Seite:Die Gartenlaube (1875) 866.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

flächlicher Ausdehnung, etwa 30' über dem Meeresspiegel sich erhebend, aber ein entzückend schöner Blick ward den Besuchern von dem kleinen Plateau aus, das direct dem Meere zugekehrt war und auf dem ein schwarzgelbes Häuschen die Macht der sorgsamen Finanz-Landes-Behörde, die Feindin aller Schmuggler, zu bedeuten hatte. Welch’ schöner Friede war über dieses Stückchen Land ausgebreitet! Die ganze Nachbarschaft des hierher eingesiedelten „Finanzwächters“ bestand aus einer Unzahl von Nachtigallen, die hier, ob es auch vom Meer her unablässig tobte und stöhnte, ihre lieblichen, idyllischen Concerte abhielten.

Als der junge Träumer im blauen Marinerock den Fuß zum ersten Mal auf dieses friedliche Stückchen Erde setzte, war sein Auge voll der Bewunderung des lieblichen Bildes dieser Einsamkeit hart am Meere. Gen Osten hatte er die interessante Stadt, die unter seinem Scepter lebte, das malerische Triest; im Süden der Punta dehnte sich die blaue See hin, immer sein Liebling, ob sie nun, wie jetzt gerade, wüthet, oder das glänzende, große Auge gegen den Himmel aufschlägt; im Westen Weinberge und Olivenwäldchen und weit hinten die romantische kleine Veste am Meere: Duino. Mit vollen Zügen genoß er das einzig schöne Bild und, wie immer in solchen Momenten, kam kein Wort über seine Lippen, und erst nach Verlauf einer halben Stunde hörte man ihn rufen, rufen im Tone tiefster Erregung, im Tone tiefster Herzenssehnsucht:

„Ah, hier möcht’ ich Hütten bauen.“

Ob wohl damals auch nur Einer aus der Umgebung des jungen Seefahrers – er hieß Prinz Ferdinand Max von Habsburg und war österreichischer Flottencommandant – diesen Sehnsuchtsruf für Ernst gehalten haben mag? Ich glaube nicht. Und doch war es mehr als eine poetische Redensart, was aus dem Munde des Prinzen an jenem Herbsttage kam.

Die Liebe zum Meere – sie war längst eine aufrichtige, ja eine heiße bei dem Erzherzoge zu nennen. Das Meer – in den verschiedensten Formen und Weisen hat es Maximilian gefeiert; seine Gedichte, seine Reisebilder, seine Sprüche und Tagebuchblätter, Alles, was uns von seiner Feder überkommen und was seiner Zeit unter dem Titel „Aus meinem Leben“ (Leipzig, Duncker u. Humblot, 1867) erschienen, zeugt für diese seemännische Leidenschaft. Und eine Stelle, welche dieser Leidenschaft mehr entgegen kommt als diese Punta Grignagno, er mochte sie kaum finden. Als Prinz Ferdinand Max an jenem Spätherbsttage Abends nach Triest zurückkehrte, beschloß er, das schöne Fleckchen Erde käuflich an sich zu bringen. Für’s Erste wollte er Nichts, als daß das kleine Plateau ihm gehöre. Und andern Tags schon ließ er durch einen seiner Hausofficianten die Punta und zwei Joch Boden hinter derselben ankaufen. Ein kleines eisernes Haus, wie solche die Amerikaner damals in Mode brachten, sollte dort aufgerichtet werden, ihn zu beherbergen wenn es ihn hinauslockte zur Meeresbraut, und die westlich gelegene Bucht sollte zu einem kleinen Hafen gestaltet werden, um dem erzherzoglichen Segler bequemen Eingang zu verschaffen. Gewiß kein großes Project, fern von allem Luxus, von allem königlichen Pompe! Ein Gärtner von der Villa „Maxing“ (nahe der bekannten Villeggiatura der Wiener Finanzwelt, Hietzing) wurde zur Herstellung eines Gärtchens nach Triest gerufen; Wege wurden gebahnt und ein eisernes Haus in Birmingham bestellt.

Aber diese einfache Einquartierungsweise am Strande der Adria sollte nicht zu Stande kommen. Ein Baumeister der Hafenstadt, der eine schreiend häßliche Umfriedungsmauer für schweres Geld hergestellt hatte, verdarb zuerst den Appetit des Prinzen. Einige Wochen darauf ging das Schiff, welches das eiserne Prinzenhäuschen als Fracht über den Canal zu tragen hatte, mit Sack und Pack zu Grunde – und mit ihm war der ganze einfache Plan des Erzherzogs in’s Meer gesunken, und an seine Stelle trat nun das Project, als dessen glänzende Ausführung sich heute das schöne „Schloß am Meere“ darstellt, dessen Schönheit nur leider von dem blutigen Schatten des kaiserlichen Opfers von Queretaro düster umschwebt wird und das sein Herr in den Tagen des Glücks und der Jugend, da er es schaffen half, „Mira mar“ nannte, als wollte er schon mit dem bloßen Namen, den einfachen zwei spanischen Worten, Jedwedem, der es in Sicht bekommt, Hochachtung, Bewunderung vor dem Elemente abzwingen, das sein Liebling war und blieb von der Stunde an, da er es 1855 zum ersten Male erblickte, bis zu dem unheilvollen Tage, wo er 1867 zum letzten Male von Santa Cruz den Sonnenball in seine ewigen Tiefen verschwinden sah. –

Einmal von dem neuen Gedanken erfaßt, in jenem Winkel der Adria ein Fürstenschloß aufzuführen, war der Prinz rüstig und rasch bei der Ausführung, und die alten Einfachheitsideen waren verflogen, um Luxus und Pracht Platz zu machen.

Nun ward Alles, was die neue Besitzung anging, groß gedacht. Immer weitere Ankäufe von Hinterlandstrichen der Punta Grignagno wurden gemacht, der Park sollte großartig, ein großer Molo in dem Hafen angelegt und als Krönung mitten im Garten eine herrliche Villa aufgeführt werden. Der erste Plan hierzu, von dem Wiener Ringstraßen–Architekten Romano ausgeführt, hatte nicht die Billigung des schwer zu befriedigenden Bauherrn. Damals nun lernte der Prinz den Erbauer der Triester Aurisina-Wasserleitung, Karl Junker, in der Hafenstadt kennen. Der junge frische Ingenieur mit dem resoluten Freimuth des echten Wiener Kindes mochte dem Prinzen, der die Scharwenzler nicht leiden mochte, sehr gefallen haben. Er übergab ihm vorerst die Ausführung des Molo, und fleißige Unterredungen, die er mit Junker dieser Arbeit wegen hatte, führten auch auf das Thema des Villenbaues. Und da fand es sich bald, daß Ingenieur und Prinz gleiche architektonische Geschmacksneigungen hatten. Der Prinz beschloß, die Leitung des Schloßbaues Karl Junker zu übergeben. Tag für Tag tauschten Bauherr und Baumeister ihre Constructionsgedanken aus.

Wie groß ist des Prinzen Freude, als er nach den vielerlei Sorgen, die ihm die Erstlingsarbeiten, die Gewinnung des dem Meere abzuringenden Bodens, die Urbarmachung des felsigen Parkterrains, die Anlagen der Straße, die Fundirung der Schloßmauern etc. bereiteten, endlich die Mauern stolz sich erheben sieht, und die zum Plateau führende Monumentaltreppe das erste Mal emporsteigen kann! Wie sucht er die Arbeiter alle, die er seine „lieben Mitarbeiter“ nennt, von dem Architekten bis zum Maurerpolier hinab, für den Fortschritt zu begeistern wie liebenswürdig fördert er das Werk seiner Liebe, wie oft ißt er sein einfaches Mittagsbrod, das der mitgenommene Koch im Freien improvisirt, mitten unter der rastenden Arbeitercolonie! Im Herbste 1858 läßt er den eben fertig gewordenen Gartenpavillon, westlich vom Schlosse, in aller Eile zu seinem Heim einrichten und wartet nicht erst die Zeit ab, wo er auf ganz Miramar Herr werden soll. Am 28. September schon bezieht er diesen Pavillon mitten im übrigen Chaos mit seiner jungen, liebreizenden, ihm eben angetrauten Gemahlin Charlotte und hält dort von jetzt an wochenlange Siesta. Einige kleine Salons in der ersten Etage, ein Schlaf- und Arbeitszimmer im Parterre und eine offene Terrasse sind Alles, was der Gartenpavillon bietet, aber das junge Pärchen ist höchlichst zufrieden und bringt da die vielen Monate, die vom Ausbruch des Krieges mit Italien bis zur Fertigstellung des großen Schlosses verlaufen, im einfachsten Stillleben zu.

Und Prinzessin Charlotte ist nicht weniger von Miramar entzückt, als ihr Gemahl. Im August 1857 schon, als sie nach ihrer Vermählung zum ersten Male den Fuß auf die Punta Grignagno gesetzt, schwärmt sie für die Schönheiten dieses Besitzthums am Meere. Ein kleines Fest in dem theilweise fertigen Garten, von den Arbeitern improvisirt, macht ihr unsägliche Freude, die sie in liebenswürdige Worte zu kleiden weiß. Nach einem in schönster Mondlandschaft eingenommenen Souper verschwinden um neun Uhr die Glücklichen, das Gefolge zurücklassend. Es wird zehn Uhr; es wird elf Uhr, und noch ist keine Spur von dem hohen Paare. Auf elf Uhr ist die Rückfahrt angesetzt – die Yacht wartet draußen im Hafen, aber den Glücklichen schlägt eben keine Stunde. Es wird Mitternacht, wird ein Uhr – Maximilian und Charlotte wandeln noch immer unter den jungen Pinien und Oliven des Gartens und schauen auf die mondbeglänzte Zaubersee hinaus. Keiner der Männer des Hofes wagt es, auf Rückkehr zu deuten. Alle langweilen sie sich und begreifen diese Passion des Erzherzogs nicht, wie sie auch andere seiner Passionen nicht begreifen. Erst um halb zwei Uhr denkt das beglückte Paar an die Heimkehr und an die Herren der Suite, und es wird die Rückfahrt nach Triest angetreten.

Am 27. Juli 1859 wurde das Schloß von dem obersten Leiter des Baues, Herrn Junker, dem Prinzen fertig übergeben.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 866. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_866.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)