Seite:Die Gartenlaube (1875) 860.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

Pickardt und Hofrath Moritz Alberts und nöthigten sie, sich flugs in eine Actiengesellschaft verwandeln zu lassen, die sie mit dem pompösen Namen „Berliner Brauhaus“ belegten. Die Bitterbierbrauerei wurde den Actionären mit 390,000 Thalern berechnet und war wirklich eine bittere Gründung. Inzwischen hat man liquidirt, und die Liquidation ergab nicht weniger denn – 2½ Procent.

Selbstverständlich beschränkten sich die Berliner Gründer nicht auf Berlin; sie suchten auch die Provinzen, das ganze große deutsche Vaterland sorgfältig ab.

Jean Fränkel „gründete“ mit Louis Bamberger, Assessor a. D. Plewe und Anderen die Potsdamer Brauerei, vormals W. Hoene: – Cours circa 15. Julius Pickardt „gründete“ mit Leopold Krautheim, Fritz Ramme etc. die von Siegfried Geber und Joseph Julius Seelig vorgekaufte Brauerei Werder bei Potsdam, vormals F. W. Hoffmann. – Cours circa 5. Louis Gratweil verfaßte mit Heinrich Wisotzki, Bernhard Bonwitt, Julius Joseph, Louis Blumenthal, Alfred Glasenfeld, Emil Treitel, Moritz Treitel die von Julius Pickhardt vorgekaufte Oranienburger Schloßbrauerei (Cours?) und mit Kaufmann und Gustav Bendix die bei der Geburt verunglückte Grätzer Actienbrauerei im Posen’schen. Hermann Gratweil „gründete“ in Verbindung mit Samelson und Sackur, David Liepmann in Berlin, Gebrüder Alexander, Ludwig Heyne, Oppenheim und Schweitzer in Breslau die dortige Brauerei Wiesner und in Verbindung mit Seelig und Ferdinand Strahl (Centralbank für Genossenschaften) die Brauerei von Herberz und Compagnie in Dortmund, die beide den Actionären viel Schmerzen gemacht haben. Die Kieler Actienbrauerei, vormals Consul C. Scheibel, ward von dem Consortium Geber-Stahlschmidt „gegründet“ etc.

Wie man sieht, kehren dieselben Personen häufig wieder, treten dieselben Leute bei den verschiedensten Gründungen auf. In sehr intimen Beziehungen stehen zu einander und „gründeten“ oft Hand in Hand: Hermann Geber (gewissermaßen der Häuptling, der aber gern hinter den Coulissen bleibt), Siegfried Geber, Reinhold Alexander Seelig, Joseph Julius Seelig, Eduard Stahlschmidt, Hermann Leubuscher, Hermann Gratweil, Louis Gratweil, Julius Pickardt, Moritz Bonwitt, Bernhard Bonwitt, Bernhard Maywald, Julius Müller, „Generaldirector“ der Wöhlert’schen Maschinenfabrik, Justizrath Hinschius (kürzlich zum Geheimrath ernannt), Julius Schweitzer etc. etc.

Was auswärts nicht Berliner Gründer thaten, thaten Gründer in der Provinz. In jeder Stadt, in jedem Städtchen entstanden „Actienbrauereien“; aller Orten klagte und schalt man über „Dividendenjauche“.

Merkwürdiger Weise fanden diese lauten Klagen in der Presse nicht den geringsten Wiederhall. Die Presse, die sich als Organ der öffentlichen Meinung, als Vertreterin der allgemeinen Interessen geberdet, blieb stumm. Sie hatte auch kein Wort für das Treiben der Bäcker, welche die Backwaaren bis zur mikroskopischen Grenze klein werden ließen und den Preis des kleinsten Gebäcks rasch auf das Doppelte und Dreifache erhöhten. Sie sah es ruhig mit an, wie die Fleischer und Höker, Gewürzer und Händler aller Art die neue Maß- und Gewichtsordnung benutzten, um namentlich die kleinen Leute in der unverantwortlichsten Art zu kürzen und zu betrügen.

Erst neuerdings, wo das Uebel schon nicht mehr so craß auftritt, las man in einigen Zeitschriften Aufsätze über Verschlechterung und Verfälschung des Biers, und auch im Reichstage kam die Sache zur Sprache. Da geriethen die Brauer in Harnisch, wiesen die Beschuldigung mit Entrüstung zurück und drohten mit gerichtlichen Strafanträgen. Herr Richard Rösicke, der „gegründete“ Mitvorbesitzer und jetzige Director der Schultheiß’schen Brauerei, erließ als Inserat eine lange Abhandlung, worin er nachzuweisen sucht, daß die Brauer nur wenig Malzsurrogate und gar keine Hopfensurrogate verwenden. Indeß muß er doch zugeben: „daß die Biere nicht mehr so stark gebraut und nicht mehr so lange gelagert werden, wie früher“. Das aber sind, wie Jedermann begreifen kann, zwei wesentliche Mängel, die allein schon die Verschlechterung des Biers erklären. Herr Rösicke rühmt zwar: die Fortschritte in der Brauereikunst, die Verwerthung des Dampfes, die Vervollkommnung der Maschinen etc. Doch das ist eitel Dunst! Unsere Zunge lehrt uns, trotz Herrn Rösicke, daß die Biere entschieden an Gehalt und Geschmack verloren haben, daß sie lange nicht mehr das sind, was sie vor dem Gründungsschwindel waren.

Und die Regierung thut ein Uebriges. Anstatt die Brauart und den Ausschank des Bieres unter Controle zu stellen, bereitet sie ein Gesetz vor: die Erhöhung der Braumalzsteuer – wahrscheinlich, um die Börsensteuer annehmbarer zu machen, welche sie seit Jahren plant, aber bisher nicht einzubringen wagte, soll das Bier nun doppelt besteuert werden. Nach Aufhebung der Schlacht- und Mahlsteuer, nachdem die Wissenschaft längst die Besteuerung der eigentlichen Lebensbedürfnisse für verwerflich erklärt hat – gewiß ein wunderbares Project, das da zeugt von dem rathlosen Hin- und Herschwanken, von dem verzweifelten Experimentiren unserer manchesterlichen Steuerpolitiker. Die Brauer protestiren gegen die Erhöhung der Braumalzsteuer. Sie erblicken darin eine „neue Schädigung“ des Brauereigewerbes, das „ohnehin durch die hohen Preise der Rohmaterialien, sowie durch die in der Gründungsperiode entstandene große Concurrenz mit einem sehr geringen Nutzen zu arbeiten genöthigt ist“. –

Nun, die Herren Brauer werden sich schon zu helfen wissen. Entweder sie erhöhen die Preise oder sie fabriciren „Steuerjauche“. Vielleicht thun sie auch Beides. Das Publicum allein würde den Schaden spüren, die Steuer zahlen müssen, und zwar nicht einfach, sondern doppelt und dreifach. Darum, so hoffen wir, wird der Reichstag ein Einsehen haben und die Erhöhung der Brausteuer verwerfen, wie er einst die Petroleumsteuer verwarf.




Als Weihnachtsgeschenke empfohlen!


Gottschall, Rudolf, Janus. Friedens- und Kriegsgedichte. Eleg. geb. mit Goldschnitt. 4 Mk. 50 Pfg.
Stolle, Ferdinand, Palmen des Friedens. Dichtungen. 5. Auflage. Eleg. geb. mit Goldschnitt. 4 Mk. 50 Pfg.
Werner, E., Gartenlaubenblüthen. Inhalt: „Ein Held der Feder“. – „Hermann“. 2 Bände. Eleg. br. 6 Mk.
Am Altar. Roman. 2 Bände. Eleg. br. 6 Mk.
Glück auf! Roman. 2 Bände. Eleg. br. 7 Mk. 50 Pfg.
Gesprengte Fesseln. Roman. 2 Bände. Eleg. br. 7 Mk.


Nicht zu übersehen.

Mit nächster Nummer schließt das vierte Quartal und der dreiundzwanzigste Jahrgang unserer Zeitschrift. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das erste Quartal des neuen Jahrgangs schleunigst aufgeben zu wollen.

Der neue Jahrgang beginnt mit:

E. Marlitt, „Im Hause des Commerzienrathes“.

Darauf folgt sofort:

E. Werner, „Vineta“.

Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen General-Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig anstatt 1 Mark 60 Pfennig). Auch wird bei derartigen verspäteten Bestellungen die Nachlieferung der bereits erschienenen Nummern eine unsichere.

Die Verlagshandlung. 


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 860. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_860.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)