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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

H. C. Plaut, S. Abel jun., Paul Gravenstein, Victor Ludwig Wrede, Max Sabersky, Commerzienrath Feodor Zschille, Geheimer Hofrath Robert Dohme, Buchhändler Ferdinand Schneider, sächsischer Legationsrath Wolf Hugo von Lindenau, Ritterschaftsdirector Leo von dem Knesebeck auf Jühnsdorf, Landrath Prinz Handjery. Nach mehrfachen Verhandlungen über die Höhe des Grundcapitals setzte der Handelsminister dasselbe auf 10½ Millionen Thaler fest und verwarf ausdrücklich die „Generalentreprise“. Die Gründer gelobten in „Selbstregie“ zu bauen und übertrugen die Ausführung an die Gesellschaft der „vereinigten Bauunternehmer“. Bald kam es jedoch zu Differenzen, und der Vertrag wurde gelöst. Die „vereinigten Bauunternehmer“ und auch noch andere Personen erhielten Abfindungen, zusammen etwa 250,000 Thaler, und der Uebertritt des Geheimraths Heise von der Rechten Oder-Ufer-Bahn zur Berlin-Dresdener kostete gleichfalls 50,000 Thaler.

Nun wurde die General-Bau-Bank gegründet, zum Theil von denselben Personen, wie S. Abel jun., Paul Gravenstein, Victor Ludwig Wrede – und dieser der Bau übertragen. Die Gründer contrahirten wieder mit sich selber, nämlich als Eisenbahn- und zugleich als Baugesellschaft, und außerdem bildeten sie drittens das Finanz-Consortium, welches die Actien versilberte. Sie übernahmen die Stammactien im Nennwerte von 5¼ Millionen Thaler zum Course von 70 und schlugen sie los mit circa 82; sie übernahmen die Stammprioritätsactien in gleichem Betrage zum Course von 83 und boten sie aus mit 90, sollen aber mit diesen sitzen geblieben sein. Landrath Prinz Handjery wurde mit 350,000 Thalern „betheiligt“ und erzielte einen Gewinn „von 20,000 bis 30,000 Thalern“, über den er später zu Gunsten des Kreises Teltow verfügte. – Berlin–Dresden ist kürzlich eröffnet, und man darf sie im Interesse des Publicums begrüßen, denn sie macht der Berlin-Anhalter, die sich bis dahin allmächtig dünkte und aller Klagen und Beschwerden spottete, eine heilsame Concurrenz. Ob aber auch die neue Bahn mit der nöthigen Solidität erbaut und der Betrieb zureichend organisirt ist, darüber lauten die Stimmen verschieden; jedenfalls befindet sie sich in finanziellen Verlegenheiten und bereitet jetzt eine Anleihe von 4½ Millionen Thaler vor.

Außer Berlin–Dresden erbaute die General-Bau-Bank nur noch die Militärbahn von Berlin über Zossen nach Spremberg. Sie beschloß dann die Auflösung und erwählte zum Liquidator Herrn Löwenfeldt. Herr Gerichts-Assessor a. D. Hermann Löwenfeld ist seit der Gründungsepoche eine vielgeschäftige und vielgewandte Persönlichkeit und neuerdings namentlich bei Entgründungen thätig. Er ist Director der wieder von den Herren H. C. Plaut, Paul Gravenstein und Ludwig Wrede gegründeten Zentralbank für Industrie und Handel, Mitgründer und jetzt Liquidator der General-Bau-Bank, Aufsichtsrath der Berlin- Dresdener Bahn, Liquidator der Bahn Erfurt–Hof–Eger, früherer Aufsichtsrath der nun in Concurs befindlichen Elbinger Actiengesellschaft für Fabrication von Eisenbahnmaterial etc. etc. Herr Löwenfeld erschien auch zu Erfurt in der Generalversammlung, welche die Liquidation der wieder von H. C. Plaut, Paul Gravenstein, Ludwig von Erlanger in Frankfurt u. A. gegründeten Eisenbahngesellschaft Erfurt–Hof–Eger beschloß, und ließ hier eine längere, in vieler Hinsicht hochinteressante Rede vom Stapel.

Diese Rede ist – man sollte es nicht glauben – wesentlich gegen Lasker gerichtet. Eduard Lasker erhob im Februar 1873 von der Tribüne des preußischen Abgeordnetenhauses seine Anklage gegen die Gründer, und im Juni 1874 antwortete ihm auf einer Generalversammlung von Actionären, Namens der Gründer, Hermann Löwenfeld, Herr Löwenfeld erklärt, das Verfahren bei Eisenbahngründungen, welches Lasker so heftig verurtheilt, also die „Generalentreprise“, die „Provisionen“ der Gründer und Financiers – seien die nothwendige Folge des Actiengesetzes vom 11. Juni 1870. „Lasker,“ sagt Löwenfeld, „stellt seine hohen Ansprüche ohne eine Spur der Beschämung, die den Urhebern jenes Gesetzes wohl anstehen würde. Denn wenn Mißstände vorliegen, so trifft das Gesetz die Schuld, nicht aber Diejenigen, welche es auf die ihnen bequemste Weise handhaben.“ – Nach Herrn Löwenfeld haben Lasker’s „Enthüllungen“ den ganzen „Krach“ und speciell auch das Fiasco der Bahn Erfurt–Hof–Eger verschuldet, „dem wirthschaftlichen Leben des Volkes für viele Jahre eine tiefe Wunde geschlagen“. – Man sieht, wie geschickt Herr Löwenfeld Ursache und Wirkung verwechselt. Was thatsächlich die Gründer und die Gründungen vollführten, sollen Lasker und seine Rede gethan haben. Lasker ist an dem „Krach“ so unschuldig wie ein neugeborenes Kind, und seine Rede hat den „Krach“ nicht einmal schneller zum Ausbruch kommen lassen, wie wir das leicht beweisen können.

Schon im December 1872 verspürten die Börsen den Krach in allen Gliedern; schon damals suchten die Gründer und Börsianer ihren Raub in Sicherheit zu bringen. Ein großer Berliner Banquier, der eine lange Reihe von Gründungen auf dem Gewissen hat, schloß im December 1872 sein ganzes Geschäft, und ein anderer professioneller Gründer, Mitverfasser des „Lindenbauverein“, schrieb – der betreffende Brief liegt uns vor – an einen unglücklichen Actionär: Die Zeit scheint mir bedenklich, ich kaufe nichts mehr. – Gleich zu Anfang 1873 brach, wie Herr Löwenfeld selber anführt, auf dem Geldmarkte eine große „Deroute“ aus, und gleichzeitig ging der Abgeordnete Ludwig Bamberger, früher Banquier in Paris, unter die Propheten und weissagte: Die Börse ist jetzt bei den Bergwerken, und die Bergwerke sind, wie meine Erfahrungen lehren, stets der letzte Act des Dramas; wir nähern uns der Katastrophe. – Lasker ist ein intimer Freund Bamberger’s, und als er im Februar 1873 seine Rede hielt, ahnte gewiß auch er, daß der Krach heranziehe.

Man hat ihm sogar vorgeworfen, daß er seine Anklage viel zu spät, erst post festum erhoben, und dieser Vorwurf liegt nahe. Lasker’s Rede, etwa ein Jahr früher gehalten, mitten in den Gründungsschwindel hineingeschleudert, hätte diesen vielleicht unterbrochen, ihn gelähmt und abgekürzt. Und thatsächlich wollte Lasker schon weit früher vorgehen. Schon am 17. April 1872 machte er im Reichstage gelegentlich aufmerksam „auf die betrügerischen Grundsätze bei den Gründungen der Gegenwart“, bedauerte, daß das Actiengesetz so arg gemißbraucht werde, und sprach die Hoffnung aus, das Haus werde sich mit dieser Calamität noch in der laufenden Session befassen. Schon damals, mitten im Gründungstreiben, beabsichtigte Lasker, bestimmte Anträge gegen den verbrecherischen Schwindel zu stellen, aber das preußische Abgeordnetenhaus wie der deutsche Reichstag wimmeln von Manchesterleuten und „Volkswirten“, und diese hielten Lasker an den Rockschößen zurück.

Seine späteren „Enthüllungen“ boten, wie Herr Löwenfeld ganz richtig bemerkt, weder der Börse noch der Regierung etwas Neues. Trotzdem sind und bleiben sie eine That und ein Verdienst. Als Lasker sich am 7. Februar 1873 erhob, saßen um ihn, dicht gedrängt, die Gründer und Gründergenossen. Während er seine lange Rede hielt und, um sich anzufeuern, ein Glas Wasser nach dem andern trank, schwitzten jene Blut; ihre Lippen verfärbten sich, und ihre Augen suchten den Boden. Während sie nach Athem rangen, schrieen sie „Hört! Hört!“ und „Bravo! Bravo!“, und als er geendet, schlichen sie heran, drückten ihm krampfhaft die Hände und überschütteten ihn mit Glückwünschen.

Lasker’s „Enthüllungen“ waren freilich nur mangelhaft und einseitig. Sie behandelten einige wenige Eisenbahn-Gründungen untergeordneter Art, und seine Angriffe richteten sich ausschließlich gegen ein paar conservative Gründer, gegen bloße Dilettanten, die sich von professionellen Gründern hatten vorschieben lassen. Allein er hat doch immer den Stein in’s Rollen gebracht. Er hatte Rücksichten zu nehmen; darum war sein Vorgehen ein diplomatisches. Er exemplificirte das Gründungsunwesen an einem Vertrage zwischen Finanzcomité und Baucomité, welchen gewisse Personen zum Theil mit sich selber abgeschlossen hatten, und sagte dann: „Ich sehe in diesem Saale Niemanden, der hierbei betheiligt ist – wenigstens als Mitglied des Finanzcomités“, fügte er vorsichtig und nicht ohne Doppelsinn hinzu. Nun saß im Saale der Abgeordnete, der als Mitglied der Baugesellschaft von dem Finanzcomité eine „Provision“ bezogen hatte und zugleich als Aufsichtsrath der zu erbauenden Bahn fungirte, und dieser sehr ehrenwerthe Abgeordnete stellte, nachdem Lasker seine Rede geschlossen hatte, den Antrag auf Vertagung der Sitzung.

Ferner sprach Lasker von einem „verehrten Freunde“, den man mit Unrecht als Gründer bezeichne und für den er „jederzeit eintreten“ werde. Ob Lasker noch heute dazu bereit ist, wissen wir nicht; wir wissen aber, daß ihn mehrere „verehrte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 745. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_745.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)