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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

die Oberfläche; da bemerkte ich etwas weiter stromab ein Paar Arme, die sich gelegentlich aus dem Wasser emporreckten. Rasch war ich wieder unten, und diesmal stieß ich auf den Unglücklichen. Leicht zog ich ihn heraus; doch jetzt verließen mich meine Kräfte. Zum Glück sahen es einige Fischer am Ufer; sie kamen schnell heran gerudert und brachten uns Beide wieder an’s Land. Und es gelang, den Todtgeglaubten wieder in’s Leben zurückzurufen. Welches Fest war es für uns Alle! Für mich wurde von den Umstehenden eine Hand voll kleiner Silbermünzen gesammelt, und damit tractirte ich Abends dann die ganze Schule.

Etwa zehn Monate darauf rettete ich einen andern Knaben, auch einen meiner Mitschüler.

Als ich das Institut verließ und in Westmoreland im Staate Pennsylvanien zur Schule ging, setzte ich fort, was ich drüben getrieben hatte. Immer bin ich ein wilder Bursche gewesen, der sich mit Lesen und Lernen den Kopf nicht beschweren mochte. Waren wir nicht in der Classe, so tummelte ich mich sicherlich im Wasser umher. Wie ein Kork, so schwamm ich im Flusse auf und nieder, und den Boden jedes Baches und jedes Gewässers kannte ich so genau wie das Gesicht meines Vaters. Auch jetzt noch zählte das Herausfischen von runden Pflastersteinen zu meinen Haupt- und Lieblingsgeschäften.

Im Jahre 1863 hatte ich die Schule hinter mir und zog mit meinem Vater nach dem Westen, um dort mit den Indianern Handel zu treiben. In der Regel begaben wir uns von New-York direct an die Grenze des Indianergebiets und schickten von da aus die gekauften Waaren auf der Eisenbahn nach Hause.

Ich meine, der Indianer ist das verfehlteste Geschöpf, das je auf zwei Beinen gewandelt hat. Diese Chippewas in Minnesota stahlen Alles und Jedes, was ihnen unter die Hände kam. Ohne geladene Revolver bewegten wir uns deshalb niemals unter diesem Diebsgesindel. Wahrhaftig, der Indianer ist zu nichts gut und nütze, als für Barnum und für Romanschreiber. Jedenfalls hat er seine Rolle ausgespielt. Er arbeitet weder, noch jagt er jetzt mehr oder gräbt er Gold; er lottert blos umher und trinkt, und dann ist er schlimmer als eine Bestie. Irgendjemand hat gesagt, sein Verderben sei gewesen, daß ihn Columbus entdeckte, und ich fürchte, der Ausspruch ist nicht ohne Grund.

Kurze Zeit darnach trennte ich mich von meinem Vater und trat bei unserer Flotte ein. Das Kriegsfieber hatte damals alle Welt ergriffen und steckte natürlich auch mich an. Der Kampf mit den südstaatlichen Rebellen brach aus, und kein Mensch konnte die Kerle mehr hassen als ich. Mein Platz war auf dem Postboote ‚Hydranga‘. Capitain Watson, das den Jamesstrom auf und nieder fuhr. Wir hatten nur drei Kanonen, mußten aber fortwährend durch einen Hagelsturm hindurch, – die Hagelstücke waren Flintenkugeln. Die Scharfschützen der Conföderirten postirten sich hart an das Ufer, an dem wir vorbei mußten, so nahe an uns wie sie konnten, und ließen mit ihrem Feuer nicht nach, bis wir ihnen aus dem Gesichte waren.

Nach dem Frieden wandelte mich die Lust an, mich irgendwo ruhig niederzulassen und ein Geschäft anzufangen. Ich etablirte mich denn in Cape May an der Küste von Jersey. Mein Vater hatte mir ein Stück Geld gegeben, und so gründete ich ein Geschäft in chinesischen und japanesischen Artikeln. Allein es währte nicht lange, so erwachte die alte Wasser- und Schwimmpassion in mir auf’s Neue. Ich kann das Gefühl nicht beschreiben, das mich plötzlich packte. Es zog mich hin und her, dahin und dorthin, als bewegte jeden Zoll meines Leibes eine unsichtbare Hand. Wir befanden uns gerade in voller Sommersaison, und Schaaren von Seebadegästen belebten den Ort. Gelegentlich meiner Promenaden am Strande rettete ich hintereinander drei Kindern das Leben.

Der Sommer in Cape May dauert indeß höchstens zwei Monate, und so war dieses Wasservergnügen leider bald vorüber. Mit beginnendem Winter machte ich mich auf die Reise gen Westen auf, und dort nahm ich das erste Geld aus meinem Handel ein. Es waren neunhundert Dollars, die ich aber sofort wieder verausgabte, mir einen submarinen Taucheranzug anzuschaffen – Glocke und vollständigen Apparat.

Mein erstes Taucherabenteuer bestand ich 1865 in der Delawarebai, unweit von New-York. Ein altes englisches Schiff ‚der Husar‘ sollte dort gesunken sein. Ich ging an’s Geschäft, allein ich konnte nichts entdecken, was sich der Mühe einer Hebung verlohnt hätte; nur ein paar werthlose Kleinigkeiten habe ich mir als Andenken an diese meine erste Taucherpartie aufgehoben.

Eines Tages kam ein altes verschrumpftes Männchen zu mir, das von meiner Taucherei gehört haben mochte, und frug mich, ob ich an Spiritualismus glaube. ‚Nicht sehr,‘ gab ich ihm zur Antwort. Dann sagte es, ich solle mit ihm gehen, und es wolle mir durch die Vermittelung des Spiritualismus zeigen, wo ich ein Schiff voller Schätze finden könne. Aus Neugier folgte ich seiner Aufforderung, sah mir seinen Hokuspokus mit an und erklärte schließlich, für fünfzig Dollars täglich wollte ich’s mit der andern Welt versuchen und hinabtauchen, wo seine Geister das Schiff gesunken glaubten. Fünfzig Dollars waren ihm indeß zu viel; nur fünfundzwanzig wollte der alte Spiritualist daran wenden. Endlich kamen wir dahin überein, daß mir außerdem ein bestimmter Antheil von den in der Tiefe verborgenen Schätzen gewährt werden sollte.

Andern Morgens brachen wir Beide nach der Delawarebai auf, der Alte mit einer Schiffsladung halb vermoderter Seekarten. Um zwei Uhr Nachmittags waren wir an Ort und Stelle und sondirten auf eine Tiefe von ungefähr achtzig Fuß. Jetzt legte ich meine Rüstung an und sprang über Bord. Der Grund des Wassers war blauer Schlamm, fast so glatt wie eine Diele. Nachdem ich rundum Alles abgesucht hatte, gab ich das Signal, um wieder an’s Tageslicht emporgehoben zu werden. Der alte Geisterseher war zum Tode erschrocken, als ich ihm meldete: ‚Nichts unten!‘ Wir lichteten den Anker und segelten etwas weiter hinab. Diesmal stieß ich auf festen, harten Sandboden, der aber so nackt und kahl war wie das Innere meiner Hand. Damit endeten die Unternehmungen unseres ersten Tages.

Um zehn Uhr am andern Morgen ließ ich mich abermals in die Tiefe hinab, allein aus der Richtung der Strömung über dem Meeresgrunde ging deutlich hervor, daß da unten kein Wrack liegen oder gelegen haben konnte. Als ich das sagte, machte der Greis aber ein so klägliches Gesicht, daß ich mich entschloß, noch einen Versuch anzustellen. Und wirklich! Als ich einige hundert Schritte davon entfernt wieder in die See hinabtauchte, fühlte ich einen Gegenstand unter meinen Füßen, der mich in höchste Aufregung versetzte. ‚Bei Gott!‘ dachte ich, ‚das ist das Schiff.‘ Mir war zu Muthe, als gehörte mir plötzlich die ganze Schöpfung. Schon wollte ich mich hinaufziehen lassen und einen bessern Vertrag mit dem Manne machen, mindestens fünfzig Dollars pro Tag verlangen, da sah ich mich etwas näher um – allen Ernstes, das war der Rumpf des alten Schatzschiffes, ganz wie der Spiritualist es beschrieben hatte. Kaum war ich vor Aufregung im Stande, zum Emporheben zu signalisiren.

„Ich hab’s, ich hab’s,“ rief ich aus, so wie ich meinen Kopf aus dem Wasser streckte. Der Alte sprang vor Freude gleich einem Tollen im Boote in die Höhe und versprach aller Welt fabelhafte Geschenke. Mit Brecheisen und Schaufel fuhr ich von Neuem in die Tiefe hinab.

Aber, wie ich auch um das Wrack herum grub und hieb, es lag so fest im Grunde, daß sich nichts daran rührte. Nach unendlicher Anstrengung aber bewegte sich das Ungethüm doch ein klein wenig – eilig wandte ich mich zur Seite, um von dem Wrack nicht gefaßt und erschlagen zu werden, wie aber nun der Schnabel aus dem Sande zum Vorscheine kam, da gewahrte ich, daß das Ganze nichts war, als einige leere Planken; von Schätzen keine Spur! Etwas langsamer, als ich in die Tiefe hinunter gestiegen, tauchte ich wieder an die Oberfläche empor. Der alte Mann schloß sich verzweiflungsvoll in die Kajüte ein und weinte wie ein Kind. Ich aber habe seitdem nichts mehr von ihm gehört.

Etwas später tauchte ich im Golfe von Mexico. Bei Catoche stieß ich auf die erste Korallenbank. Unweit der Stelle sollte der Schooner ‚Foam‘ untergegangen sein. Der erste Steuermann und drei Matrosen waren gerettet worden, der Capitain mit seiner Tochter und drei Mann aber um das Leben gekommen. Ich ruderte in der Gegend umher, um zu sehen, ob das Fahrzeug nicht gehoben werden könnte. Nach acht Tagen, an einem schönen Sonntagsmorgen, hatten wir das gesunkene Schiff erreicht. Es lag sechszig Fuß unter Wasser auf einem silberweißen Sandgrunde. An dem gebrochen herabhängenden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 607. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_607.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)