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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

Consul und ehemaliges Reichstagsmitglied Gustav Müller, Abgeordneter Stadtrath a. D. Adolf Hagen und Director Julius Weißenburger (Deutsche Unionbank), Theodor Henoch, Karl Coppel, Heinrich Fromberg (Schlesischer Bankverein), Mitteldeutsche Creditbank, Julius Schiff (Gebrüder Schiff), früheres Reichstagsmitglied Edgar Roß in Hamburg, Friedrich Grillo in Essen, Julius May, Kurt Klotz und Gebrüder Sulzbach in Frankfurt am Main, Internationale Bank und Norddeutsche Bank in Hamburg etc. Directoren: Wirklicher Geheime Ober-Regierungsrath Hartwich, Eisenbahndirector Windthorst und Baurath Mellin. Actiencapital 6,138,000 Thaler. Die Actien, gleichzeitig an den Börsen zu Berlin, Breslau, Hamburg und Frankfurt am Main eingeführt, und bis auf 120 getrieben, stehen heute circa 15.

Nicht zu verwechseln mit dieser Gründung ist die Deutsche Eisenbahn-Baugesellschaft zu Frankfurt am Main; am 13. September 1871 in die Welt gesetzt von den Baronen Rafael von Erlanger, Ludwig von Erlanger und Simon Moritz von Bethmann, den Herren Franz Borgnis, Zacharias Königswarter, Isaak Königswarter und Regierungsrath Fr. Wiesenbach – über deren Thaten schon lange nichts verlautet.

Deutsche Reichs- und Continental-Eisenbahn-Baugesellschaft. Gründer respective Aufsichtsräthe: Baron Karl von Rothschild in Frankfurt, Geheimer Commerzienrath Gerson von Bleichröder, Commerzienrath Ritter von Schwabach, Commerzienrath Jacob Landau und Banquier Wilhelm Ledermann in Berlin, Wilhelm Behrens (L. Behrens und Söhne) in Hamburg, Assessor Friedenthal (Breslauer Discontobank), Ritter Theodor von Hornbostl und Ritter Moritz von Goldschmidt in Wien, Rechtsanwalt Makower, Reichstagsmitglied, Rittergutsbesitzer von Kardorff-Wabnitz, Geheimer Legationsrath Graf Hatzfeld-Wildenburg, Kammerherr Baron von Rosenberg, Generaldirector Richter in Berlin. Vorstand: Regierungsbauräthe Adolf Schweitzer und Wilhelm Schultze und Regierungsassessor Leo Poschmann. Grundcapital 10 Millionen Thaler, worauf 40 Procent eingezahlt. Der 40-procentige Interimsschein, zunächst mit 55 bis 65 Thaler bezahlt, notirt heute circa 12 Thaler.

Baugesellschaft für Eisenbahn-Unternehmungen, F. Pleßner u. Comp. Gründer: Banquier Jacob Löb Eltzbacher in Cöln, Geheime Commerzienräthe Albert Borsig und Paul Mendelssohn-Bartholdy, Commerzienrath Ad. Delbrück, Banquiers Ferd. Güterbock und Julius Alexander, Baumeister Karl David Schultze und Ferd. Pleßner, Bankagent Theodor Hertel, Landrath Ernst Otto Schubarth etc. Actiencapital schließlich 4½ Millionen Thaler. Die Gesellschaft ist bankerott. Die einst bis auf 180 getriebenen Actien sind völlig werthlos; und es ist ein wahrer Unfug, daß sie trotzdem von der Börse noch immer notirt werden.

General-Baubank. Gründer respective Aufsichtsräthe: Baron Oscar von Reinach und Baron Ludwig von Erlanger in Frankfurt am Main, Commerzienrath Victor Ludwig Wrede, Banquiers Paul Gravenstein und Adolf Abel, Karl Schlesinger (Ostdeutsche Bank), Geheimer Regierungs- und Baurath a. D. von Derschau, Regierungs- und Baurath Friedrich Keil, Baumeister Heinrich Meske, Joseph Herborn und Karl Fischer, Gerichtsassessor a. D. Hermann Löwenfeld etc. Actiencapital 3 Millionen Thaler, mit 40 Procent Einzahlung. Die Gesellschaft befindet sich in Liquidation.

Imperial-Grunderwerb- und Bauvereins-Bank. Die Gesellschaft kam erst nach dem Krach und nach langen Wehen zu Stande, kaufte eine Reihe von Grundstücken und suchte sie mit eigenen Actien zu bezahlen, was auch vielfach glückte. Dem Unternehmen begegnete, wie „Saling’s Börsenpapiere“. Theil IV. 4. Auflage, bemerken, von vornherein wenig Vertrauen, und nach ein paar Monaten drohte es bereits zusammenzubrechen. Verschiedene Grundstücke wurden subhastirt. Actiencapital nicht weniger als 18 Millionen Thaler!! Cours? – Gegen die Gründer schwebt seit einem Jahre die Voruntersuchung.

Cuxhavener-Eisenbahn-, Dampfschiff- und Hafen-Actiengesellschaft. Gründer resp. erste Zeichner: Baron Victor von Magnus, Geh. Commerzienrath Paul Mendelssohn-Bartholdy, Reichstagsmitglied Dr. Braun-Wiesbaden, Stadtrath Albert Löwe, Geh. Regierungsrath Dr. Esse, Corvetten-Capitain z. D. Olberg, Gustav Kutter in Berlin; A. N. Zacharias, Rob. M. Sloman, J. E. Langhans (J. Greve u. Comp.) und Reichstagsmitglied G. A. Schön in Hamburg, J. H. Hagenah in Stade etc. Actiencapital 20 Millionen Thaler, wovon zunächst acht Millionen emittirt wurden. Die Actien sollten bis zur Vollendung des mehr als großartigen Unternehmens 6 Procent „Bauzinsen“ genießen. Cours?

Gleichzeitig mit dieser Gesellschaft und im innigen Anschlusse an dieselbe entstand die Cuxhavener Immobiliengesellschaft, und waren hier die Verfasser, außer den schon genannten Jürgen Heinrich Hagenah, G. A. Schön, Joh. Ed. Langhans, die Herren Charles Ernst David, R. A. Seelig und Eduard Stahlschmidt (Hermann Geber). Grundcapital 1,200,000 Thaler. In Betreff des Courses kann man in „Saling’s Börsenpapieren“ lesen: „Es ist wiederholt der Versuch gemacht worden, die Actien in den Börsenberichten als ‚gehandelt‘ auftreten zu lassen.“ –

Alle diese Gründungen hatten mit riesengroßen Lettern auf ihre Fahne den Culturkampf geschrieben; und wir wollen nun berichten von ihren Kämpfen und Erfolgen, von ihren Leiden und Schicksalen.

Die Deutsche Baugesellschaft war sich bei der Gründung, wie dies aus den Mittheilungen an die Börsenblätter hervorgeht, über ihren eigentlichen Zweck nicht recht klar, und verfolgte dann gleichzeitig eine Menge von Projecten. Sie wollte die Ackerstraße und die Marienstraße durchlegen, und legte auch wirklich die Voß-Straße nach dem Thiergarten durch. Sie „betheiligte“ sich bei verschiedenen Bau-Unternehmungen und Terrain-Speculationen in Berlin und außerhalb, und half zwei andere Baugesellschaften gründen: die „Hôtel-Gesellschaft“ und die „Actien Gesellschaft für Bauausführungen“. Sie gedachte endlich – und das war die Hauptsache – in Berlin zwölf bedeckte Markthallen zu erbauen, als Ersatz für die auf öffentlichen Plätzen stattfindenden Wochenmärkte. Die Idee war nicht neu, sondern bereits einmal gescheitert. Schon im Jahre 1867 erhielt Berlin eine Markthalle am Schiffbauerdamm, aber das Vergnügen dauerte nur sieben Monate, und endigte dann aus Mangel an Theilnahme, wegen Abneigung des Publicums wie der Verkäufer. Ein Kunstreiter pachtete später die pensionirte Markthalle und verwandelte sie in einen Circus. Trotz dieser übeln Erfahrung wollte die Deutsche Baugesellschaft zwölf neue Markthallen errichten; und der Magistrat, der seit Herrn Oberbürgermeister Hobrecht sehr zu Experimenten und kostspieligen Neuerungen neigt, war flink dabei; ja er war sogar bereit, sich an der neuen Markthallen-Actiengesellschaft mit einem Zehntel des Capitals zu betheiligen. Auch der Polizeipräsident, Herr von Wurmb, hatte seine Zustimmung gegeben; aber dessen Nachfolger, Herr von Madai, erhob Bedenken. Er fürchtete, und mit Recht, daß solche Ueberlassung der Marktstätten an eine Privatgesellschaft zur Monopolisirung des Marktverkehrs, zur Verdrängung der Producenten durch Zwischenhändler, und so zur Vertheuerung sämmtlicher Lebensmittel führen könne. Das Ministerium legte schließlich sein Veto ein, und das Markthallen-Project fiel, zur Freude und höchst wahrscheinlich auch zum Gewinne des Publicums. Die Deutsche Baugesellschaft aber stand mit einer Menge von aufgekauften Grundstücken da, und der inzwischen eingetretene „Krach“ verleidete ihr auch die Lust zu allen anderen Unternehmungen. „Sie wartet bessere Zeiten ab“, und beschränkt sich, wie der „Lindenbauverein“, auf das Vermiethen der zahlreichen Häuser. Leider ist dieses Abwarten und Sichbeschränken für die Actionäre recht kostspielig. Wiewohl die „Deutsche Baugesellschaft“ seit zwei Jahren feiert, hat sie doch an Handlungsunkosten pro 1873 – 42,000 Thaler, pro 1874 – 30,000 Thaler, davon an Gehältern 21,888 Thaler und resp. 15,820 Thaler, verausgabt. Die „Generalversammlung“ hat diese erstaunlichen Handlungsunkosten, diese splendiden Gehälter und die aus wenige summarischen Posten bestehende geheimnißvolle Bilanz – der Grundbesitz ist einfach mit 5,791,000 Thaler angegeben – sonder Anstand genehmigt: denn 50 Actien geben erst Eine Stimme.

Noch viel kläglicher steht da, noch weit ärger verspeculirt hat sich die Deutsche Eisenbahnbaugesellschaft. Nach ihrer Ansicht litt das deutsche Eisenbahnnetz an vielen Lücken; und sie ging nun daran, diese Lücken auszufüllen. Ihre Unternehmungen waren bald so zahlreich und so mannigfach, daß das ursprüngliche Capital von Millionen weitaus nicht zureichte. Man beschloß, dasselbe auf 20 Millionen zu erhöhen, aber nur noch 138,000 Thaler fanden Abnahme, und weitere 1,000,000 Thaler wurden an ein Consortium verkauft. Im Uebrigen erzielte die Gesellschaft, nach dem letzte Geschäftsberichte, folgende Resultate: 1) Von dem Bau der Holländisch-Westfälischen Eisenbahn trat sie zurück mit einem Verluste von 126,000 Thaler. 2) Das Project der Niederrheinisch-Westfälischen Kohlenrevierbahn ließ sie fallen mit einem Schaden von 145,000 Thaler. 3) Bei dem Bau der Unstrutbahn (Naumburg–Artern) verlor sie 160,000 Thaler. 4) Bei der Concession für die Lemförde-Bergheimer Bahn büßte sie ein 263,000 Thaler und wahrscheinlich auch die bestellte Caution mit 300,000 Thalern. 5) Das Project der Berliner Südwestbahn kostete ihr 105,000 Thaler. 6) Der beabsichtigte Betrieb der Touage auf der Oder, der gleichfalls verunglückte, ließ ihr auf dem Halse zwei Tauer-Dampfer und ein sechs Meilen langes Drahtseil. 7) Außerdem besitzt sie eine Menge sehr theuer erworbener Grundstücke in Berlin, Charlottenburg, Dortmund, Essen etc., die zu Buche stehen mit 11½ Millionen (!!) und hypothekarisch belastet sind mit 6½ Millionen Thaler (!!!). Arme betrogene Actionäre, was sagt ihr zu dieser Speisekarte?! – Selbstverständlich legte der Wirkliche Geheime Oberregierungsrath Hartwich die Direction, die er, wie damals die Blätter meldeten, mit specieller Erlaubniß des Reichskanzlers übernommen hatte, nach solchen Erfolgen nieder.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 674. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_674.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)