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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

Gut blank und baar herausgeben könnte, wenn es verlangt würde.

Von der praktischen Einrichtung ihrer Clearing-Houses sind die Engländer des Lobes voll. Im Clearing-House treffen Mittags so und so viele Commis verschiedener Banken zusammen und rechnen mit einander ab, so daß nachher nur die Saldi der gegenseitigen Rechnungsverhältnisse ausgezahlt zu werden brauchen. Die Hamburger Bank dagegen dient als Clearing-House für die Kaufleute und für viele Nichtkaufleute der größten Welthandelsstadt des europäischen Kontinents und steht somit als Clearing-House unübertroffen und einzig in seiner Art da.

Und trotz alledem wird am 1. Januar die alte Hamburger Bank aufhören zu existiren. Das klingt räthselhaft und bedarf der Erläuterung.

Wohl nimmt die eigentliche alte Hamburger Bank ein ehrenvolles Ende; das von ihr innegehabte Gebäude, dessen Abbildung wir unseren Lesern vorführen, geht für dreihunderttausend Thaler an die „Reichsbank-Hauptstelle Hamburg“ über. Das Clearing-House aber bleibt. Die Reichsbank wird, laut bereits abgegebener Erklärung, das Giro-Geschäft der alten Bank unverändert fortführen. Dagegen ist in anderer Beziehung die Letztere überflüssig geworden. Die Dienste, welche sie dem hamburgischen Handel Jahrhunderte lang in den schwersten Zeiten der Münzcalamitäten leistete, sind im neuen deutschen Reiche Gottlob nicht mehr von Nöthen. Welcher Art diese Dienste waren, sei in einem kurzen geschichtlichen Rückblick auf die Entstehung und das Wirken der Bank dargethan.


Die alte Bank in Hamburg.


Als zu Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts nicht nur Kipper und Wipper, sondern leider auch Fürsten und hohe Herren das Geld fälschten und leichte oder schlechte Münze prägten (die anschaulichste Schilderung dieser heillosen Münzverwirrung entwirft Gustav Freitag in seinen „Bildern aus Deutschlands Vergangenheit“), trug E. E. (Ein Ehrbarer) Rath Hamburgs bei der Bürgerschaft auf „Anrichtung einer Banke in dieser guten Stadt“ an, und zwar nach dem Vorbilde Venedigs, Barcelonas, Rotterdams und Amsterdams, wo bereits Giro-Banken zum Segen des Handels existirten und florirten.

Die Bürgerschaft besann sich lange. Nach vieljähriger Ueberlegung ward endlich am 29. Januar 1619 die Gründung der Bank bewilligt. Zur Valuta wählte man das beste Geld, welches Deutschland damals besaß, den reichsconstitutionsmäßigen „Species“ (= Thaler), neun Stück auf eine cölnische Mark feinen Silbers. Ein solcher Species ward gleich drei „Mark Banco“ gerechnet, und in dieser imaginären Münze „Mark Banco“ wurden damals schon die Bücher geführt. Der Staat übernahm die Garantie für den Bankfonds. Gerichtlicher oder sonstiger Beschlag auf das Geld, welches Jemand in der Bank hatte, ward für nicht zulässig erklärt; nur Falliten durften nicht über ihr Bankguthaben disponiren. Die Bank erhielt das Privilegium, daß alle Wechsel über vierhundert Mark nur per Bank bezahlt werden durften. Die mit der Verwaltung des Instituts betrauten „Bankbürger“, desgleichen die Angestellten wurden darauf vereidigt, über den Status, wie über alle geschäftlichen Operationen der Bank das strengste Schweigen zu bewahren, auch keinem Unbefugten mitzutheilen, wie viel das Guthaben irgend eines Bank-Interessenten betrage.

Schon in demselben Jahre ward der Wirkungskreis der Bank erweitert, indem eine „Lehn-Banco“ mit dem Institut verbunden wurde. Dieselbe lieh größere Summen auf Wirthschaften aller Art, gegen mäßige Zinsen. Dieses Lombardgeschäft hat die Bank bis zum heutigen Tage beibehalten, beschränkt sich aber seit Anfang des neunzehnten Jahrhunderts auf die Belehnung von Contanten und Edelmetallen, sowie Kupfer.

Die Fundirung der Bankvaluta auf Species erwies sich nur zu bald als ungenügend, da Kaiser Leopold schlechte Species prägen ließ, die nur fünfhundertsechszehn (statt fünfhundertvierzig) As enthielten. Viele Bankinteressenten zogen nun nach und nach die alten schweren Species zum Zwecke des vortheilhaften Einschmelzens aus der Bank und brachten neue leichte Species hinein. Dadurch schwankte bald die Bancomark im Course, und zwar so erheblich, daß man z. B. für hundert Species außerhalb der Bank hundertachtzehn in der Bank liegende Species erhalten konnte.

Man sann auf radicale Reform. Der alte Baumeister Sonnin, Erbauer der großen Michaeliskirche zu Hamburg, soll durch eine zufällige Bemerkung den Anstoß zu der eingreifenden Neuerung gegeben haben, welche die Bankvaluta phönixartig verjüngte. Eines Abends unterhielt man sich in der „Patriotischen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 857. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_857.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)