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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Der Kaiser und sein Künstler.
Nach der Natur auf dem Teutberg aufgenommen von Knut Ekwall.




das Menschengewühl der Straße und die riesige Wagenburg zu betrachten, die sich binnen einer Stunde entwirren und in Bewegung setzen wird, denn die Abfahrt von Oberammergau ist so geschäftsmäßig regulirt wie die Ankunft.

Auf meine Fragen nach der Verwendung der großen Einnahmen erwiderte mir mein Nachbar, ein junger Bildschnitzer aus dem Orte, daß die einzelnen Darsteller durchaus kein großes Honorar beziehen. „Man vergütet ihnen natürlich die versäumte Arbeitszeit, und die Versäumnisse sind ziemlich bedeutend, da Alles mit der größten Sorgfalt eingeübt wird; im Uebrigen kostet die Garderobe ein bedeutendes Geld, und das Uebrige verwendet die Gemeinde für allgemeine Zwecke. Das neue Schulhaus, der Weg auf den Kreuzeshügel, das Denkmal für die Gefallenen sind aus den Spieleinnahmen hergestellt worden.“

Meine Frage, ob die ausgezeichnete Leistung des Christus diesem ein besonderes Gewicht im Dorfe verschaffe, verneinte er bestimmt. „Man erkennt gern an, daß er seine Sache sehr gut macht, aber im Uebrigen ist er ein einfacher Bildschnitzer, wie wir Andern auch. Die fremden Damen freilich,“ setzte er lächelnd hinzu, „wollen das gar nicht glauben. Sie würden sich wundern, wenn Sie all die kostbaren Geschenke sähen, die er nach dem vorigen Spiele bekommen hat. Ja, dem ist’s schon ein rechter Schaden, daß er vor dem Jahre 1870 verheirathet war,“ schloß er philosophisch, „der hätte große Partien machen können. Manche haben gemeint, sie können gar nimmer fort.“ In diesem Augenblicke ging der Besprochene selbst am Fenster vorbei, ich muß aber gestehen, daß ich in seiner Straßenerscheinung, abgesehen von den prächtigen Locken, Nichts fand,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 637. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_637.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2016)