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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


reichend. Der Meyer legte langsam seine Finger hinein, während er sagte:

„Nun weiß ich aber nicht, daß wir mehr thun könnten, als es abwarten.“

„Das eben, Meyer, denken sie in anderen Gegenden nicht,“ versetzte der Apotheker. „In anderen Gegenden haben sie mehr gethan, als blos sich mit ihrer alten Entenflinte getröstet. Sie haben in der Stille Waffen gesammelt, haben Büchsen über kleine Hafenplätze an der Nordsee aus England eingeschmuggelt, Munition dazu angesammelt und Alles gethan, um losschlagen zu können, wenn’s Zeit ist. Und das eben sollten wir auch nicht unterlassen. Ihr, Meyer, habt Euer Gewehr über dem Herdbusen hängen. Aber Eure Kötter haben das nicht. Und für alle solche, die guten Willen haben, aber keine Waffen, muß gesorgt werden. Es muß Geld zusammengeschossen werden, und dann müssen Listen aufgestellt werden, worauf Jeder, der bereit ist, mitzuthun, ein Paar Kreuze zu seinem Namen macht. Erst dann können wir überschlagen, wie vieler Waffen wir bedürfen, auf wie viele Arme wir zählen können.“

„Aber,“ fiel hier Runkelstein ein, „wer wird es wagen, diese Waffeneinschmuggelei zu besorgen? Ich nicht, und hier der biedere Fäustelmann sieht mir auch nicht danach aus.“

Fäustelmann schüttelte den Kopf.

„Dürfte mich ohne Vorwissen meiner Herrschaft nicht in solche Sachen einlassen. Müßte auch bitten, daß auf den Listen mein Name fortgelassen würde; doch bin ich bereit, Geld herzugeben.“

„Am Ende ist das die Hauptsache,“ antwortete der Apotheker, „für die Beschaffung der Waffen sorgen dann schon andere Leute.“

„Ihr, Widmer,“ fiel Runkelstein ein, „wollt doch nicht selber die Musketen und Patronen, in Eure Kampher- und Natronbüchsen verpackt, in’s Land schmuggeln?“

„Nicht das just, Oberförster,“ entgegnete der patriotische Pharmaceut, „ich nicht; es sind jedoch schon – darüber seid unbesorgt – bestimmte Männer da, welche das übernehmen. Glaubt Ihr denn nicht, daß der Tugendbund schon längst seine Emissäre im Lande hat?“

„Meiner Seele, nein,“ sagte Runkelstein, „das hätte ich nicht geglaubt; klopfe doch in meinem Revier an manchen Busch, aber solch ein Wild habe ich noch aus keinem aufgetrieben.“

„In Eurem Revier – wüßt’ auch nicht, was sie da suchen sollten. Bei mir ist einer gewesen. Mehr als einmal. Hat mit mir die Sache überlegt, habe ihn auch bereits mit einigen andern Herren in Idar bekannt gemacht; was Weiteres geschehen und erreicht, darf ich zu dieser Stunde nicht sagen. Ihr seht aber, Oberförster, wie der Hase läuft, das weiß ich in dieser Sache besser als Ihr.“

„Muß aber doch ein verwegener Mensch sein,“ fiel hier Herr Fäustelmann ein, „sich mit solchem Betriebe hier in die Gegend zu wagen, wo es von französischen Kellerratzen, Controlleurs und Gensdarmen wimmelt.“

„Pah,“ entgegnete der Apotheker, „wenn eine Sache am Niedergehn ist, dann wird sie dumm und stumpf – wenn das Kellerratzen- und Gensdarmenvolk früher Augen auch auf dem Rücken zu haben schien, jetzt sieht es schon aus den Augen, die es vorn hat, nicht mehr gut.“

„Apotheker, nehmt Euch in Acht!“ sagte hier warnend der Oberförster, „sonst sieht Herr Fäustelmann in der nächsten Mondnacht eine Vorgeschichte, wie die Franzosen einen mittelgroßen, schmächtigen Mann mit Pockennarben und einer Botanisirbüchse auf dem Rücken – todtschießen.“

„Nehme mich schon in Acht, aber mit zu vielem In-Acht-nehmen kommen wir nicht weiter – es gilt zu handeln. Also, Meyer Jochmaring, was wollt Ihr beisteuern? Und Ihr, Oberförster, wollt Ihr eine Liste entwerfen von vertrauenswürdigen Leuten in Eurem Bezirk? Ihr, Fäustelmann, wollt Geld geben. Wie viel?“

„Seid Ihr gewiß, daß Euer Emissär ein richtiger Emissär des Tugendbundes ist und nicht blos uns um unser Geld beschwindeln will?“ fragte Fäustelmann.

„Davon habe ich mich überzeugt. Ich sah seine Papiere – einen eigenhändigen Brief von Stein darunter.“

Das schien den Ausschlag zu geben; unter solchen Umständen waren die Männer nicht abgeneigt, sich zur thätlichen Unterstützung der Sache des Vaterlandes zu rühren. Jochmaring und Fäustelmann nannten kleine Summen die sie dem Apotheker dazu anvertrauen wollten, und Runkelstein wollte ihm am nächsten Sonntage die verlangte Liste bringen. Dann auch wollten alle drei sich in der Apotheke in Idar einfinden, um die Angelegenheit weiter zu besprechen. Herr Fäustelmann brach dann auf, und der Oberförster schloß sich ihm für den Heimweg an. Als sie gegangen waren, leerte auch der Apotheker sein Glas und reichte dem Sattelmeyer die Hand.

„Also auf Wiedersehen, Meyer!“ sagte er, „ich muß nun auch den Rückmarsch antreten; ich habe noch einen weiten Weg, weil ich an der Kropp vorüber muß.“

„An der Kropp? Was wollt Ihr denn da beschaffen?“ fragte der Meyer.

„Ich will da nach einer Pflanze suchen,“ versetzte mit einem schlauen Lächeln der Apotheker, während er die Büchse auf seinen Rücken zurückschob, „es wächst da in den Sumpfgründen eine besondere Pflanze.“

„In der Kropp,“ sagte der Meyer, seinem Gastfreude das spanische Rohr reichend, das hinter jenem an den Stamm des Baumes gelehnt gestanden hatte, „in der Kropp hat ja Runkelstein neulich eine wunderliche Vorgeschichte gesehen.“

„Was? Runkelstein? Fäustelmann vielleicht.“

„Nein, Runkelstein, der Oberförster.“

„Ah – in der That?“ rief der Apotheker wie erschreckend aus.

„Hat’s mir selber erzählt.“

„Aber was hat er denn gesehen in der Kropp? Doch das muß ich von ihm selber hören. Adieu, Meyer Jochmaring, adieu! Ich werde ihn noch erreichen.“

Und damit lief der Apotheker in einer ganz merkwürdigen Aufregung dem Oberförster und Herrn Fäustelmann nach, die man eben jenseits des Hauses zusammen über das „Schem“, die schmale Laufbrücke, schreiten sah, welche dort über den Fluß führte.




6.

Es war am andern Tage, noch in der Frühe, als Herr Fäustelmann, der in seinem Rentmeisterhause draußen vor dem Burgthore von Wilstorp wohnte, die Briefe und Zeitungen brachte, welche zwei Mal in der Woche der Landbriefbote aus Idar ihm um diese Zeit abzuliefern pflegte, vorausgesetzt, daß welche angekommen waren, und vorausgesetzt auch, daß besagter Briefbote nicht durch unaufschiebbare ländliche Geschäfte, wie das Ausnehmen der Kartoffeln, oder durch einen Anfall der Gesichtsrose – ein Uebel, das ihn vorzugsweise heimsuchte – am Kommen gehindert war. Herr Fäustelmann hatte heute mehrere Zeitungen für seine Herrschaft zu überbringen auch einen Brief und ein zierliches, mit einem fürstlichen Krönchen gesiegeltes Billet. Die Zeitungen enthielten wichtige Nachrichten. Denn obwohl sie von Gefechten und Zusammenstößen der Armeen berichteten, bei denen sich natürlich die französischen Waffen neue Lorberen geholt hatten, verriethen sie doch durch die Angabe der letzten Bewegungen der Heere eine Concentrirung und ein Rückwärtsgehen aller Corps Napoleon’s, der, nachdem man früher hatte wunderbare Großthaten bei seinem triumphirenden Vordringen gegen die Preußen und Russen in Schlesien lesen müssen, jetzt wieder in Dresden, und gerade da angekommen war, wo er früher gestanden. Weit wichtigere Nachrichten aber enthielt der Brief, den Herr Fäustelmann brachte und der von einem Freunde des Herrn von Mansdorf geschrieben war, welcher in einer mehr östlich gelegene größeren Stadt wohnte; dieser berichtete, daß man dort ganz bestimmte Kunde von zwei größeren Gefechten oder Schlachten habe, deren die von der französischen Censur beherrschten Zeitungen mit keiner Silbe erwähnten und von denen die eine bei Groß-Beeren stattgefunden, die andere bei Hagelberg, wo eine französische Division gänzlich aufgerieben und vernichtet worden sei.

Das war nun eine mächtige Belebung patriotischer Hoffnungen. Herr von Mansdorf schlug, nachdem er den Brief seinem Rentmeister vorgelesen, begeistert mit seiner schweren Hand auf den Tisch und forderte Fäustelmann auf, mit ihm einen tüchtigen Trunk auf das Wohl der Alliirten zu thun;

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 814. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_814.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)