 circa 12,500 Thaler, die Ausgaben circa 11,000 Thaler, was also einen überaus winzigen Reingewinn ergiebt. Wenn die Einnahmen nicht noch ganz erheblich wachsen[WS 2], was bei der sonstigen Nützlichkeit des Unternehmens wohl zu wünschen wäre, kann bei der außerordentlichen Belastung der Anstalt auf eine angemessene Dividende nicht gerechnet werden. Das Papier notirte in der letzten Zeit 25 Brief.

Noch trüber und grauer sind die Aussichten für die Actionäre der „Flora“, die eine lange ununterbrochene Leidensgeschichte hat.

Der im Sommer 1871 veröffentlichte Prospect enthält Folgendes: Es soll ein der Kaiserstadt würdiges großartiges Vergnügungslocal mit Sommer- und Wintergarten, Palmenhaus etc. errichtet werden. Zu diesem Zweck ist in Charlottenburg der prächtige von Eckardtstein’sche Park nebst Schloß angekauft worden. Rentabilität mindestens 12 Procent, und freier Eintritt für die Actionäre, respective deren Familien. Unterzeichnet: Fürst zu Putbus, Polizeipräsident von Wurmb, Hofgartendirector Jühlke, Director Noodt, Geh. Commerzienrath F. W. Krause, Consul H. Kreismann, Legationsrath Freiherr von Steffens, Rittergutsbesitzer Ludwig Ellers[WS 3], Assessor a. D. G. A. Plewe.

Dieser Prospect wurde nicht durch die Zeitungen veröffentlicht, sondern couvertirt und über Stadt und Land versandt, den Leuten in’s Haus geschickt.[WS 4] Ein wohl zu beachtender Beitrag zur Unterbringung der Actien! Personen, die an ein Börsenpapier nie gedacht hatten, wie Pensionäre, alleinstehende Frauen etc., kauften jetzt Flora-Actien wegen des freien Eintritts in das Vergnügungslocal und wegen der stolzen Unterschriften, die der Prospect trug.

Es soll hier gleich bemerkt werden, daß gewisse Unterzeichner, wie Herr von Wurmb und Director Jühlke, als Mitgründer wohl kaum einen pecuniären Nutzen gezogen haben, daß sie nur um der Sache willen beitraten und an die Sache glaubten; aber immerhin ist es zu bedauern, daß sie ihre Namen hergaben und dadurch Tausende täuschen und schädigen halfen. Mit Recht brachte Ludolf Parisius die Angelegenheit im Abgeordnetenhause zur Sprache. Er tadelte, daß Herr von Wurmb, der Polizeipräsident von Berlin, zum Gründungscomité der „Flora“ gehöre, daß Herr von Brandt, der Polizeipräsident von Hannover, im Verwaltungsrathe der beide Vergnügungslocale „Tivoli“ und „Bella Vista“ sitze, und Herr von Gerhard, der Polizeipräsident von Magdeburg, als Aufsichtsrath einer Bade- und Waschanstalt fungire. Graf zu Eulenburg, der Minister des Innern, hat denn auch die drei Herren Polizeipräsidenten zum Austreten veranlaßt.

Wie bei der „Berliner Nordbahn“, so hat man auch bei der „Flora“ das ganze Odium auf den Fürsten Putbus zu wälzen gewußt. Die eigentliche Schuld des Fürsten aber besteht darin, daß er bei der „Flora“ und verschiedenen Eisenbahn-Concessionen sich vorschieben ließ, daß er sich mit Gründern und Börsianern einließ, denen er in keiner Weise gewachsen war, für die er die goldenen Aepfel herunterholte. Die eigentlichen Urheber der „Flora“ sind Herr J. A. W. Carstenn und Rittergutsbesitzer Ludwig Ebers, welche das Parkgrundstück wieder vorgekauft hatten und es der Gesellschaft zu dem kolossalen Preise von 550,000 Thalern – die Quadratruthe Gartenland über 100 Thaler! – abtraten.

Von besonderem Interesse ist das Verzeichniß der Personen, welche am 26. September 1871 die General-Versammlung „der in Gründung begriffenen Actiengesellschaft Flora“ bildeten. Wir finden darunter: Vereinsbank Quistorp, Banquier Jean Fränkel, Weißbierdirector Emil Gericke, Max Meyer (Louis Pollack), Rentier Moritz Eisner, Dr. Ludwig Eisner, „Volkswirth“ David Born, „Volkswirth“ Dr. Ed. Wiß, Hofapotheker Holtz etc. –

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Mobiliar, vergl. Berichtigung in Heft 37
  2. Vorlage: nicht noch wachsen, vergl. Berichtigung in Heft 37
  3. Vorlage: Ellers, vergl. Berichtigung in Heft 37
  4. vergl. Berichtigung in Heft 37
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 587. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_587.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2019)